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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

sicherer bei Barthold, als beim Schulmeister zu finden. Des Schulmeisters Tochter wurde deshalb, sowie die Musik eingetroffen war, zuerst heimgesucht, und das ganze Dorf lief zusammen, als das mächtige Musikcorps mit Pauken und Trompeten in die stille Nacht hineinwirbelte und einen ganz heillosen Lärmen machte. Dann nahm der Tänzer Bärbel’s, denn so hieß das junge Mädchen, diese an den Arm, und nun zog der Trupp zu Barthold’s hinüber, um dort den musikalischen Spectakel von neuem zu beginnen.

Der alte Barthold ließ sich aber nicht „lumpen“. Aufgetragen war in der großen unteren Stube, was Küche und Keller nur liefern konnten, und wie sie sich dort ganz gehörig „gestärkt“, ging der Zug – ohne die Mädchen natürlich – in einem Strich nach Wetzlau hinüber, denn der Traubenwirth war auch nicht zu verachten.

Das galt aber, wie gesagt, nur als das Vorspiel des Ganzen, denn vier Wochen später begann am Dienstag die wirkliche Kirmeß, die drei Tage dauerte, Freitag und Sonnabend war Ruhe, und am Sonntag wurde dann die sogenannte Nachkirmeß gehalten.

Am ersten Kirmeßtag aber ist es Sitte, daß die Platzburschen ihre Mädchen mit Musik abholen, und Hans natürlich hatte es sich etwas kosten lassen, um das seiner würdig in’s Werk zu setzen. Er selber, mit dem üblichen Strauß im Knopfloch und einem anderen kleineren mit einem wehenden rothen Band daran am Hut, eröffnete an dem Morgen den Reigen, da Wetzlau am weitesten entfernt lag und er also sein Mädchen zuerst herüberbringen mußte. Er ritt seinen Braunen, ein prächtiges munteres Pferd, und dahinter kam ein mit Guirlanden und Büschen geschmückter Leiterwagen, auf den die ganze Musik gepackt war. Hinter dem Leiterwagen aber fuhr der Großknecht den kleinen steierischen Wagen leer hinüber, um darin die Platzjungfer, seine Braut, mit ihren Eltern abzuholen. Früh um sechs Uhr brachen sie auf. Lieschen war auch schon gerüstet und prangte im prachtvollen Schmuck der Platzjungfer, mit Blumen am Mieder und im Haar und einem carmoisinrothen Seidenbande in den dunklen Locken, genau dieselbe Farbe wie es ihr Platzbursche, der Hans, trug, was ihr gar so reizend stand.

Die Eltern wollten auch und zwar nur für heute mitfahren, denn drei Tage, so lange wie die Kirmeß dauerte, konnten sie nicht gut von Hause wegbleiben. Der alte Erlau zog es aber doch vor mit seiner Tochter den eigenen kleinen Wagen zu benutzen und sich nicht dem „Räderwerk“ des Dreiberger Bauern anzuvertrauen. Er hatte jetzt Federn an seinem Wagen.

Dem Zug, dem sich noch ein Dutzend junge Burschen von Wetzlau anschlossen, folgte auch Herr von Secklaub, auf einem prachtvollen Rappen, seinem eigenen Pferd. Er schien sich ebenfalls einmal die Dreiberger Kirmeß mit ansehen zu wollen, und eingeladen war ja Jeder, der kommen wollte.

Die Gäste, d. h. der Traubenwirth mit seiner Familie, stiegen natürlich bei Barthold’s ab, wo auch schon die anderen Platzburschen warteten, um Katharine abzuholen.

Und wie lieb Katharine heut aussah! Sie war in die Bauerntracht ihres Ortes gekleidet, und unwillkürlich flog Hansens Blick von ihr zu Lieschen, um zum ersten Mal die Beiden mit einander zu vergleichen. Lieschen war städtisch gekleidet, wie sie immer ging, heute aber wär’ es Hansen fast lieber gewesen, sie hätte auch die Bauerntracht getragen. Es hätte mehr zu dem Ganzen gepaßt, so aber sah sie aus, als ob sie nicht recht dazu gehörte und nur zum Besuch herausgekommen wäre, und das war sie doch nicht. Er hatte sie auch wirklich darum bitten wollen, es aber wieder vergessen; was kam denn überhaupt auf die Tracht an? Woraus das Kleid nur gewebt war, das sie trug? dachte er dabei; es sah prächtig aus, mit hineingewirkten Blumen und Zierrathen, und die Blumen – künstlich gemachte, ihr Strauß und Kopfputz, die waren wirklich herrlich und so natürlich, daß man hätte daran riechen mögen – Moosrosen und Nelken stellten sie vor, weil sie, zu dem Band passend, roth sein mußten. Wo hatte sie nur so rasch die kostbaren Blumen herbekommen? – Lieschen war unbestritten das schönste Mädchen im Dorfe, und während des ganzen Festes, und obgleich sie mit Allen auf das Herzlichste und Unbefangenste sprach, hatten die beiden anderen Platzburschen doch einen ordentlichen Respect vor ihr, was jedenfalls die städtische kostbare Kleidung bewirkte, und doch war sie ja auch nur eines Bauern Tochter.

