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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

auf daß sein edler Name auf edlem Marmor eingegraben werde wo das Auge hinblicken kann auf die Stätte, da er für immer versunken. An der Spitze dieses Comités standen Jacoby von Königsberg, der berühmte Verfasser der „Vier Fragen“, welche dazu beitrugen, den März des Jahres 1848 zu dem März zu machen, der er geworden, Nauwerk, Köchly und Temme in Zürich und Andere, die mit Freuden zur Hand sind, wo es gilt ein Zeugniß abzulegen für die Ehre des deutschen Namens. Mit der Ausführung des Denkmals wurde ein Architekt betraut, der, kaum vom Polytechnicum zu Zürich abgegangen, dennoch durch seine ausgezeichneten Studien, die vortreffliche Zeichnung des Entwurfs und vor Allem durch die liebevolle Hingebung in dieser Sache hinreichende Bürgschaft dafür bot, daß sein Erstlingswerk gelingen werde. Es ist Luigi Chialiva, ein Bürger Italiens, doch geboren und aufgezogen in der Schweiz, da sein Vater der Verfolgungssucht und Kerkerhaft seiner großen österreichischen und kleinen einheimischen Tyrannen vor langen Jahren mit Mühe und Noth entronnen. Anfang September d. J. ward der Grundstein zum Denkmal gelegt auf einem Stücke Gemeindeboden von 40 Quadratruthen Umfang, das die Bewohner Murgs in dankbarer Erinnerung dem Bruder des Todten zu diesem Zweck geschenkt, der seinerseits diesen Raum dem Comité überlassen hatte. Als sich der Bau seiner Vollendung nahete, ward seine Einweihung auf Sonntag den 5. October festgesetzt, und freudig berief das Comité die Freunde und Gesinnungsgenossen Heinrich Simon’s aus diesen Tag nach Murg, dem großen Patrioten die letzte Ehre zu erweisen.

Ich traf am 4. October gegen Abend ein. Der Neffe Simon’s, der seinen Namen trägt, an Wuchs und Erscheinung das lebendige Ebenbild seines Onkels, führte mich in das Wirthshaus zum „Kreuz“, wo der Gemeindepräsident Gmür wirthet, und sich die Verwandten Simon’s, seine Schwester, Frau Gärtner, mit Sohn und Tochter, Dr. Borchardt aus Manchester mit seiner Tochter, Chialiva, mein alter Pensionsgefährte, Dr. Hilty aus Chur, der Anwalt des Denkmals, und vor Allem auch Johann Jacoby aus Königsberg bereits eingefunden hatten. „Ihr Vater würde auch gekommen sein, wenn er noch lebte,“ sagte mir Jacoby, herzlich die Hand drückend. Dann schritten wir unter der einzigen Ehrenpforte hindurch, die, mit einfachen Tannenreisern, Laubkränzen und schwarz-roth-goldenen Schleifen bekleidet, über der Mitte die Worte verkündete, die Verfasser an die Spitze dieser Zeilen gestellt. Der Pfad zum Denkmal führte steil bergan. Jetzt trat uns dies selbst vor Augen, malerisch an eine vom Wallensee bespülte Bergwand gelehnt (Vergl. die Abbildung). In rein griechischem Styl erhebt sich in der Mitte ein schlanker Tempelporticus, auf dessen Giebelfelde in goldenen Lettern Simon’s Wahlspruch eingegraben steht: Virtuti. Zwei schlanke ionische Sänken fassen die schwarze Marmortafel ein, welche als Blende den Porticus schließt. Sie zeigt an ihrem obern Ende, in der Hinterwand eingelassen, das in einem Medaillon von weißem Marmor gemeißelte Hautrelief des Verewigten aus der Hand des Bildhauers Kaiser in Zürich. Darunter stehen auf der Tafel die Worte: „Den Manen Heinrich Simon’s gewidmet von seinen Freunden und Gesinnungsgenossen.“ Zu beiden Seiten des Tempels zieht sich eine offene und mit steinernen Ruhebänken versehene Veranda hin, mit zwei in die Hinterwand eingefügten oblongen Votivtafeln, ebenfalls aus schwarzem Marmor, deren Inschriften von Johann Jacoby herrühren. Die Tafel des rechten Flügels enthält die Worte: „Er kämpfte für das Recht des deutschen Volkes und starb im Exil“; die auf der andern Seite: „Der Leib ruht in der Tiefe des Wallensees; sein Andenken aber lebt im Herzen des Volkes.“ Schmucklose Eichenkränze und Tannenreis zierten Relief und Porticus, und lebendiges Grün war der Veranda entlang gezogen. So war Alles bereit für die kommenden Morgenstunden, wo diese Stätte der Mit- und Nachwelt, der Schweiz und Deutschland übergeben werden sollte.

