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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

(9. I.)

Die Bleistiftlinie zeigt uns den Kopf in der Mitte und nach hinten zu etwas schmal.

Die gewölbte und ziemlich breite Stirne wage ich ohne Kenntniß des Gehörganges auch lang zu nennen, so daß die Hauptstärke dieses Kopfes in der Stirn liegt. Besonders stark ist Vergleichungsvermögen, schwächer Vorsicht; auch Thätigkeits- oder Zerstörungssinn ist nicht vorragend. Wir haben hier jedenfalls einen Mann des wissenschaftlichen Talentes vor uns.

(10. K.)

Die Bleistiftlinie schneidet bei Idealität etwas ab und setzt bei Erwerbssinn etwas zu. Die Linie weiter zu führen, verbietet die Unregelmäßigkeit des Seitenkopfes.

Das breite und wohl auch lange Vordergehirn zeigt uns Hrn. K. als einen Mann der Wissenschaft und der Phantasie; vergleichungsweise schwächer ist Vorsicht.

(11. L.)

Da die geringen Unterschiede dieses Umrisses gegen den Umriß 7. in der natürlichen Größe nicht Zolle, sondern nur einige Linien betragen und daher möglicherweise nicht durch den Unterschied in der Größe der Gehirntheile, sondern durch die Unregelmäßigkeiten in der Dicke der Hirnschale verursacht sein könnten, so schließen sie jedes phrenologische Urtheil über sie gänzlich aus.

Natürlich könnte auch bei der vollständigsten Gleichheit unserer Linie der beiden Kopf- und Gehirnumrisse der Charakter der beiden Männer durch andere uns nicht bekannte Züge der allerverschiedenste sein. Daher ist es auch bei allen vorliegenden Beurtheilungen ein beengendes Gefühl für mich, daß ich schlechthin nicht weiß, wie viel oder wie wenig Bedeutung das, was ich über einen Charakter sage, für ihn hat. Meine Urtheile können anderen Zügen gegenüber so unbedeutend sein, daß ich sie bei einer ganzen phrenologischen Beurtheilung vielleicht nicht der Erwähnung werth gehalten hätte und daß der Betreffende selbst, der vielleicht viel wichtigere und bestimmtere Seiten seines Charakters kennt, Mühe hat, sich die Frage zu beantworten, ob meine Urtheile begründet seien oder nicht.

(12. M.)

Die Bleistiftlinie schneidet hier viel von Vergleichungsvermögen ab und setzt viel bei Vorsicht zu.

Vergleichungsvermögen ist das größte Organ dieses Umrisses; Schlußvermögen und besonders Vorsicht ist schwächer. Herr M. ist viel mehr ein Mann von Talent und Geist, als ein Mann des politisch berechnenden Handelns, ja er hat bisweilen Ursache, sich selbst darüber zu wundern, wie er trotz großen Scharfsinns und richtiger Einsicht in die Dinge und Verhältnisse doch oft die Folgen seiner Schritte nicht berechnet, etwas zu rasch und unbedacht handelt.

(13. N.)

Die Bleistiftlinie setzt etwas bei Schlußvermögen und noch viel mehr bei Idealität zu, schneidet dann bei Erwerbssinn, Verheimlichungssinn und Thätigkeitssinn etwas ab, um es bei Anhänglichkeit zuzusetzen.

Wo ist hier der Gehörgang? Idealität ist sehr schwach, Erwerbssinn, Verheimlichungssinn, Thätigkeitssinn sind stark. Wir haben hier keinen Mann von idealer Geistesrichtung, sondern einen Mann praktischen Strebens und Wirkens vor uns. – Ist der Kopf so klein gegen die übrigen, wie er hier erscheint? Möglich wäre es, besonders wenn er sehr hoch ist. Herr M. könnte dann immer bei kräftigem Temperament durch Einsicht und Thätigkeit etwas Tüchtiges leisten. Allein jedenfalls würde er nicht imponiren, sich Andern im Ganzen nicht überlegen zeigen.

(14. O.)

Von der Unregelmäßigkeit der rechten und linken Seite abgesehen, ist unser Umriß ziemlich eiförmig; die Bleistiftlinie schneidet bei Thätigkeitssinn ein wenig ab und setzt es bei Vorsicht zu.

(15. P.)

Die Bleistiftlinie hat hier der Seitenstirn eine weit größere Fülle zu geben und von der großen Breite des Mittel- und Hinterkopfs viel abzuschneiden.