Viel heimischer wurde es ihnen dagegen bei Katharine zu Muthe, die mit ihrem kleidsamen kurzen Rock, den bunten Zwickelstrümpfen, dem geputzten Mieder und ihrem einfachen Kornblumenkranz im Haar, der zu dem blauen Bande paßte, ganz wie die Kornblume gegen die Moosrose abstach, aber doch auch wieder in ihrer Art gar wunderhübsch und lieblich aussah.

Ob sie sich in Lieschens Nähe gedrückt fühlte? sie schien heute lange nicht so heiter und fröhlich als sonst, während in Lieschens Augen das Vergnügen über das zu erwartende Fest ordentlich funkelte und sie in einem fort lachte und Haus über sein ehrbar steifes Wesen als Platzbursche neckte.

Jetzt war auch des Schulmeisters Tochter abgeholt, ein einfaches, doch auch gar liebes Mädchen, das einen weißen Strauß in den dunklen Haaren und am Mieder, und ein weißes Band in den Locken trug, und der Zug ging nun zur Kirmeßstange vor der Kirche. Hier tanzten erst die drei „Platzpaare“ drei Tänze im Freien, welches Recht ihnen allein zustand, dann zog die ganze fröhliche Schaar auf den festlich geschmückten Tanzboden in das Wirthshaus.

(Schluß folgt.)




Im Hopfenparadiese.
Allen biertrinkenden Lesern und – Leserinnen der Gartenlaube gewidmet.

Seit drei Tagen war ich in Nürnberg, und überall, wohin ich kam, fand ich die Geister seiner Bewohner von einem einzigen und dem nämlichen Gedanken beherrscht. Draußen in der Welt tönten noch da und dort, bald lauter, bald leiser, die Nachklänge des großen Leipziger Turnfestes, spukten Fürstentag und Bundesreform, Abgeordnetencongreß und nahende Octoberfeier den Menschen in den Köpfen, hier in Nürnberg war jegliche Politik und politische Spaltung vorläufig in dem einträchtigen Feldgeschrei „Hopfen, Hopfen, Hopfen!“ auf- und untergegangen. Die ganze Stadt war eine einzige große Hopfenbörse geworden, seitdem in der Nachbarschaft die Hopfenernte begonnen hatte. Und so gar befremdlich konnte das nicht erscheinen, wenn man sich erinnert, welche glorreiche Rolle der Hopfen in der baierischen Culturgeschichte spielt, eine kaum minder große, als höchste und allerhöchste Kunst- und Poesiebestrebungen, Wal- und Ruhmes-, Feldherren- und Befreiungshallen und Neumünchner hochromantische Tafelrunden mit ihren lorbeerumkränzten Seneschallen. Aber unerträglich wurde der ewige Refrain nachgerade denn doch.

Mein Tischnachbar im alten Rothen Roß deducirte mir von dem in den Blüthendolden der Hopfenpflanzen enthaltenen Hopfenmehl, dem Lupulin, dessen flüchtiges Oel dem Biere seine durch kein Surrogat zu ersetzende kräftige Würze verleihe. In die Himmelsleiter, nach dem Bratwurstglöckle – wer kennt nicht das Bratwurstglöckle bei der Sebalduskirche mit seinen erzdelicaten fadendünnen Würsteln und dem feinen Sauerkraute? – selbst bis zu den alten Karthäusern, wo nun das Germanische Museum sich angesiedelt hat, und hinauf in’s Dürerhaus, ja in den lindenbeschatteten mittelalterlichen Hof der Burg, überallhin verfolgte mich das unerschöpfliche Hopfenlied. Es war nicht mehr zum Aushalten, und doch begann es mich zu interessiren und zu reizen.

Wie wäre es, frug ich mich, wenn auch du dir mit anschautest, was eine ganze volkreiche Stadt in Spannung und Aufregung und so erhebenden Gefühlseinklang versetzt? Wie wär’ es, wenn du ein Stück in’s Hopfenland hineindampftest, wo’s überdies eine Schweiz mit in den Kauf giebt, wenn auch nur eine Nürnberger, und noch dazu – fiel mir eben ein – einen alten Freund in Hersbruck, einen, der ehedem auch zum Handwerk gehört und nun sich zwischen den stattlichen Reihen seiner Hopfensäcke weicher gebettet hat? Gedacht und schnell gethan.

Am nächsten Morgen, bei guter Zeit, kutschirte mich eine dem mittelalterlichen Charakter der Dürer- und Pirkheimerstadt angemessene Droschke nach dem Nürnberger Ostbahnhofe. Station Lauf war bald erreicht. Die Pegnitz, in Nürnberg so faul und so braun, so schlammig und so langweilig, beginnt jetzt schon sich zu läutern, rascher und interessanter zu werden, und die Hänge links gleichen, wenn wir von Weitem an ihnen vorüberbrausen,

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 324. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_324.jpg&oldid=- (Version vom 21.8.2021)