Seit einer Woche war der Festsonntag der erste, der statt eines regnerisch dunstigen Herbsthimmels die Sonne wieder wolkenlos heraufführte. Im bläulichen Duft thürmten sich die sieben Firnen der Churfürsten zum Himmel, leichte Morgennebel sandte opfernd der tiefblaue See empor, als ob er niemals noch mit wildem Tosen den Frieden seiner Umgebung gestört, und darein klangen die Frühglocken der Gemeine. Da braust der Zug heran. Ihm entstiegen die wackern Handwerkerbildungsvereine von Zürich, Glarus und Schwanden mit drei deutschen Fahnen; die deutsche Polytechnikerverbindung Teutonia von Zürich mit einer dritten großen schwarz-roth-goldenen Fahne aus schwerem Sammt; die Harmonie aus Zürich, 40 Mann stark, der berühmteste Männergesangverein der Schweiz; und mit ihnen eine Reihe von Männern, deren Namen für sich selbst sprechen. Da war fernher aus Paris Bamberger erschienen, und Ludwig Simon, dem die Thränen in die Augen stürzten, als er zum ersten Male seit acht Jahren wieder die geliebten Farben vor sich wehen sah. Da kam Moritz Hartmann aus Genf mit seinem Schwiegervater Rödiger, die Züricher Nauwerk, die beiden Wislicenus, Berlepsch, Temme, dann Marschall und Peter von Constanz. Born und Meyer, der Flüchtlingsvater vom Jura, und endlich die Schweizer Gottfried Keller und Prof. Vögeli von Zürich und Oberst und Nationalrath Bernold aus St. Gallen.

Um 11 Uhr Morgens sammelte sich der Festzug. Voran schritten die Teutonen und Handwerker mit ihren Fahnen, die an und über dem Denkmal befestigt wurden. Dann folgte die Harmonie. Ihr reihten sich die Verwandten des Gefeierten an, und die Festredner Jacoby, Präsident Gmür und Moritz Hartmann eröffneten die Reihe der Freunde und Gesinnungsgenossen, die den Zug schlossen. Jetzt hatte sich nach den ersten erhebenden Gesängen eine andächtige Stille um die Versammlung am Denkmal gelagert, und in scheuer Zurückhaltung standen die Einwohner von Murg ringsum auf höher liegenden Punkten des Gebirges, als Johann Jacoby die Stufen des Denkmals hinanstieg und mit seiner männlichen, weithin vernehmbaren Stimme also begann:[1]

„Freunde und Genossen, deutsche Brüder und Männer des Schweizerlandes! Vollendet ist das Denkmal, zu dessen Weihefeier wir hier versammelt sind. Dem Andenken Heinrich Simon’s gewidmet, soll es zugleich Zeugniß geben kommenden Geschlechtern von den Kämpfen unserer Zeit, deren Früchte sie einst genießen werden. Welchen Antheil Heinrich Simon an diesen Kämpfen genommen, wie er im Vordertreffen stets als Mann des Volkes, als unerschütterlicher Hort des Rechts und der Freiheit sich bewährt hat, wird ein beredterer Mund als der meine Ihnen heute zu schildern versuchen. Meinem Herzen stand der Dahingeschiedene zu nahe, als daß ich ein Recht dazu hätte, sein Lobredner zu sein. Wohl aber liegt mir eine andere Pflicht ob, und ich erfülle sie mit Wehmuth zugleich und mit Freude. An Euch, Ihr Männer der Schweiz, richtet sich mein Wort. Im Namen des geliebten, nun für immer verstummten Freundes sage ich Dank, aus Herzensgründe Dank für die ehrende Anerkennung, für all das Gute und Liebe, was Ihr dem Freunde im Leben und nach seinem Tode erwiesen …“ Die Ehrfurcht vor unserer deutschen Preßfreiheit gestattet uns nicht, den vollen Inhalt von Jacoby’s Rede mitzutheilen. – Er fuhr also fort:

„Hier bot eine großartige Natur seinem für alles Edle und Schöne so empfänglichen Gemüthe reiche Befriedigung. Hier athmete in vollen Zügen seine Brust die reine Luft der Freiheit, die er so lange schmerzlich vermißt, so lange vergeblich erstrebt hatte. Doch nicht etwa das persönliche Wohlbehagen war es, was die neue Heimath ihm werth und theuer machte. In dem Lande der Telle und Winkelriede, da erkannte, da erlebte er bereits in voranschauendem Geiste die Zukunft, die staatliche Zukunft, den heranbrechenden Freiheitstag seines eigenen Vaterlandes. Uns so auch endete er. Angesichts dieser hohen, mächtigen Alpenriesen, die kühn und frei ihr Haupt in den Himmel erheben, starb er, voll Jugendmuth, voll Jugendhoffnung, und wie er selbst wenige Tage vor seinem Tode aussprach: „den Sieg im Herzen.“ Das Herz aber täuscht den Menschen nimmer … (Auch hier eine Lücke der Ehrfurcht.) Nachdem dann der Redner die Schenkungsurkunde, die in würdiger feierlicher Sprache die Entstehung des Denkmals enthält, verlesen, fuhr er also fort:

„Ihnen, verehrter Herr Präsident, als dem Vertreter der Gemeinde Murg, übergebe ich jetzt diese Urkunde. Möge unter dem Schutze Ihrer Gemeinde, unter Ihrer Fürsorge das Denkmal fort und fort von Geschlecht zu Geschlecht erhalten werden; möge es den spätesten Nachkommen das Andenken Heinrich Simon’s, des begeisterten Freiheitskämpfers, erwecken! Der Himmel gebe Murg, der ganzen Schweiz und dem ganzen theuern deutschen Vaterlande seinen Segen für und für!“

Der Eindruck dieser wenigen Worte war zu tief und gewaltig, als daß sich äußere Zeichen des Beifalls aus der Brust des

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verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 732. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_732.jpg&oldid=- (Version vom 31.3.2021)
  1. Die Reden sind wörtlich stenographirt.