Seite:Die Gartenlaube (1864) 603.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

Tapete breitet sich ein fein in Falten gelegter Florüberzug mit Spitzemnuster. Ein rundes Sopha oder ein Divan umschließt das ganze Zimmer, Fauteuils und kleine Tische sind überallhin vertheilt. Eine Ampel von mattgeschliffenem röthlichen Glase hängt in zierlicher Form vom Plafond herab. Ein hoher breiter Stehspiegel nimmt die Wand zwischen den Fenstern ein; ein Piano und Bilder kommen hinzu. Die niedergelassenen Vorhänge an Fenstern und Thüren schließen Abend das Cabinet vollkommen ab. Der Teppich ist hellgrün oder gelb und grün gemustert. Dies wäre ein kleiner Theil des eleganten Comforts; es versteht sich von selbst, daß er großer und mannigfacher Abwechselung in den Formen und Farben fähig ist, nur der Grundton muß bleiben: Einfachheit bei dem höchsten Werth der Stoffe und Dekorationen. Eine Eleganz dieser Art hört auf Luxus zu sein, sie wird zum Kunstwerk. Das gebildete Auge, der geläuterte Geschmack weiß die Regeln des eleganten Comforts über die anscheinend geringfügigsten Dinge zu verbreiten.

Die vier Arten von Comfort, die wir hier betrachtet haben, stehen, wie man sich denken kann, im Leben nicht so abgeschlossen da, wie wir sie, unserem Zweck gemäß, dargestellt haben. Der gelehrte Comfort verschwistert sich sehr oft mit dem eleganten, der bürgerliche oder häusliche nimmt eine große Anzahl Motive und Ausschmückungen aus dem Gebiete des gemüthlichen. Auch giebt es Zimmereinrichtungen, in denen von allen vier Arten etwas zu finden ist; doch sind gerade diese keine Mustereinrichtungen, und der Gast wird sich in solchen Räumen nicht behaglich fühlen. Ein Hauptgedanke muß stets vorwiegen, und Ebenmaß und Zweckmäßigkeit müssen seine Begleitetem.

A. v. St.[1] 




Aus den Rechtshallen des Mittelalters.
Zusammengestellt von George Hiltl.
2. Die Anwendung der gebräuchlichsten Folter- und Strafwerkzeuge.
II.

Wir verließen die Inquisitin auf der Leiter. „Wie der Scharfrichter sie zum andern Mahle wieder zwei Sprossen weiter zog“ – heißt es in dem Protokoll ferner – „erhub sich ein überaus starker Sturm-Wind, welcher so gewaltig wider die Fenster der Volterstuben ging, daß man meinet, sie würden mit sammt den Rahmen hinein in tausend Stücke geworfen. Inzwischen wurde gebetet: ‚Heilige Dreifaltigkeit stehe uns bei.‘

Inquisitin: ,Ach Göttchen, hilf mir balde?‘

Richter: ,Wer soll Dir helfen?‘

Inquisitin antwortet nicht, sondern fähret fort zu rufen: ,Ach, hilf mir, hilf mir!’

,Ziehet an!’ rufet der Richter, die Knechte drehen immer weiter, daß man die Gelenke knacken höret (!) Da kam eine Mauß aus der Spalten der Diele wie der Blitz nach der Leither zu. Nach welcher Mauß der Scharffrichter und seine Knechte mit Stäben, auch der Amtsdiener, der gerufen und eben ein Bund Schlüssel in der Hand hielte, tapffer zuschlugen, sie aber nicht treffen konnten, indem sie hoch über Stäbe und Schlüssel auf und nieder sprang, als wenn sie Flügel hätte, verschwund auch drauf in einem Augenblick, daß man sie nicht weiter sahe, es legete sich auch der Sturmwind und ward Alles stille. Von den meisten Schlüsseln aber waren die Kämme (Bärte) herab oder doch krumm, daß man sie wieder machen lassen mußte. Also suchete der höllische Menschenjäger in Gestalt einer Mauß seine Freundin zu befreien.“

Es ist überflüssig, ein Wort zur Erklärung hinzuzufügen, die sich Jedem von selber aufdrängt. Daß die Verfinsterung jener Zeiten die Bewohner aller Gerichtslocale, als Mäuse, Schaben, Motten und Fliegen, für verkappte Teufel hielt, die im Augenblicke der Folterung ihren Freunden beizustehen kommen, bezeugen sämmtliche Gerichtsordnungen. „Es sollen die Gerichtsleuthe immer wol auf ihrer Huth sein. Da es denn häufig genug geschiehet, daß der böse Feind Gestaltens einer Mauß, Schmeißfliegen, Hummel oder Hörnisse hereinfähret, da denn die Gerichtspersohnen wohl Ursache haben, fleißig Gott anzuruffen, ehe und während sie bei dem Hexen-Gesindel seind und den schweren Handel der Tortur anheben.“

