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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)


So spielt denn seit einigen zwanzig Jahren der Guano (nach der Sprache der Quichua’s richtiger „Huanu“, d. i. Mist, Dünger) unter den Artikeln des überseeischen Handels eine bedeutende Rolle; ja das Neue und Eigenthümliche der Sache macht die Guanofrage zu einer der merkwürdigsten Erscheinungen der Neuzeit, und als solche hat sie die allgemeine Aufmerksamkeit zweier Welttheile auf sich gezogen. Greift sie doch in die verschiedensten Interessenkreise ein: Schiffer, große und kleine Kaufleute, Landwirthe und Gärtner, ja selbst Chemiker geht sie unmittelbar an, für die nächsten Betheiligten ist sie sogar eine Lebensfrage.

Der Gebrauch jenes starken Düngers, der meist aus den Excrementen von Seevögeln besteht und unter dem Namen Guano bekannt ist, ist übrigens thatsächlich viel älter, als allgemein angenommen wird. Die Araber[1] kannten schon im 12. Jahrhundert seine vorzüglichen Eigenschaften, und in Peru, dessen Küstengestade und Inseln weitaus die größten Guanolager aufzuweisen haben, kannte man seine Nutzanwendung lange vor der Ankunft der Europäer, jedenfalls vor dem Jahre 1200 nach Chr. Garcilasso de la Vega, der Vater der peruanischen Geschichte, theilt, indem er den Fleiß und die Sorgfalt lobt, womit die alten Peruaner den Boden bauten und den Ackerbau ehrten, Ausführliches über die Guanogewinnung mit. „Zur Zeit der Könige Incas war man so wachsam auf die Erhaltung der Vögel, welche den Guano bilden, daß es während ihrer Brütezeit bei Todesstrafe Jedermann verboten war, die Inseln zu besuchen, damit diese Thiere nicht erschreckt und von ihren Nestern verscheucht würden. Ebenso war es bei der nämlichen Strafe verboten, zu irgend einer Zeit auf den Inseln oder anderswo diese Vögel zu tödten.... Jede Insel war auf Befehl der Incas einer Provinz zugewiesen, und wenn jene groß war, zweien oder dreien zugleich. Es wurden daselbst Grenzsteine gesetzt, damit die Bewohner einer Provinz nicht in das Gebiet einer andern übergreifen konnten, und, noch genauer eintheilend, wiesen sie mit ähnlichen Grenzbezeichnungen jedem Dorfe, jedem Bürger seinen Theil an, indem sie ungefähr schätzten, wie viel ein jeder nöthig hatte. Bei Todesstrafe durfte kein Dorfbewohner von fremdem Gebiete wegnehmen, denn es war Diebstahl; sogar von seinem eigenen Platze durfte er nicht mehr Guano wegführen, als ihm nach dem Bedarf seiner Grundstücke zugeschätzt wurde; wer mehr nahm, wurde des Ungehorsams bestraft etc.“ Die spanischen Eroberer nahmen den Gebrauch der Urbewohner an, der sich bis heute erhalten hat.

Nach Europa und zwar nach Cadix kam der peruanische Guano zuerst zu Anfang des vorigen Jahrhunderts in kleinen Proben, wurde aber damals, wie es scheint, nicht weiter beachtet. Chemisch untersucht wurde er zum ersten Male aus Veranlassung Alexander von Humboldt’s, der im Jahr 1804 einige Proben davon mit nach Paris brachte. Trotzdem durch diese wie die folgenden Analysen die Bedeutung und Wichtigkeit des Guanodüngers glänzend dargethan wurde, ließ doch die Einfuhr bedeutender Quantitäten noch lange auf sich warten. Bis zum Jahre 1840 waren nur wenige zaghafte Versuche gemacht worden; da endlich traf in England eine größere Ladung von zwanzig Fässern ein, welche eine Anwendung in größerem Maßstabe gestatteten. Vor dem glänzenden Erfolg, von dem auch die folgenden Versuche begleitet waren, verstummten alle kleinlichen Vorurtheile, so daß in kurzer Zeit die Guanoeinfuhr bis zu einer ungeahnten Höhe stieg.[2] Nach Deutschland, wo man ihn indirect über Großbritannien bezog, kam der erste Guano im Jahr 1841.

Aus der erhöhten Nachfrage nach dem kostbaren Vogeldünger entstand bald eine neue, vielverheißende Quelle des Schwindels. Hier wurde der echte Stoff verfälscht (von 20 Sorten fand der Chemiker Stöckhardt 14 gemischt, die besten darunter höchstens drei Viertel, die schlechtesten kaum mehr als ein Drittel so viel werth als guter, reiner peruanischer Guano!), dort wollte man neue, unerschöpfliche Guanolager aufgefunden haben, die sich aber in der Regel qualitativ und quantitativ als werthlos erwiesen, wie an den übrigen Westküsten Amerika’s, in Süd-Afrika, auf „Amerikanisch-Polynesien“ etc.; denn der Dünger liegt an den meisten dieser Orte dünn, ist häufig mit vegetabilischen Stoffen durchsetzt und kommt überhaupt nur selten dem Peru-Guano an Güte gleich.

