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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)


Die Höhe des Quecksilbers in der Barometerröhre ist auf der ganzen Erde, an der Oberfläche des Meeres genommen, ziemlich gleich: ohngefähr 28 Zoll. Ihre Schwankungen sind unbedeutend und gleichen sich in fortwährendem Wechsel immer wieder aus. Da nun das Quecksilber in der Glasröhre höher steht als außerhalb derselben, dasselbe aber nur durch den Druck der äußern Luft stattfinden kann, so muß diese Luft, sie mag sich so hoch über uns aufbauen, als sie immer will, eben so viel wiegen, als eine Quecksilberschicht wiegen würde, welche um die ganze Erde in einer Dicke von 28 Zoll gelagert wäre. Ein Quadratzoll dieser Schicht aber wiegt, wie man sich leicht überzeugen kann, 15 Pfund; ein Quadratfuß 2160 Pfund, eine Quadratmeile (die Meile zu 25,000 Fuß) 13500 Millionen Centner. Die ganze Atmosphäre, welche auf der über 9 Millionen Quadratmeilen großen Erdoberfläche ruht, repräsentirt demnach ein Gewicht von weit über 120,000 Billionen Centner.

Obwohl in der Luft nur gegen 5 Zehntausendstel Kohlensäure enthalten sind, jenes Gas, das sich aus dem perlenden Champagner, aus vielen Mineralquellen (sogenannten Säuerlingen) entwickelt, das bei der Gährung, bei der Verbrennung sich bildet und von den Lungen der Menschen und Thiere beim Athmen ausgehaucht wird, obwohl dieser Kohlensäuregehalt nur ein Zwanzigstel Procent beträgt, so schwebt davon doch allein über dem Königreiche Sachsen fortwährend ein Gewicht von 1836 Millionen Centner.

Aus dieser Kohlensäure der Luft bilden die Pflanzen ihre Organe; Holzfaser, Stärke, Zucker u. s. w. entstehen daraus, und weitergehend erhält sich das Thierreich durch ihren Consum. Denn die Kohlensäure enthält, wie schon der Name andeutet, Kohlenstoff, jenen schwarzen Körper, den wir in unsern Oefen verbrennen. Aus der Esse entweicht die Kohle in unsichtbarer Gasform und mischt sich der Atmosphäre bei; in solchem stetigen Kreislaufe erhält sich das wechselnde Leben.

Der Kohlenstoff- (nicht Kohlensäure-) gehalt der ganzen Atmosphäre beträgt mehr als 17 Billionen Centner! Es würde, wenn wir ihn gesondert darstellen könnten, daraus sich eine Kugel von 11/3 Meile Durchmesser bilden lassen; wenn wir ihn aber über die ganze Erde vertheilen wollten, so würde die Schicht doch nur die Dicke eines Messerrückens erhalten. Dagegen ließe sich eine Straße von 30 Fuß Breite und 300 Millionen Meilen Länge einen Fuß hoch damit belegen; das ist eine Länge, welche 15 Mal die Entfernung der Sonne und beinahe 6000 Mal den Abstand des Mondes von der Erde in sich faßt.

Das ist die Menge des Kohlenstoffs, welche in der Kohlensäure der Luft enthalten ist.


Die Strickmaschine. Auf der vorigen Weltausstellung in London hat eine Wirkmaschine großes Aufsehen gemacht. Neuerdings aber wird eine Strickmaschine für Strümpfe und Wämser in Amerika gefertigt, welche von fast so großer Bedeutung zu werden verspricht, wie die Nähmaschine. Wirth und Sonntag in Frankfurt a. M. haben eine solche aus Amerika importirt und dieselbe vollständig bewährt gefunden. Es lassen sich mit dieser Maschine, welche mittelst einer Kurbel durch die Hand gedreht wird, 5000 Maschen in der Minute stricken. Man kann damit abnehmen und zugeben, dichter und loser stricken. Die Maschen werden natürlich ganz egal. Nur die Fersen müssen mit der Hand hineingestrickt werden. Ein Mißstand, den die Maschine anfangs hatte, ist nun aufgehoben. Wenn nämlich der Faden reißt und die die Kurbel drehende Person giebt nicht Acht und dreht weiter, ohne den Faden wieder anzudrehen, ehe er abgelaufen ist, so fällt der Strumpf aus den Hacken, und man braucht eine halbe Stunde, um die Maschen wieder einzuhängen. Diesem Uebelstand ist nun durch eine Vorkehrung vorgebeugt, vermöge welcher die Maschine sich feststellt, sobald der Faden abgerissen ist. Mit dieser Vorkehrung braucht die Maschine nur zugerichtet zu sein, um von einem Kinde von 6 Jahren bedient zu werden.

Diese Maschine, von der ein Modell in der Frankfurter Ausstellung angesehen werden kann, eignet sich besonders für große Familien und für arme Leute. Ein junges Paar, welches sich verheirathet, hat selbst in der geringsten Stellung, als Knecht und Magd, ein paar hundert Gulden sparen können. Kauft es daher neben dem nothwendigsten Hausrath nur eine Näh- und Strickmaschine, so kann die Familie sich allmählich zur Wohlhabenheit emporarbeiten. Sobald die Kinder heranwachsen, können sie die Strickmaschine drehen, welche die Mutter nur zu beaufsichtigen braucht. Es kann zu dem Verdienst des Mannes täglich von Frau und Kind auch noch nahe 1 Thaler verdient werden.



Reclame überall. Unter diesem Titel veröffentlicht die „Deutsche Klinik“ in der Nummer vom 27. Juni dieses Jahres eine Warnung vor einem neuen Toilettenmittel, das von einer Münchener Parfümerie- und Seifenfabrik (Korn) in den Handel gebracht wird: Fluid-Ozon.