Vergleichungsvermögen stark, Idealität merklich schwächer, Erwerbssinn und Verheimlichungssinn ziemlich stark, Thätigkeitssinn sehr stark, Kampfsinn stark. Herr P. hat bei ziemlich großem vielleicht auch wissenschaftlichem Talent und praktischer Richtung eine sehr große Thätigkeitskraft. Wenn er ein Ziel in’s Auge gefaßt hat, so schaut er nicht viel rechts und links, zersplittert sich nicht (wenn nicht etwa Einheitssinn sehr schwach ist), sondern setzt alle und zwar eine sehr große und unermüdliche Kraft ein, um das Ziel zu erreichen. Herr P. muß viel zu thun haben, seine Kraft im Berufsleben ausbrauchen, sonst stellt sich innere Unruhe, Unzufriedenheit und Launenhaftigkeit, Anlage zum Jähzorn, zur Streitsucht ein. Ist dabei das Wohlwollen sehr schwach, so ist Hr. P. schroff, hart, grausam; ist es sehr stark, so ist mit dem Zug des Aufloderns und Bösewerdens die größte Herzensgüte verbunden.

(16. Q.)

Die Bleistiftlinie hat hier von der Breite des vordersten Viertheils des Kopfes viel wegzunehmen, um es der Breite des hintersten Dritttheils hinzuzusetzen.

Nach meinem phrenologischen Gefühl bin ich versucht, diesen Kopf liebenswürdig zu nennen. Unter allen unseren Köpfen ist diese Stirne die breiteste gegen die übrigen Kopftheile des Umrisses. Vergleichungsvermögen, Schlußvermögen, Idealität (vielleicht auch Sinn für Scherz) sind stark gegen Erwerbssinn, Verheimlichungssinn, Thätigkeitssinn, Kampfsinn. Herr Q. ist ein Mann, der Geist und Phantasie besitzt, der nicht habsüchtig oder geizig, nicht verschlossenen Charakters, nicht streitsüchtig ist, nicht zu Gewaltthat oder zu Zornausbrüchen hinneigt, bei welchem vielmehr in kleinen und großen Dingen die ruhige Einsicht die Herrschaft über die niederen Beweggründe unserer Handlungen behauptet. Andrerseits ist zu vermuthen, daß Herr Q. seine großen Geistesgaben nicht ganz so gut verwerthet, als mancher Andere es thun würde. Geist und Phantasie sind stärker, als Thatkraft; vielleicht auch zersplittert er sich etwas (es sei denn daß Einheitssinn sehr stark ist); auch der Muth, das Vorgehen gegen Hindernisse und Schwierigkeiten, dürfte wohl bisweilen etwas fehlen. Wir sehen, daß die beiden Köpfe 15 und 16 wie in der Gestalt des Umrisses, so im Charakter unter die größten Gegensätze in unsrer kleinen Versammlung gehören. Das günstige Vorurtheil, welches ich nach meinem wissenschaftlichen Gefühl für diesen Kopf gefaßt, ist natürlich bei unsrer Unkenntniß so vieler Züge vor dem wissenschaftlichen Verstand nicht gerechtfertigt.

(17. R.)

Der Umriß ist ziemlich harmonisch, etwa wie 5; doch ist die Stirne länger. Herr R. ist ein Mann des Wissens. Was ist die Unregelmäßigkeit an der Stirn?

(18. S.)

Was die Bleistiftlinie hier an dem hintersten Viertheil des Kopfes in der Breite wegnimmt, setzt sie an dem vordersten Dritttheil zu.

Das Vordergehirn ist noch länger und etwas schmäler, als bei dem vorigen Umriß. Sehr groß ist der Kampfsinn. (Der Kopf behält die volle Breite, die er über dem Gehörgang hat, bis zu etwa zwei Zoll wagrecht rückwärts.) Herr S. ist ein Mann des Muthes, des Kämpfens und Streitens, er ist sehr weit entfernt, in wichtigen und unwichtigen Dingen die Ueberzeugung seines Geistes, die Wünsche seines Herzens für Ruhe und Frieden zu verkaufen. Die Art des Muthes oder des Kämpfens hängt dagegen von Anderem ab.

(19. T.)

Aehnlich dem Umrisse 11 und 7. Herr T. ist kein Mann des Erwerbes.

(20. U.)

Noch einmal ein fast eiförmiger Kopf. Die Bleistiftlinie schneidet an der breitesten Stelle, bei Vorsicht, etwas ab, um es eine Stelle weiter zurück, bei Kampfsinn, anzusetzen. Herr U. ist vorsichtig, sorglich, friedliebend, kein Mann des Kämpfens. Wahrscheinlich ist hier auch Kinderliebe stark, was ich bereits auch bei einigen andern Köpfen hätte äußern können. Aber das Urtheil ist wegen der hier häufigen Ungleichheiten des Schädelknochens nach dem bloßen, zumal so kleinen Umrisse, allzu unsicher. Aehnliches gilt von Anhänglichkeit bei einigen Köpfen. Anhänglichkeit scheint mir z. B. stark bei 3. 11. 15, etwas schwach bei 13; bei 16 scheint mir Anhänglichkeit stark neben ziemlich schwachem Kampfsinn.

Trotz aller Schwierigkeiten der mir gewordenen Aufgabe kann ich, weil die Phrenologie in ihren Wahrheiten so durchaus klar und bestimmt ist, die folgenden Urtheile mit Sicherheit aussprechen.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 126. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_126.jpg&oldid=- (Version vom 21.8.2021)