Einige Worte mögen noch über den „Hexenschlaf“ gesagt sein, der jedenfalls nichts weiter, als ein in Folge der fürchterlichen Anstrengung und Erregung aller Nerven eingetretener Starrkrampf war. „Aber,“ sagt der alberne Geheimrath Döpler, „das Zaubrer- und Hexen Gesindel wird von ihrem Buhlen dem Teufel gehärtet, daß sie keine Marter noch Pein fühlen, sondern auff der Leither schnarchen und schlafen, wie Jemand so von langer Reise heimgekehret. Offtmalens fähret ihnen der Erzfeind in die Kehlen, da sie dann nicht zu sprechen vermögen, sondern krächzen und ihnen ein Schaum vor den Mund tritt.“

„Nachdem nun der Richter diesen Vorfall (mit der Maus) protocoliren lassen, klopfete der Scharffrichter mit einem Stecken der Inquisitin auf die Brust. Er sagte: ,Es ist Zeit, daß Du bekennest?‘

Illa: ,Lasset nach, Meister Hans, ich will bekennen, ich will eine Hexe sein, da man es also begehret. Ihr habet ja Hexen genug unter Händen gehabt?‘

Richter: ,Nehmet die Inquisitin herab von der Leiter.‘

Dieses geschieht. Der Scharffrichter renket ihr die Gliedmassen ein und lasset sie setzen, welches man aber bei den Zaubrern und Hexen nicht gerne thuet (!). Bringt ihr auch, so es Noth thut, eine Stärkung bei, derohalben immer Wasser, Essig, Schlagtränke, Zimmet und Rosenwasser bei denen Folterungen vörhanden sein sollen. Inquisitin hat sich kaum erholet, so wird sie ermahnet, zu bekennen. Sie lachet höhnisch und sagt: ,Was sol ich aussprechen? Meister Hans, saget es mir doch vor.‘ Der Richter ermahnt sie noch ein Mal, da sie aber verstockt bleibt und glaubt, sie habe die Tortur überstanden, befiehlt der Richter, ihr um dreiviertel fünf Uhr die Beinschrauben anzulegen.“

Fig. VI. Die Beinschrauben.

Dieses Instrument des vierten Foltergrades, dargestellt in Fig. VI., hatte verschiedene Formen. Die hier abgebildete ist eine der ältesten und führt den Namen „spanische Stiefeln“, auch „würtembergischer Fußstock“. Die in späterer Zeit gebräuchlichen Beinschrauben waren in der Form den Daumschrauben ziemlich gleich. Die Anwendung wird durch den Holzschnitt ganz leicht erklärt. Die stiefelförmigen Hülsen sind inwendig mit eisernen Zacken versehen. Ein Vorderstück dient zur Deckung des Schienbeins, ein Hinterstück deckt die Wade. Die mit Schlüsseln versehenen Schrauben ziehen die Stücke gegeneinander, bis sie fast zusammenstoßen und sich fest auf die bedeckten Theile des Beines legen. Die äußerst empfindliche Construction des Schienbeines machte diesen Torturgrad zu einem der qualvollsten. Da der Stiefel das Bein über dem Knöchel umschloß, so war ein vollständiges Absterben der Füße die Folge, und gewöhnlich hinterließ dieser Grad zeitlebens die traurigsten Spuren an dem Körper des Gemarterten. Bei der Vollziehung mußte der Inquisit sitzen und das zu marternde Bein auf einen Fußschemel legen. Ein Knecht hielt ihn von rückwärts, ein zweiter drückte die Beine fest, und der Meister schraubte auf Befehl des Richters langsam zu. Blieb der Inquisit mit den Stiefeln an den Beinen hartnäckig, so bedienten sich die Scharfrichter eines Kunstgriffes, um den ohnehin grausamen Schmerz noch zu erhöhen. Er klopfte nämlich mit dem Schraubenschlüssel gegen


  1. Der vorstehende Aufsatz, welcher der belehrenden und praktischen Winke gar manche enthält, gehört zu den letzten literarischen Arbeiten eines bekannten Schriftstellers, dem unsere deutsche Lesewelt eine Reihe geistvoll concipirter und fein ausgeführter Novellen und Skizzen verdankt, dem schwere Krankheit aber jetzt seit längerer Zeit und leider für immer die Feder aus der Hand gewunden hat.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 603. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_603.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)