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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

No. 32. 1864.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.

Wöchentlich 1 1/2 bis 2 Bogen. Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 15 Ngr. zu beziehen.


Die schwarz-weiße Perle.
Von Levin Schücking.
(Schluß.)


Kaunitz lächelte und gab sich alle Mühe, in dies Lächeln den Ausdruck von so viel Schadenfreude zu legen, wie ihm nur möglich war.

„Sie glauben am Ende gar, Excellenz,“ versetzte er kopfschüttelnd, „wir legten auf diese kleine Affaire mit dem Cavaliere di Lucano ein Gewicht, welches sie gar nicht verdient, wir knüpften Hoffnungen daran, die …“

„Von welcher Affaire reden Sie da … Lucano … was ist mit dem?“ fragte der Baron aufhorchend.

„Er ist verhaftet! Wissen Sie es noch nicht?“

„Verhaftet?“

„Auf den Befehl des Königs.“

„Und weshalb?“

Kaunitz zuckte die Achseln.

„Doch nicht etwa,“ fuhr der Baron Breteuil fort, „weil er meiner Cousine ein wenig lebhaft den Hof gemacht hat? Ich habe meine Cousine gewarnt, aber sie ist ganz so vernarrt in ihn, wie er in sie, und am Ende seh’ ich nicht ein, weshalb sie nicht ein passendes Paar sein sollten.“

„Es ist auch schwerlich deshalb geschehen, Excellenz, obwohl es den Anschein haben könnte, als habe er sich die königliche Ungnade durch seinen häufigen Verkehr mit der französischen Gesandtschaft zugezogen … denn Sie wissen, der König liebt es nicht, wenn seine Cavaliere sich mit den fremden Gesandten zu sehr befreunden; nein, die Ursache ist eine andere, und so machen wir uns keine Illusionen und glauben nicht, daß etwas für unsere Sache Förderliches darin liege, wenn …“

„Ich verstehe, ich verstehe; aber sagen Sie mir, was ist denn der Grund der königlichen Ungnade gegen den armen Cavaliere?“

„Ahnen Sie das nicht? Sie, der Sie so gut von Allem, was am Hofe vorgeht, unterrichtet sind?“

„Ich weiß, man sagt, die Marchesa von San Damiano …“

„Das sagt oder vielmehr flüstert man in der That, vielleicht auch nicht ganz ohne Grund …“

„Schwerlich!“ fiel mit cynischem Lächeln der Baron ein.

„Es muß,“ fuhr Kaunitz fort, „also etwas vorgefallen sein, was den König aufgebracht und zum Entschlusse geführt hat, den zu glücklichen Unglücklichen verhaften und auf das Fort Bard schicken zu lassen, wohin er morgen abgeführt werden soll! Die Marchesa soll außer sich sein über dies Schicksal ihres Lieblings!“

„Was erzählen Sie mir da?“ rief der Gesandte aus, seine Schritte anhaltend und sein Kinn mit der manschettenbewehrten Rechten streichelnd.

„Es ist so, wie ich sage,“ sprach Kaunitz weiter, „und so,“ setzte er mit einer Miene des höchsten Aergers und wie von seinem Verdruß zu diesem Ausruf fortgerissen hinzu, „spielt das Schicksal immer Ihnen alle Karten in die Hände … es ist zum Verzweifeln!“

„Alle Karten … mir!“ wollte der Baron verwundert ausrufen, aber er verschluckte diplomatisch diese Worte, die Kaunitz verrathen hätten, daß er nicht im geringsten wahrnahm, welcher Vortheil für ihn aus der Sache zu ziehen sei, er sagte nur: „Der arme Cavaliere. .. was wird Aimée dazu sagen! Sie wird untröstlich sein!“

„Aber schwerlich lange,“ versetzte Kaunitz wie noch immer in seinem Aerger … „ihre weiße Hand wird den Unglücklichen aus der Tiefe seines Unglücks schon wieder emporziehen …“

Dem Baron von Breteuil ging in diesem Augenblicke ein Licht auf. Er sah scharf in die Züge des jungen deutschen Grafen … was darin zu lesen, war nichts, als ein aufrichtiger tiefer Aerger, daß das Schicksal einmal wieder ihm, dem Baron, die „besten Karten“ gegeben … „in der That,“ dachte Breteuil, „dieser Deutsche ist sehr schlau, aber er ist recht einfältig, dieselbe Schlauheit in jedem Andern vorauszusetzen und diesem dadurch Winke zu geben, die ein guter Diplomat für sich behalten hätte!“

„Apropos,“ sagte der Baron jetzt, das Gespräch plötzlich fallen lassend, „ich habe mich in Paris wegen der Perle erkundigt, von der Sie neulich redeten; Sie haben sich geirrt, mein lieber Graf, es ist keine derartige im Schatze des Königs!“

„In der That nicht? Dann muß ich freilich mich geirrt haben,“ versetzte Kaunitz. „Vielleicht habe ich sie dann im Tower in London, im Schatze des Königs von England gesehen.“

„Möglich … vorhanden ist eine solche Perle wenigstens, und die, mein lieber Graf, ist in meinem Besitz!“

„In Ihrem Besitz?“ rief Kaunitz mit erheuchelter Verwunderung aus.

„Seit gestern!“

„Aber woher ist Ihnen möglich gewesen …“

„Ja, woher?“ versetzte lächelnd der Baron von Breteuil … „das ist mein Geheimniß!“

„Sie Glücklicher!“ seufzte Kaunitz wie mit gesteigertem Verdruß. „Auch das noch!“

„Aber nun, mein lieber Graf, leben Sie wohl,“ sagte der Gesandte, indem er sich plötzlich wandte, „ich muß heimgehen, denn meine Geschäfte rufen mich.“

Er machte Kaunitz eine etwas triumphirende höfliche Verbeugung

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 497. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_497.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)