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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)


Evi ihren Schlüsselbund. „Gieb du das Schmalz her, du weißt es so gut wie ich …“

Die Dirne nahm die Schlüssel und wollte sich wieder entfernen, Mentel aber hielt sie bei der Thüre an. „Da schaut’s her, Vater und Mutter,“ rief er, indem er die Staunende ihnen entgegen in die Mitte des Zimmers führte, „die ist’s!“

Eine selige Ahnung durchzuckte das Mädchen, aber sie war stark genug sie niederzukämpfen. Gelassen entzog sie Mentel die Hand und sah ernsthaft um sich. „Was soll das bedeuten?“ fragte sie. „Was soll ich sein?“

Die Bäurin war bei den Worten Mentel’s in einem Athemzug kirschroth und todtenblaß geworden; der Bauer war von dem Stuhle, den er behaglich wieder eingenommen hatte, blitzschnell aufgefahren, aber ebenso geschwind auf den Sitz zurückgekehrt. „Das ist ein dummer G’spaß!“ sagte er. „Den kannst bleiben lassen!“

„Es ist kein G’spaß, Vater,“ rief Mentel herzhaft entgegen, „es ist mein völliger Ernst. Warum sollt’s die Evi nit sein? Was hast dagegen, Vater?“

„Das ging’ mir just noch ab,“ lachte der Bauer roh, „und ein Loch im Kopf dazu! Ein Dienstbot’, ein hergelaufenes Weibsbild, das nichts ist und nichts hat, als wie sie geht und steht!“

Der Sohn mochte den Widerstand in einiger Weise erwartet haben, er hielt daher an sich und erwiderte in gemäßigtem Tone: „Hast ja selber erst vor zwei Minuten gesagt, daß ich auf’s Geld nit zu schauen brauch – dafür ist sie brav und ordentlich!“

„Wie kann ich, wie kannst du das wissen?“ zürnte der Alte. „Da gehört mehr dazu, als daß man eine Kuh ordentlich melken und einen Kaser zusammenhalten kann! Weil sie Dir die Augen eingefüllt hat, glaubst du, es müßt’ dem Vater auch so gehen? Und wenn Alles wär’ was nit ist – sie ist eine Fremde, sie ist keine Ramsauerin!“

Mentel sah ihn bedächtig und fragend an. „So was sollst nit sagen, Bühelbauer!“ sagte er. „Wenn’s der Gemeind’ Vorsteher hört, müßtest du dich schämen! Wie lang ist es denn her, daß Du’s selber mitgebracht hast vom Herrn Landrichter, daß es nit gut ist, wenn die Ramsauer alleweil untereinander heirathen?“

„Der gestreng’ Herr,“ entgegnete der Bauer, „kann sagen, was er will, das versteht er nit! Ich hab’ mit dem Herrn Vikari geredt – der hat’s in den alten Büchern gefunden, daß wir Ramsauer ein ganz besonderer Stamm sind und eine ganz extere Abkommenschaft haben! Wir haben Recht, wenn wir zusammenhalten und Niemand hereinlassen – und kurz und gut, ich leid’s einmal nicht! Eine fremde Magd wird niemals meine Schwieger, und dabei bleibt’s!"

Evi war während dieses Gesprächs unbeweglich gestanden, wenn auch ihre funkelnden Augen verriethen, wie sehr sie an demselben Antheil nahm. Mentel’s wiederholte Versuche, sich ihr zu nähern und ihre Hand wieder zu fassen, hatte sie kurz und entschieden zurückgewiesen und stand so kaltblütig entschlossen dem zürnenden Bauer gegenüber, als sie im Scharten-Kaser die ergrimmten Feinde auseinander gebracht hatte.

„Seid Ihr jetzt bald fertig miteinander?“ sagte sie in einem Tone, der sogar von einem spöttischen Anfluge nicht frei war. „Mir kommt’s beinahe vor, als wenn die Sach’ mich auch anging’ und als wenn ich auch was drein zu reden hätt’!“

„Du hast gar nichts zu reden, du … du Verführerin!“ brach der Bauer auf sie los. „Thät’s dir gefallen, dich mit deinem Wanderbündel hereinzusetzen in einen prächtigen Hof? Hast gemeint, du kriegst mich auch so leicht herum, wie meinen Lappen von Sohn?“

„Nimm’ dich in Acht, Bühelbauer,“ erwiderte Evi zitternd, „damit Du nit zu viel redst! Ich soll deine Schwieger werden? Der Mentel will mich heirathen? Eh’ du darüber einen solchen Lärm’ aufschlagst, wär’s doch das Gescheiteste, denk’ ich, daß Du mich fragst, ob es mir recht ist? ob die fremde Dirn’ Deine Schwieger werden mag?“