Beachtenswert, da er an Güte dem peruanischen Vogeldünger am nächsten, als Frühjahrsdünger sogar gleichkömmt, ist der norwegische Fischguano. Schon im Jahr 1855 vereinigten sich in Norwegen mehrere intelligente Männer zur Gründung einer Gesellschaft unter dem Namen „det norske Fiske-Guano-Selskab“ mit einem Kapital von 150,000 Thaler, um auf Anregung des Professors Stöckhardt in Tharandt und anderer anerkannter Chemiker die großen Massen bisher nicht benutzter Abfälle, die sich beim Fang und der Zubereitung des Stockfisches namentlich in den großartigen Fischereien der Lofoden-Inseln ergeben, nutzbar zu machen. Jährlich werden nun über 20 Mill. Fischköpfe, Rücken etc. durch Maschinen zu einem gleichförmigen Product zu billigen Preisen verarbeitet, das sich jährlich auf 50,000 Centner belaufen soll.

Ueber die Bildung des Vogelguano haben neuere Forschungen das klarste Licht verbreitet. Unser Landsmann Tschudi hat die Species der Seevögel, von denen die massenhaften Excrementenanhäufungen an den Küsten von Peru herrühren, näher bestimmt; es sind nach ihm: Eine neue von Tschudi bestimmte Mövenart, der schwarze Scheerenschnabel, Schlangenvogel, Pelikan, Scharbe und vorzüglich aber der bunte Toelpel.[3] Diese Vögel nisten auf unbewohnten Inseln und auf windgeschützten steilen Vorgebirgen und bringen die Ruhezeit am Tage und die Nacht dort zu. Ihre Menge ist so außerordentlich groß, daß sie wörtlich große Flächen dicht bedecken und, wenn sie in Schwärmen auffliegen, Züge bilden, die Wolken gleichen und für Augenblicke die Sonne verdunkeln. Ihre Nahrung besteht ausschließlich aus Seethieren, besonders Fischen, die sich in endlosen Schaaren in dem fast ewig ruhenden Meere aufhalten. Bei der ungeheueren Gefräßigkeit dieser Vögel, denen überdies die Nahrung nie mangelt, und der damit in Verhältniß stehenden Excrementenabsonderung begreift man leicht, daß im Verlauf von Jahrhunderten auf den im Ganzen wenig umfangreichen Inseln so bedeutende Mistniederlagen („Huaneras“) gebildet wurden, daß sie zu den neueren geologischen Formationen gezählt werden können.

Alexander v. Humboldt hielt die Zeit von drei Jahrhunderten für kaum hinreichend zur Bildung einer auch nur wenige Linien hohen Guanoschicht. Dieser Annahme widersprechen die Versuche Tschudi’s. Ein bunter Toelpel, den er längere Zeit in Gefangenschaft hielt, lieferte ihm bei ziemlich spärlicher Nahrung täglich 3½ bis 5 Unzen Excremente. Im Zustande der Freiheit kann dieses Gewicht, bei der Leichtigkeit, mit der sich diese Thiere ihre Nahrung verschaffen, fast auf das Doppelte geschätzt werden. Angenommen nun, daß zwei Drittel des Gewichts durch Verflüchtigung verloren gehen, da bei den Excrementen der Urin mit inbegriffen ist, so bleiben von einem Vogel täglich 11/6–15/6 Unzen feste Substanz zurück. Dieser Gewichtsverlust ist gewiß nicht zu gering angegeben, wenn wir bedenken, daß die Excremente durch die brennende Tropensonne in kürzester Zeit mit einer festen Kruste überzogen werden, wodurch die Verdunstung der wässerigen und salzigen Theile bedeutend beschränkt wird. Auf diese schnell inkrustirte Masse, die bei dem gänzlichen Mangel an Regen an der peruanischen Küste nicht mehr aufgeweicht wird, häufen sich in kurzen Zwischenräumen immer wieder neue und lassen also einen nicht unbeträchtlichen Rückstand. Wenden wir diese Beobachtungen auf einen bestimmten Fall an: Die Insel Iquique hat 220,000 Fuß im Geviert und war mit einem jetzt abgetragenen, dreißig Fuß mächtigen Guanolager bedeckt. Wenn eine halbe Million Vögel (was bei dem dichten Nebeneinanderhocken derselben noch gering gerechnet ist) die Insel bewohnt und im Jahre, als Minimum angenommen, nur eine vier Linien hohe Schicht gebildet hätten, so wären elf Jahrhunderte mehr als hinreichend gewesen, dieses Lager anzuhäufen; in drei Jahrhunderten also eine fast neun Fuß hohe Schicht. Diesen Schluß zu bekräftigen, erinnert Tschudi beiläufig an die Quantitäten von Dünger, welchen etwa fünfzig Tauben in einem Schlage, der einige Monate lang nicht ausgefegt worden ist, erzeugt haben, und an die Excrementenmassen, welche eine gut gefütterte Gans in wenigen Tagen hervorbringt.

Die obersten Schichten, also die jüngsten Ablagerungen des

  1. Noch heute ist der „Rebsch“, wie die Araber den Vogeldünger nennen, an den Küsten des rothen Meeres ein gesuchter und nicht selten lohnender Handelsartikel; er wird, wenn auch in spärlichen Qantitäten, auf vielen kleinen Inseln des arabischen und persischen Golfs gefunden.
  2. In Großbritannien betrug die Einfuhr von 1814 bis mit 1857 2,373,508 Tonnen (à 20 Ctr.). Von diesem Betrag kam der meiste aus Peru, nämlich 1,664,662 Tonnen.
  3. Tschudi bezeichnet die Angabe mehrerer Autoren, daß auch Flamingos und Kraniche zu den Guano liefernden Vögeln gehören, als irrig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 262. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_262.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)