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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

zwar so rasch auf einander, daß man fast immer, und zwar nach den verschiedensten Richtungen, eine schwere Last in der Luft schweben sah, mit welcher oft Arbeiter, die nicht rasch genug von ihrer Verfestigungsarbeit zurückgetreten waren, unfreiwillig die Fahrt durch die Luft mitmachten.

Was es heißt, dieses Riesenwerk überhaupt und in so kurzer Zeit bewältigt zu haben, wird sich, abgesehen von der für sich selbst sprechenden Größe des Werkes, auch am besten aus dem ungeheueren Material ermessen lassen, welches dieser Bau in Anspruch nahm. Als erforderlich sind veranschlagt gewesen 10,000,000 Ziegel, 1,700 Loads oder Ladungen Holz, gegen 4000 Tons oder 80,000 Centner gegossenes und 1200 Tons oder 24,000 Centner geschmiedetes Eisen, also zusammen 104.000 Ctr. Eisen, von welchem allein je 600 Tons oder 12,000 Ctr. auf jeden Dom kommen; und an Glas so viel, daß damit 30 engl. Meilen Wegs belegt werden können. Jedenfalls aber ist dieser Anschlag noch nahe um ein Viertheil überstiegen worden, da der Kostenanschlag von 300,000 Pfd. St. oder 2,000,000 Thlr. auf 400.000 Pfd. St. oder ungefähr 2,700,000 Thlr. gestiegen ist, sich also um ein Viertheil erhöht hat.

Zum Schlusse sei es noch vergönnt, als besonders interessant der Grundlage der Dome zu gedenken, die in acht eisernen, 108 Fuß hohen Säulen besteht. Jeder Dom bildet in seinem unteren Theile ein Achteck; in jeder dieser acht Ecken erhebt sich vom Baugrunde aus eine eiserne, von außen ganz glatte Säule von 2 Fuß Durchmesser und in ihrem Inneren hohl bis zu 108 Fuß Höhe, welche durch fünf Stücken von verschiedener Länge gebildet wird, die aufeinander gesetzt und an ihren verschiedenen Verbindungspunkten im Innern verschraubt oder verfestigt sind. Auf diesen acht Säulen ruht die ungeheuere, durch ihr starkes Eisengerippe schwere Kuppel. Da die Höhlung der Säulen nur 22 Zoll beträgt und an ihren Verbindungspunkten durch ihre nach Innen gekehrten Verschraubungsvorrichtungen bis zu 14 Zoll verengert wird, so ist, um deren Verfestigung zu bewerkstelligen, nichts Anderes übrig geblieben, als einen schmächtigen Knaben oder Lehrling mit einer Laterne versehen in die Röhren bis zu ihren Vereinigungspunkten einzulassen, um dort die Verschraubungs- oder Verfestigungsarbelten vorzunehmen. Da von der sorgfältigen und richtigen Ausführung dieser Arbeit die Sicherheit des ganzen Domes abhängt, so wird dieser kleine Held hoffentlich seine Sache gut gemacht haben. In dem westlichen Dome fanden die Eröffnungsfeierlichkeiten dieser Weltausstellung statt.[1]




Auch ein Hausmittel, das man aber nicht im Hause haben kann.
2. Klima-Curen.

Das Reisen, sogar nach den entfernteren Breiten und Erdtheilen, ist heutzutage durch den Allerweltsgleichmacher, den Dampf, mittels Eisenbahnen und Dampfschifflinien so bequem, billig und rasch geworden, daß jetzt eine Menge Menschen daran denken können, eine Curmethode zu gebrauchen, welche ehedem nur den Allerreichsten zugänglich zu sein pflegte. Diese Curmethode, dieses souveränste aller „Hausmittel“ ist: der gänzliche Wechsel des Klima’s für ein halbes Jahr oder länger. – Man kann aber zu Gesundheitszwecken aus nördlichen Breiten nach dem Süden reisen (der bei uns gewöhnlichste Fall), oder aus heißen Ländern in kühlere, beziehendlich gebirgige Lagen übersiedeln, oder Seefahrten nach fernen Continenten unternehmen. Hierüber gestatte ich mir ein paar Worte, namentlich über die Winterreisen nach dem Süden.

Gleichwie sich viele Menschen, anstatt ihre Gegenwart sachgemäß und thatkräftig auszunutzen, nach verlorenen goldenen Zeitaltern oder nach zukünftigen Paradiesen sehnen: so bewegt auch viele Personen ein Fortweh, ein umgekehrtes Heimweh, welches ihnen vorspiegelt, daß es anderwärts weit besser und hübscher sein müsse. Diese Vorstellung steckt namentlich in den meisten nördlichen Völkern und erzeugt in ihnen einen Trieb nach schönen, warmen Ländern, welcher unzweifelhaft die Ursache gewesen ist, welche seit uralten Zeiten die Völkerwanderungen nach dem Süden und Westen hervorgerufen hat. In ähnlicher Weise sind in den gemäßigten Strichen Europas eine Menge Privatleute von dem Wunsche beseelt, den „köstlichen Süden“, von dessen Herrlichkeiten sie längst geträumt, zu besuchen, insbesondere aber einmal den Winter über in einem wärmeren Klima zuzubringen und so ihren Kalender um einen Winter zu betrügen. Dieser Wunsch ist sicherlich durch die Unbilden unseres nordischen Klima’s ganz gerechtfertigt. Wer die Mittel dazu hat und nichts dadurch versäumt, thut sogar ganz wohl, denselben zu erfüllen, schon der geistigen Bildung wegen. (Beispiele: Goethe, Winkelmann u. A.) Aber hier sprechen wir nicht von denen, welche aus Luxus dahin reisen, sondern von denen, welche ihrer Gesundheit wegen, zu Vorbauungs- oder Heilungs-Zwecken südliche Winterasyle aufsuchen. Denn gerade diese begehen oft durch eine Südreise so arge Mißgriffe, daß sie nicht blos bittere Enttäuschungen, sondern oft sogar grenzenloses Elend und gänzlichen Ruin ihrer Gesundheit dadurch herbeiführen.

