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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

„Hüt, mien Jung, slöpst Du in mien Bett, Di daiht de Ruh’ grood nödig,“[1] sprach er.

Meine Einwendungen halfen nichts: Jörn bugsirte mich in sein großes Federbett. Das Licht verlöschte, und ich lag noch eine Weile wach und lauschend unter der schweren Decke. Noch hörte ich das Heulen des Sturmes, den klatschenden Regen und das Brausen der Wogen in ungeminderter Stärke. Endlich legte sich das Tosen. Nur noch dann und wann ein gellender Sturmpfiff, ein letzter Windstoß, leises Plätschern der Wellen und ein vereinzelter Regentropfen, der an das Fenster klopfte. Endlich Alles ruhig, Frieden ringsum. Ich schlief ein.

Als ich erwachte, stand der Jäger vor mir mit einem freundlichen „Gooden Morgen, na, häst good sloapen?“

Nachdem wir gefrühstückt hatten, packte er noch die besten Leckerbissen zusammen und nöthigte mir die Erquickung auf. Stina aber überreichte mir zum Abschied ein Fläschchen Schnaps und meinte treuherzig, ich solle doch jeden Abend kommen, denn in ihrer Einsamkeit wär’s ihnen Allen eine große Freude, wenn sie Abends mit mir zusammensitzen und plaudern könnten.

„Häst Recht, Stina,“ ergänzte der Vater, „he kummt ook nu jeden Dag to uns.“

Der Wind hatte sich gelegt, auch fiel kein Regen mehr vom Himmel. Drüben machten wir aus, daß er nun allabendlich mit seinem Kahne auf mich warten sollte. Und so kam ich jeden Morgen an den Damm, wenn er seine Aalkörbe aus dem Wasser nahm, und begleitete ihn auf seinem Rundgange und dann zum Frühstück nach Hause. Regelmäßig ruderte mich der Alte zurück.

Zwar lagen wir in Meggerdorf auf Vorposten, dennoch aber glich unser dortiges Leben völlig dem in einer Friedensgarnison. Sowohl die dänische als unsere Armee unternahmen nur selten noch eine Operation, und unbelästigt standen sich beide Theile scheinbar friedlich gegenüber. Dies machte es möglich, daß wir in dienstfreien Stunden uns allerlei Zerstreuung hingeben konnten. Ich benutzte meine Muße ohne Ausnahme zu meinem Besuche bei Jörn, mit dem ich auch schon einige Male auf die Jagd gegangen war. Einst hatte der gute Alte zufällig von mir erfahren, daß ich in der Regel Nachts zwischen zwölf und ein Uhr unsere Schanze visitiren mußte, in der wir einen Posten aufgestellt hatten. Und als ich meine nächste Runde machte, traf ich Jörn, der auf mich wartete und mir fröhlich seine Flasche zum Trunke darbot. Von da an fand er sich fast jede Nacht bei der Schanze ein. So lebte ich die angenehmsten Tage. Es war mir, als sei Jörn’s Haus meine eigene Heimath. Wie Eltern und Schwester betrachtete ich die lieben Leute, und ihnen galt ich als Sohn und Bruder.

Eines Abends hatte mich mein Vorgesetzter rufen lassen und mich beauftragt, auf den morgenden Tag mit Jörn Jäger eine längere gemeinsame Jagdpartie zu verabreden. „Sagen Sie dem Alten, er solle Kugeln mitnehmen, und besorgen Sie auch für sich den nöthigen Bedarf,“ schloß der Lieutenant.

Auf meine Erwiderung, daß wir ja nur Becassinen, Hühner und Hasen antreffen würden, mithin durchaus keine Kugeln brauchten, versetzte Jener: „Wir brauchen Kugeln, sage ich Ihnen, deshalb sorgen Sie dafür.“

Ich eilte zu Jörn Jäger, der mich schon längst erwartet hatte, und theilte ihm das Betreffende mit.

„Is doch een bannigen[2] Keerl,“ murmelte Jörn vor sich hin.

Ich frug, was es mit den Kugeln für eine Bewandtniß hätte, erhielt aber die kurze Antwort, daß ich das morgen nur zu früh erfahren würde. Nun ahnte ich wohl, daß es sich um eine Jagd in der unmittelbaren Nähe des Feindes handelte. Dies war auch in der That die Absicht des Lieutenants, der den Dänen gar zu gern dann und wann einen Kugelgruß hinüberschickte.

(Schluß folgt.)




Der Erfinder des Phosphor.

