Seite:Die Gartenlaube (1863) 012.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)


in etwa 10 Wochen, ein Oberarmbruch in 5 Wochen, ein Unterschenkelbruch in 8 und ein Unterarmbruch in 5 Wochen, ein Rippenbruch in 3 und ein Schlüsselbeinbruch in 4 Wochen. Natürlich können aber eine Menge von Umständen und Verhältnissen, die entweder auf den Zustand des ganzen Körpers oder nur des verletzten Theiles Einfluß auszuüben im Stande sind, den Heilungsproceß verzögern. – Bei Kindern heilen Knochenbrüche viel schneller, fast in der Hälfte der oben angegebenen Zeit, als bei Erwachsenen.

Die ersten Hülfeleistungen bei Knochenbrüchen, welche gar nicht selten auf die spätere Heilung gut oder schlecht einwirken können, lassen den Verunglückten in der Regel Laien angedeihen, und deshalb sollen hier die dabei zu befolgenden Grundsätze kurz besprochen werden. – Was zuvörderst einen Knochenbruch vermuthen läßt, ist die große Schmerzhaftigkeit an der Bruchstelle, sodann die Unfähigkeit, das verletzte Glied zu gebrauchen, sowie die widernatürliche Beweglichkeit und Mißgestaltung (Verkürzung, Verdrehung) des gebrochenen Knochens. Für den Chirurg ist auch noch das eigenthümliche Knarren, die Crepitation, von Bedeutung, welche durch das Bewegen der Knochenbruchflächen an einander entsteht.

Was nun den Transport des Verletzten betrifft, so ist dieser vorzugsweise bei Brüchen von Rumpf- und Beinknochen von Wichtigkeit. Denn bei Brüchen am Arme weiß sich der gehende oder fahrende Kranke in der Regel selbst zu helfen, indem er das verletzte Glied durch den andern, gesunden Arm so lange unterstützt, fest und ruhig hält, bis ein Verband angelegt werden kann. Erleichtern läßt sich diese Untersuchung durch eine Schlinge (Mitella), welche um das verletzte Glied und den Hals geschlungen, und aus einem Handtuche oder großen dreizipfligen Halstuch gebildet wird, dessen Enden am Nacken zusammengebunden werden. Man achte hierbei darauf, daß diese Schlinge vorn an der Brust nicht zu hoch hinauf oder zu tief herab reiche, sondern dem Arm eine recht bequeme Lage gestatte.

Bei Beinbrüchen kommt der Verletzte bisweilen auch in den Fall, sich ohne Beihülfe selbstständig eine kurze Strecke weit fortbewegen zu müssen. Dann kann er dies nur dadurch bewerkstelligen, daß er auf dem Boden sitzend (gewöhnlich rückwärts) fortrutscht, indem er sich theils mit den Armen, theils mit dem unverletzten Beine behutsam fortschiebt und das gebrochene Glied nachzieht. Wäre noch Jemand zur Hand, dann kann dieser das gebrochene Glied durch seine Hände oder ein Bretchen, ein Tuch etc. unterstützen, muß dabei aber den Bewegungen des Verletzten mit großer Vorsicht folgen. – Auch das Aufheben des Verletzten von der Stelle, wo er liegt, auf ein Transportmittel, wie auf eine Trage, Bahre, einen Wagen, einen Schlitten, ein Bret, eine Matratze, einen Strohsack u. s. f., verlangt außerordentliche Behutsamkeit, damit nicht bloß großer Schmerz, sondern auch eine gefährliche Verschiebung des zerbrochenen Knochens vermieden werde. Meist sind mindestens vier Personen zum sichern Aufheben nöthig, von denen zwei das gebrochene Bein in seiner ruhigen Lage sichern, während die andern Beiden den Rumpf des halbsitzenden und seine Arme um den Nacken der Tragenden legenden Kranken in der Weise erheben, daß sie ihre Hände unter den Rücken und das Gefäß desselben schieben. Natürlich müssen beim Aufheben und Forttragen des Kranken alle dabei behülflichen Personen ganz gleichmäßig (am besten auf Commando) und so behutsam als möglich handeln. Ebenso muß das Niederlegen des Verunglückten sehr vorsichtig geschehen. Von großem Vortheil ist es, wenn beim Aufheben und Fortschaffen des Kranken das gebrochene Bein auf ein Bret von der Länge des ganzen Beines gelegt und locker befestigt wird. Im Nothfalle, wo blos eine Person zum Fortschaffen des Kranken vorhanden ist, läßt sich dies nur dadurch ermöglichen, daß letzterer von ersterer mit herabhängenden Beinen auf dem Rücken fortgetragen wird. Stehen zwei Personen zur Verfügung, dann kann der sitzende Kranke seine Arme um die Nacken der Träger legen, und diese fassen sich einander unter dem Gesäße und Oberschenkeln desselben fest bei den Händen. Ein Stuhl, auf welchen der Kranke gesetzt werden kann, erleichtert den Transport, nur muß auch dabei stets die größte Aufmerksamkeit auf das gebrochene Glied verwendet werden, damit dieses keine Erschütterungen, Schwankungen und Verschiebungen erleide.