Die Patienten, denen von ärztlicher Seite manchmal (also nicht in allen Fällen) eine Uebersiedelung für die Winterszeit in ein südliches Klima, in einen sogenannten südlichen klimatischen Curort oder ein südliches Winterasyl anzurathen ist, sind hauptsächlich folgende:

1) Brustkranke, namentlich a) Tuberculöse, so lange sie sich noch in den früheren Stadien ihres Uebels befinden, b) Emphysematiker, welche von ihren begleitenden Brustkatarrhen und Asthmen viel geplagt werden, c) Herzkranke, welche sich in ähnlichem Falle befinden.

2) Erkältbare, theils a) von Rheumatismus und Gicht Geplagte, theils b) von allerlei unaufhörlich wiederkehrenden Katarrhen der Gesichts-, Hals-, Brust-, Unterleibs- oder Geschlechts-Organe (oft auch wohl von stetem Wechseln der Katarrhe von einem Organ zum andern) Heimgesuchte.

3) Blutarme, beziehentlich Bleichsüchtige, Skrofulöse, an Brightscher Niere Leidende.

4) Jugendliche, eben in der Entwicklung begriffene Personen.

5) Schwächliche, nervöse, zärtliche, siechende, altersschwache oder vorzeitig alternde Individuen.

6) Genesende aus schweren Krankheiten, besonders nach Typhus oder nach stark eingreifenden, besonders Ouecksilber-Curen.

7) Gemüthskranke, besonders Melancholiker.

Die Vorzüge, welche das südliche Klima dem kranken oder kränkelnden Nordländer bietet, sind folgende. Bei uns zwingt der lange, lichtarme Winter und das wechselvolle Frühjahr, welches meistens bis Mitte Juni immer wieder aus warmen Tagen in empfindliche Kälte und Nässe zurückfällt, zwingt der nie trocknende und erst spät ausgewärmte Erdboden, zwingt die Kühle der Höfe und Hausfluren etc. solche Kranke, entweder ganz die Stube zu hüten und dadurch welk und stubensiech zu werden, oder falls sie ausgehen, laufen sie Gefahr, durch eine kleine Unvorsichtigkeit schwere Erkrankungen, Rückfälle, sogar den Tod davon zu tragen. Diese Gefahr ist nun zwar auch im Süden nicht ganz beseitigt; denn der Unvorsichtige kann sich auch dort an kalten Tagen, oder in der stets gefährlichen Morgen- oder Abendluft, oder beim Besuch der Kirchen und Museen, bei Volksfesten etc. ganz tüchtig erkälten, und es giebt auch im Süden Orte genug, wo Rheumatismen, Katarrhe, Tuberculosen etc. an der Tagesordnung sind. Aber durchschnittlich gewährt der Süden doch eine wärmere, mildere Luft, welche zugleich auch an manchen Orten durch die fortbestehende Vegetation und Pflanzenblüthe reiner und gewürzhafter ist. Er gewährt dem Kranken die Möglichkeit, täglich (wenige ganz schlechte

  1. Es kann nicht in der Absicht unserer Zeitschrift liegen, regelmäßige und ausführliche Berichte über die Ausstellung zu bringen. Dazu fehlt es uns an Raum und unsere Leser werden dies berücksichtigen und Ausführlicheres in größeren Blättern suchen. Dazu empfehlen wir ihnen die allbekannte Illustrirte Zeitung J. J. Weber’s, deren Programm das deutsche Publicum vollkommen zu befriedigen verspricht. Ihre Berichterstattung wird in zahlreiche Abschnitte zerfallen, deren jedem eine kurze Darstellung des bisherigen Standes der betreffenden Industrie vorangestellt werden soll. Eine allgemeine Einleitung (Statistisches und Eröffnungsfeierlichkeiten) beginnt die Artikelreihe, die, während der ganzen Dauer der Ausstellung, jede Woche fortgesetzt wird und außerdem den Schwerpunkt ihrer Berichterstattung in den deutschen Theil der Ausstellung legt. Jeder dieser Berichte wird die dazu nöthigen Abbildungen enthalten. Wir selbst werden uns auf einige besonders interessante Bilder aus der Weltausstellung beschränken.
    D. Red.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 349. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_349.jpg&oldid=- (Version vom 6.1.2021)