Die Pfaueninsel bei Potsdam ist ein Ort, der den Besuchern jener reizenden Gegend gewiß im Gedächtniß bleibt. Inmitten des schönen Wasserspiegels der Havel gelegen, die Aussicht auf herrlich bewaldete Ufer gewährend, bietet die kleine Insel in ihrem Innern selbst mannigfache Abwechselung dar. Schöne Pflanzungen, heitre und prächtige Gebäude zieren das Eiland, und namentlich hatte es in früheren Jahren besonderen Reiz, als noch eine Sammlung seltener wilder Thiere die Beschauer anlockte. Der ganzen auf der Insel herrschenden Einrichtung sieht man es an, daß wahrhaft königliche Munificenz hier gewaltet. Und in der That ist es auch so. Die Herrscher Preußens haben sich Potsdam und dessen Umgebung stets zum Lieblingssitze ausersehen; Friedrich der Große ließ schon die Insel durch Anlagen verschönern und gab ihr den Namen Pfaueninsel, früher hieß sie der Kaninchen-Werder, später Pfauen-Werder. Nach und nach wurden immer mehr Verschönerungen auf derselben angebracht und die heitere Anlage dadurch zu einem Schmuckkästchen der Ziergärtnerei erhoben. Viel frühere Jahrhunderte scheinen jedoch bereits regelmäßige Anpflanzungen auf der Insel gesehen zu haben, denn die noch heute sichtbar symmetrisch gepflanzten ungeheuren Eichen, ein Kreis derselben, welcher das Wasserbassin einschließt, geben Zeugniß, daß hier schon in grauer Vorzeit eine ordnende Hand thätig war. Die Pflanzzeit der Eichen dürfte ungefähr das Jahr 1440 gewesen sein, doch finden sich auch noch viele weit ältere Exemplare dieses herrlichen deutschen Baumes.

Nicht immer war die Insel der Gegenstand des vergnügungssüchtigen Publicums. Es gab eine Zeit, in der sie sehr verrufen war. Unbestimmte Sagen und Behauptungen hatten sich unter die Bewohner Potsdams geschlichen und dies Inselchen zum Sitze der fürchterlichsten, theilweise teuflischen Geschöpfe gemacht. Woher der schlimme Ruf entstanden, läßt sich schwer ermitteln; es scheint, daß eine geschichtliche Annahme, die Pfaueninsel sei in der Heidenzeit ein Opferplatz gewesen, jene Furcht vor dem Orte veranlaßte.

Besonders schrecklich und grauenvoll ward die Insel aber den Umwohnenden in der letzten Hälfte des 17. Jahrhunderts, unter der Regierung Friedrich Wilhelm’s des großen Kurfürsten. Das war die Zeit, wo sie noch der Kaninchenwerder hieß, wenigstens beim Volke, denn in den Documenten wird sie schon damals Pfauenwerder genannt, und diese Documente übergaben im Namen des Kurfürsten den einsamen Werder einem Manne, dessen Ruf, unheimliches Wesen, verpönte und geheimnißvolle Beschäftigung nur dazu geeignet waren, den Abscheu der Bewohner Potsdams und der Umgegend vor der gefürchteten Insel noch zu vermehren. Der finstere Gast, später Eigenthümer des Pfauenwerders, hieß Johannes Kunckel,[3] war aus den Diensten des Kurfürsten von Sachsen in brandenburgische Dienste getreten und betrieb mit fürstlicher Erlaubniß die teuflische (!!!) Goldmacherkunst.

Es war in den letzten Tagen des September 1686. Einem jener schönen Spätsommertage war ein kühler Abend gefolgt. Die Wellen der Havel gingen hoch und ließen ein Boot tanzen, welches von Potsdam her auf den Kaninchenwerder zusteuerte. In diesem Boote saßen zwei Männer, der Schiffer und dessen Passagier. Letzterer hatte sich in seinen Mantel gehüllt und regierte das Steuer, der Schiffer handhabte die Ruder. Die Unterhaltung der beiden Personen drehte sich um den verrufenen Kaninchenwerder, der das Ziel des Reisenden war.

„Aber,“ fuhr der Fremde in seinen Gesprächen fort, „wenn Ihr so schwere Anklage gegen den Adepten erhebt, so müßt Ihr doch einen Beweis gegen ihn vorbringen können!“

„Ja,“ entgegnete der Schiffer, „den haben wir freilich nicht, aber ist es denn nicht genug, daß er überhaupt auf der Insel wohnt? Welcher redliche Christ kann es da aushalten? Das ist ein Ort, wo sie vor diesem den Menschen das Herz ausgerissen haben und sie dem Götzen oder der gefräßigen Göttin Jetschi Baba

  1. Heut, mein Junge, schläfst Du in meinem Bett, Dir thut die Ruhe groß nötig.
  2. Tüchtiger
  3. Um bei späteren Gelegenheiten der Citate überhoben zu sein, bemerke ich sogleich hier, daß die sehr spärlichen Quellen über Kunckel sich in der Manuscripten-Sammlung der königl. Bibliothek zu Berlin befinden. Sie bestehen aus verschiedenen eigenhändigen Briefen Kunckel’s, Specificationen der ihm bewilligten Gelder für seine Arbeiten, aus einer von Danckelmann unterzeichneten Untersuchung über Verwendung der Gelder, aus einem Documente des Kurfürsten von Sachsen, die Anstellung Kunckel’s betreffend, aus dem Schenkungsbriefe des Pfauenwerders durch den großen Kurfürsten und andern, theils Rechtfertigungsschreiben, sämmtlich die Untersuchung betreffend, in welche Kunckel nach dem Tode seines Gönners verwickelt wurde und die ich später berühren werde. Die Papiere stammen aus dem von König geordneten Danckelmann’schen Archive.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 776. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_776.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)