Seite:Die Gartenlaube (1863) 185.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)


verkant, verläumdet, und ohne Hülfe gelassen; mancher verschlimmert sogar ihre Lage heimlich, um die seinige zu verbessern, weil er ihr durch diese Verschlimmerung endlich ihren Garten abzunöthigen hoft. Es ist ja nicht das erste mal, daß du den H. Bürgermeister zu einem wohlthätigen Entschlusse bewegst. Ich thäte die Bitte selber, aber ich bin nur ein gemeiner Satirenschreiber und bin dabei zu närrisch angezogen; Du hingegen bist ein Frauenzimmer, und dem kann er es aus Höflichkeit weniger abschlagen, weil das schöne Geschlecht auch eine schöne und weithin entscheidende Stimme hat. Erscheine ihm im Traume oder in Gestalt einer Predigt, oder du kanst auch heute Abend zu ihm gehen und meine ganze Figur annehmen, indem Du ein Paar Beinkleider anlegst, einen runden Hut aufsetzest und Dein Haar verschneidest, so daß wahrhaftig jeder denkt, ich wär’ es leibhaftig.“ Ich habe es Ihnen aber vorausgesagt, daß dieser fatale Brief Alles verrathen würde.

Und ich glaube gar, er offenbaret es Ihnen auch, wie sehr ich Sie schäze: ich wil es aber nicht hoffen: denn es wäre zu unschicklich, jemand in’s Gesicht mündlich oder schriftlich zu loben, es müßte denn ein Frauenzimmer sein.

Am schlimmsten ist dies, daß er Ihnen einmal einen Besuch von mir geradezu weissaget, welches ich vor Ihnen bisher mit so vieler Mühe geheim zu halten gestrebet; denn man mus keinem Menschen eine Widerwärtigkeit dadurch nur noch schwerer machen, daß man sie ihm voraus verkündigt. So aber sehen Sie nun den ganzen Besuch zu Ihrem größern Misvergnügen völlig voraus. Inzwischen können Sie kek mit die Schuld auf drei gewisse vortreffliche Frauenzimmer schieben, die ich gesprochen habe und daher öfter zu sprechen trachte. So ziehen sich einige Leute Wespen und Bienen in die Sommerstube, wenn sie draußen vor dem Fenster gerade blühende und wolriechende Bäume stehen haben.

Verzeihen Sie mir den vielleicht zu scherzhaften Ton; ich bin demungeachtet mit ausnehmender Hochachtung

 Euer Hochedelgeboren

 gehors. Diener

Hof, d. 9. April 86. J. P. Richter.“

Man kann leicht errathen, ob dieser Brief eine gute Aufnahme fand. Mein Vater, welcher eine heitere Gesellschaft ebenso sehr wie meine Mutter liebte, übertrug mir lächelnd die Beantwortung, und da dies den Grund zu unserm spätern innigeren Verkehr mit Richter legte, so sei ihr ebenfalls ein Plätzchen vergönnt:

 „Mein Herr!

Meine Eltern beauftragen mich, Ihnen eine Bitte zu eröffnen, die ich, da keine Heiligen für mich sprechen, ohne Vermittlung an Sie richten werde; die Bitte, uns den morgenden Sonntag die Ehre Ihres Besuchs in Begleitung von Christian Otto zu schenken. Da aber mein Vater durch irgend einen Zufall erfahren hat, daß Sie in freundschaftlichen Verhältnissen zur h. Anna stehen, so bittet er Sie ferner, es bei dieser trotz ihrer Glorie in der Vertheilung der irdischen Güter oft etwas ungerechten Dame dahin zu bringen, daß sie ihren Fehler in diesem Fall wieder gut macht, und beifolgendes derjenigen Person zustellt, der sie es schon früher zuzutheilen vergaß.

Es ist eine für mein Geschlecht nicht schmeichelhafte Allegorie, daß man sowohl Fortuna selbst, als auch die Vertheilerin ihrer Gaben weiblich darstellt, als ob Unbeständigkeit und sonderbare Laune uns hiezu privilegirten; ich kann mich nur damit trösten, daß man auch die Gerechtigkeit, Liebe, Hoffnung und viele andere Tugenden in weiblicher Gestalt zu malen pflegt. Daher hoffe ich auch, daß bei einem Geschlecht, welches Sie morgen in starker Anzahl bei uns vertreten finden werden, gute und böse Eigenschaften in gleichem Verhältniß vertheilt sind, und daß Sie als Dichter und galanter Mann sich nur der ersteren erinnern werden.