Das Entkleiden des Verletzten, welches mit der größten Vorsicht und erst dann geschehen muß, wenn derselbe an den Ort seines Bleibens gebracht und auf eine feste Unterlage gelegt worden ist, fange an den unverletzten Theilen an und bestehe am verletzten Gliede im Aufschneiden oder Auftrennen der Nähte der Kleidungsstücke, doch geschehe dies stets mit der größten Behutsamkeit, damit ja keine Erschütterung und Verschiebung des Bruches stattfinde. Durch geronnenes Blut angetrocknete Kleider sind durch Wasser anzufeuchten und dann nach ihrer Aufweichung sanft abzulösen. Am besten ist es, wenn das Entkleiden den Aerzten überlassen wird.

Die vorläufige Lagerung des Verletzten bis zu der Zeit, wo der Arzt ein kunstgerechtes Lager bereitet, ist bei Beinbrüchen so einzurichten, daß der Verletzte so wenig als möglich Schmerz empfindet und das gebrochene Glied eine bequeme und sichere Lage einnehmen kann, welche eine Verschiebung des gebrochenen Knochens nicht aufkommen läßt. Am brauchbarsten dazu sind gut gearbeitete Matratzen oder gleichmäßig gestopfte Strohsäcke.

Ist bei einem Knochenbruche ärztliche Hülfe in der Nähe und kann der Verband bald angelegt werden, dann wird jede weitere örtliche Behandlung überflüssig. Nur wenn diese Hülfe lange auf sich warten läßt, sind zur Milderung der eintretenden Entzündung kalte Umschläge (von Eis, Schnee, Wasser) von Vortheil. – Die allhelfende Homöopathie verordnet innerlich, wenn der Verletzte sehr angegriffen und ohnmächtig ist, Aconit, und nach einigen Stunden Arnica; nur bei sehr heftigen, ganz unerträglichen Schmerzen und Krämpfen davon, giebt sie erst Chamille und dann Hypericum. Nach der Einrichtung des Knochens bewirkt Symphytum, daß das verletzte Glied oft in weit kürzerer Zeit als gewöhnlich schon wieder gebraucht werden kann. Sollte es aber nicht anheilen wollen und der Knochen bleibt lose, so tröpfle man, nach dem amerikanischen Homöopathen Hering, etwas verdünnte Phosphorsäure in Kalkwasser, trockne den Niederschlag und gebe dem Kranken alle Tage eine kleine Messerspitze voll. (Ist das auch eine homöopathische Gabe?)

Bock.



Zum Nordcap.[1]
Von Carl Vogt in Genf.


Unser Schooner lag auf geschützter Ankerstelle in der Nähe von Gjesvär, der letzten Handelsstelle auf der westlichen Seite des Nordcaps. Wir hatten den dortigen Kaufherrn, der gerade in Hammerfest zur Besorgung einiger Geschäfte anwesend war, während der Reise nach Gjesvär kennen gelernt, und er hatte sich bereitwillig anerboten, uns gleich am Morgen nach unserer Ankunft ein großes Segelboot mit vier Ruderern zu stellen, worunter ein Kendmand, d. h. ein mit der Gegend bekannter Mann, der uns nach dem Nordcap über Land führen könne. Wir hätten, hieß es, nicht ganz eine halbe Meile zu rudern und eine halbe Meile über das Fjeld nach dem Nordcap zu gehen. Unsere Karten schienen zwar hinsichtlich der Distancen nicht gut mit diesen Angaben zu stimmen; allein wir wollten den wahrscheinlichen Irrthum lieber auf Seiten der Geographie, als der Eingeborenen suchen. Doch wurde beschlossen,


  1. Bruchstück aus dem demnächst erscheinenden Reisewerke, betitelt: „Nordfahrt längst der Küste Norwegens bis zum Nordcap, den Inseln Jan Meyen und Island, auf dem Schooner Joachim Hinrich, von Dr. Georg Berna in Begleitung voll C. Vogt, A. Greßly, H. Hasselhorst und A. Herzen, erzählt von Carl Vogt. Mit vielen Illustrationen in Holzschnitt und Farbendruck nach Zeichnungen von Hasselhorst.“ Ein starker Band von etwa 30 Bogen groß Octav. – Dr. Berna aus Frankfurt hatte die übrigen Theilnehmer der Reise eingeladen, ihn auf dieser Sommerfahrt um das Nordmeer, die beinahe fünf volle Monate in Anspruch nahm, zu begleiten. Ein eigenes Schiff, mit vortrefflichen Seeleuten bemannt, war in Hamburg auf das Vollständigste zum Zwecke einer wissenschaftlichen Vergnügnugsreise ausgerüstet worden. Die Kosten der ganzen Reise, sowie der Gesammtausrüstung wurden von Dr. Berna allein getragen, und wir können diese That eines begüterten Privatmannes um so mehr als ein der Nachahmung würdiges Beispiel aufstellen, als auf diesem Wege einigen Naturforschern Gelegenheit gegeben wurde, Gegenden zu bereisen, die ihnen sonst wohl in keiner Weise zugänglich geworden waren.
    D. Red.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 12. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_012.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)