Nach der Gebrauchsanweisung ist dasselbe ein ganz vorzügliches Mund- und Waschwasser, das bei richtigem Gebrauche alle übeln Gerüche des Mundes nimmt und „ohne alle nachtheiligen Nebenwirkungen dieselbe (die Haut) reinigt, schädliche Ausdünstungen und Absonderungen auf das Vollkommenste zerstört und als natürliches Desinfectionsmittel durch Sauerstoff in der eigenthümlichen Weise des Ozons wirkt.“

In der That ist aber das sogenannte Fluid-Ozon nichts weiter als eine wässerige Lösung von übermangansaurem Natron, mit Spuren von Glaubersalz und Kochsalz verunreinigt, und zwar enthält die Lösung auf 9 Theile Wasser 1 Theil des übermangansauren Salzes. In der Herstellung kostet die Kanne davon höchstens 2 Silbergroschen, wozu der Verkaufspreis in keinem Verhältniß steht.

Dies sowohl als der Umstand, daß diese Anwendung des wirksamen Salzes durchaus nichts Neues ist, indem dasselbe schon längst als ein wesentlicher Bestandtheil der geruchzerstörenden, desinficirenden Mittel benutzt wird, macht das Fluid-Ozon zu einem würdigen Bruder der Revalenta Arabica.

Dadurch, daß der berühmte Chemiker Freiherr Justus von Liebig in München bei dem Fabrikate gern Pathenstelle vertreten und ihm ein Creditiv mit auf den Weg gegeben hat des Inhalts: „daß dasselbe vollkommen unschädlich sei und wegen seiner großen Nützlichkeit und Wirksamkeit für die bezeichneten Zwecke alle Empfehlung verdiene,“ – dadurch wird die Sache in unsern Augen zwar delicater, aber nicht besser. Jeder Chemiker erkennt auf den ersten Blick, mit wem er es bei dem Fluid-Ozon zu thun hat, und es ist, gelind gesagt, die Gefälligkeit gegen einen marktschreierischen Fabrikanten etwas weit getrieben, wenn demselben durch eine gewichtige Empfehlung die Mittel an die Hand gegeben werden, sich ohne Mühe, lediglich auf Kosten des Volksvertrauens zu bereichern.

Unser Publicum ist glücklicherweise noch nicht gewöhnt, die Namen seiner großen Gelehrten im Vereine mit Geldmachern nennen zu hören; es trägt der Wissenschaft noch jene jungfräuliche Pietät entgegen, die Forscher und Laien in gleicher Weise ehrt. Aber diese Unbefangenheit zu erhalten und alles Unkraut im Keime zu ersticken, was sie überwuchern könnte, sehen wir für unsere Pflicht an, und darum ziehen wir hier einen Gegenstand an das Licht, der durch die medicinischen Fachjournale einem nur kleinen und am wenigsten betheiligten Leserkreise sonst bekannt werden dürfte.


Die deutsche Fahne vor dem Gabentempel zu La Chaux de Fonds.[1]

Hier ward ein alter Bund eneut,
Ein neuer Völkerbund geschlossen,
Der Eintracht Saat in’s Herz gestreut
Und frisch mit Wort und Wein begossen.

Gedeihe sie und trage Frucht
So reich, wie sie der Haß getragen,
Der uns Jahrhundert’ heimgesucht
Und uns am tiefsten selbst geschlagen.

So ist es. Deutsche, Schweizer und Italiener haben in gegenseitiger Anfeindung, Bekriegung, Verfolgung und Vernichtung so Großes geleistet, daß sie den blutigen Stoff zu vielem Feldherrnruhm geliefert; die Blätter ihrer Geschichte sind voll Großthaten des Nationalhasses und des Glaubenswahns, ja das dicke Buch ihrer Geschichte würde um Vieles dünner werden, wenn alle jene Blätter voll Jammer und Jubel des Kriegs plötzlich herausfielen, aber auch um so viel ärmer würde es an den bitteren Lehren, welche erst in der Gegenwart verstanden werden. Deutsche, Schweizer und Italiener haben ihr Rütli gefunden vor dem Gabentempel zu La Chaux de Fonds. Wohl sind es auch hier nur einzelne Männer gewesen, die das Wort für ihr Volk führten, aber aus den Herzen der Besten dieser Völker haben sie gesprochen, und je weiter der Geist wahrer Freiheitsliebe die Massen erleuchtet, um so mehr wird der Handdruck des Friedens und der Achtung, den hier die wenigen Männer sich gaben, von den Völkern anerkannt und zu voller Gültigkeit erhoben werden.

Das ist die hohe Bedeutung der Uebergabe der deutschen und italienischen Fahne als Ehrengaben für die schweizerischen Schützenvereine, jener beiden Fahnen, die von denen aller Nationen allein die Ehre genossen, den Gabentempel mit zu schmücken. Unser Bild erklärt sich selbst. Die Fahne, die Niemand mehr die schwarz-roth-goldne zu nennen braucht, die sich den Ehrennamen der deutschen errungen, begrüßt das Schweizervolk zuerst vom gesammten Ausland als das Zeichen der deutschen Nation. Wird es, wenn sie wieder von deutschen Schiffen weht, noch einmal den Staatslenkern Englands einfallen, sie für eine Piratenflagge zu erklären?

H.


  1. Hierzu das Bild auf S. 573. – Vergl. Gartenl. Nr. 33, S. 521.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 576. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_576.jpg&oldid=- (Version vom 7.10.2021)