 Ich verharre

 Ihre ergebenste

Hof, den 10. April 86. Helene K.“

Es begann nun in unserem Hause eine schöne genußreiche Zeit, an welche ich noch jetzt, nachdem alle Stürme des Lebens über mein Haupt gegangen sind und so viele schöne Erinnerungen entlaubt haben, mit süßer Wehmuth zurückdenke! Christian Otto war und blieb unter seinen Brüdern der innigste Freund Richter’s. Ohne die glänzenden Eigenschaften von diesem zu besitzen, hatte er doch alle Vorzüge, welche ihn seiner Freundschaft würdig machten; er liebte den genialen Jüngling tief und innig, sein ruhiges, besonnenes Urtheil und seine gründlichen Kenntnisse, welche ihn am liebsten zu tiefen Forschungen führten, waren die Veranlassung zu einer schönen Wechselwirkung ihrer verschiedenen Gaben. Richter liebte jenen um so mehr, je häufiger er Gelegenheit hatte, ihm Schonung und Nachsicht zu beweisen; denn Chr. Otto hatte eine etwas krankhafte, hypochondrische Natur; es kamen Tage des Trübsinns und der übeln Laune über ihn, wo er mit schonender Rücksicht und Freundschaft behandelt werden mußte, und Niemand verstand dies besser als Richter. Immer wußte er ihn zu erheitern und zu zerstreuen, durch ein Buch, einen Spaziergang, zuweilen auch durch einen Besuch bei uns. Hier siegte bald die gute Laune der Jugend über alle hypochondrischen Gedanken; es fanden sich dann außer Richter und den drei Brüdern Otto noch einige andere interessante junge Männer ein, auf die ich später zurückkommen werde, und von den jungen Mädchen nenne ich nur Renate und Amöne, Beide bekannt aus des Dichters eigenem Munde, Beide witzig, klug, belebend und bestimmt, auf das Leben der Brüder Otto entscheidend einzuwirken. Wir Alle waren jung, lebensfroh, zufrieden; wir ergötzten uns an Gesellschaftsspielen, bei welchen das witzige Schreibespiel obenan stand, und die reinste Heiterkeit herrschte in unseren Abendcirkeln, die oft in den verschiedenen Häusern wechselten.

Richter arbeitete mit bewunderungswürdigem Fleiße. In der stillen Hollunderlaube des kleinen idyllischen Häuschens am Schloßplatz entstanden viele jener Blätter, welche sich bald zu dem reichen Kranz des Ruhms winden sollten, der das Haupt des gefeierten Dichters schmückte. Was wir theilweise schon jetzt davon kennen durften, gewährte uns jenen erhöhten Genuß, welchen das Interesse giebt, einem schaffenden Genius persönlich nahe zu stehen, ein Interesse, welches in einer eitlen, aber verzeihlichen Täuschung sich herausnimmt zu glauben, man könne das bewunderte Geheimniß in seiner verborgenen Werkstatt belauschen.


Ein Blick in die Geschichte der Pflanzen.
Von Berthold Sigismund.
1. Gemüsepflanzen.


Der schlichteste Küchengarten erscheint einem sinnigen Menschen, der das Bedeutungsvolle auch im Alltäglichen zu erkennen weiß, als eine gewichtige Stätte, aus welcher die Culturgeschichte schöne Denkzeichen ihrer edlen Siege aufgestellt hat.

„Jegliches Land wird Alles erzeugen,“ so prophezeit ein römischer Dichter vom goldenen Zeitalter. Wenn man unsere Kunstgärten mit ihren Palmenhäusern berücksichtigt, dürfte man fast sagen, diese Weissagung habe sich erfüllt; ein einfacher Gemüsegarten berechtigt wenigstens zu dem Ausspruche, daß unser Land alle fremden Pflanzen, an denen uns ernstlich gelegen sein kann, schon jetzt hervorbringe, denn wir besitzen in den Gärten eine Art Blumenlese von den besten, zur Ernährung und Labung dienenden Pflanzen aller Länder.

Betrachten nur zunächst die Pflanzen, welche die Heimath dem Gemüsegarten geliefert hat. Im grauen Alterthum war, wie es noch jetzt bei armen Gebirgsbewohnern der Fall ist, Feld und Wald das Gemüsebeet. Von der beträchtlichen Zahl der wilden Pflanzen, welche noch heute bei vielen tausend Deutschen die Stelle des Kohls, Salates und sonstiger Zukost vertreten, sind nur wenige unter die Auswahl der Gärten aufgenommen worden. Dazu gehört die Möhre (gelbe Rübe oder Carotte) und die Pastinake, zwei Doldenpflanzen unserer Wiesen; die Cichorie, die mit ihren azurblauen Vereinsblumen als „Wegwarte“ die Raine schmückt; das Salatrapünzchen unsrer Aecker; das Löffelkraut und die Stammpflanze des Kohls, deren Heimath die Nordseeküste ist. Wir wissen nicht, wer diese Wildlinge zuerst als anbauwürdig erkannt und gepflegt hat; die

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 185. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_185.jpg&oldid=- (Version vom 16.4.2017)