Der Alte erwiderte nur durch Achselzucken und höhnisches Lachen; Mentel aber trat rasch zu ihr, faßte kräftig ihre widerstrebende Hand und rief feurig: „Sei nit bös’, Evi, daß es noch nit geschehen ist, wie sich’s gehört – das Ganze ist so unverhofft daher ’kommen! Aber ich frag’ dich jetzt, Evi – ich sag’ dir’s vor meinen Eltern, daß ich dich gern hab’, wie man ein Madel nur gern haben kann – daß ich das Wildpretschießen verred’t hab’ um deinetwegen – daß ich kein Glück und keine Freud’ haben werd’ mein Leben lang, wenn du nit mein Weib und meine Bäurin wirst … Da ist meine Hand, Evi! denk’ an den Scharten-Kaser und an den Buschen dort auf meinem Hut – schlag’ ein und gieb mir auf meine ehrliche Frag’ eine fröhliche Antwort!“

(Fortsetzung folgt.)



Der Föhn.
Von Carl Vogt in Genf.

„Es wird wohl schlechtes Wetter geben, Herr, der Föhn drückt von oben,“ sagt zuweilen der Führer in den Alpen, indem er Morgens beim Ausmarsche nach allen vier Windrichtungen ausschaut und den Kopf schüttelt.

„Warum nicht gar, Hans! der Himmel ist ja ganz klar, und die paar Nebelstreifchen, die dort unten stehen, werden wohl bald von der Sonne verscheucht werden.“

„Sie mögen’s glauben oder nicht,“ antwortet der Mann, „es ist das so, der Föhn drückt, und es sieht ganz so aus, als ob er es gewinnen wolle und die Bise fliehen müsse. Sehen Sie nur das Gras an – es ist ganz trocken – kein Thautröpfchen daran! Vielleicht kann’s aber die Bise noch gewinnen – wir wollen aber beim Wetterloch sehen!“ In der That steckt der Mann, nachdem man eine Zeitlang bergan gestiegen ist, die Hand in eine unscheinbare Ritze am Felsen, die aber augenscheinlich in einen tiefen Spalt führt, der das Gebirge bis in’s Innere zerklüftet. „Fühlen Sie nur selbst her,“ sagt er dann, „es bläst ganz warm heraus! Er kommt! Halten wir uns nicht zu lange unterwegs auf! Es ist besser, unter Dach zu sein, wenn der Föhn da ist!“

Wie in allen Gebirgsgegenden, so ist auch in der Schweiz die Beobachtung der herrschenden Winde und der Wetterveränderungen, die daraus hervorgehen, die erste Bedingung für den Landmann wie für den Hirten, für den Jäger wie für den Fremdenführer. Das Volk hat seine eigenen Namen sowohl für die mehr allgemeinen, wie für die besonderen Localwinde, die aus der Beschaffenheit der Gegend selbst hervorgehen. Sehen wir uns ein wenig näher in diesem luftigen Gebiete um.

Die tief eingeschnittenen Gebirgsthäler, auf beiden Seiten von hohen Felsmauern eingefaßt, deren schmale Thalsohle oft ganz von dem Bache ausgefüllt ist, welcher sie durchströmt, gestatten meist nur zwei Windrichtungen, den Oberwind und den Unterwind. Jede Luftströmung, welche von der Seite her auf den oberen Thalkessel oder die untere Thalmündung trifft, fängt sich in dieser Oeffnung und lenkt nun der Thalrichtung entlang ab. In dem einen Thale kann der Unterwind, in dem andern der Oberwind der Regenwind sein, je nach der Rund Beschaffenheit des Thales – verschiedene allgemeine und locale Winde können, durch die Gestalt des Thales gezwungen, dieselbe Richtung annehmen, und es kann dann nur der mit der Oertlichkeit seit Jahren Vertraute aus anderen Anzeichen, als der bloßen Windrichtung, bestimmen, welchen Einfluß der jeweilige Wind auf das Wetter haben wird. Thäler dieser Art sind zum Studium der Winde also durchaus nicht geeignet.

Desto mehr aber die sogenannte ebene Schweiz und die breiteren Gebirgsthäler. Dort herrschen hauptsächlich nur zwei allgemeine Winde: der trockene, aber kalte Nordost, die Bise, der Byswind, und der meist warme, aber feuchte Südwest, der Luft, in der französischen Schweiz le vent geheißen, während dort la bise vollkommen eingebürgert ist. Der Nordost kommt über die trockenen und kalten Ebenen Rußlands und Sibiriens vom Eismeere her; er löst die Wolken auf, macht besonders das Barometer steigen und bringt im Winter trockene, scharfe Kälte bei heiterem Himmel, im Sommer wenigstens kühle Nächte und im Frühjahre leicht Fröste. Der kalte Luftstrom erzeugt leicht im Sommer im Gebirge durch locale Verdichtung Morgennebel, die Bysnebel,

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