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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

Gnaden“ von seinem Namen streichen ließ, weil sie dem fortgeschrittenen Geiste der Zeit widerstreitet; die höchst absichtliche Betonung dieser „Formel“ bei feierlichster Gelegenheit konnte nur geeignet sein, den aufrichtigsten Dank der Nation gegen jenen Fürsten hinzulenken.

Wir überlassen die Königsberger Festlichkeiten den Spalten und dem Schicksale der Tagesblätter und führen unsere Leser, statt vor die goldenen Thronstufen an der Ostsee, zur Felsenwiege der Hohenzollern im schönen Schwabenlande.

Das Schwabenland ist eine der reichsten Schatzkammern deutscher Geschichte. Auf seinen Bergen ragen die Denkmäler vieler Herrschergeschlechter, untergegangener und noch heute blühender, und in den Thälern steht manches einfache Haus, aus welchem Geister hervorgegangen sind, deren Ruhmeskränze zu Deutschlands Ehre ewig blühen.

Von den Denkmälern der Berge haben zwei weltgeschichtliche Bedeutung erlangt: das der Hohenstaufen und das der Hohenzollern; von jenem zeugt nur noch der Berg und die Geschichte, die Trümmer des Kaiserschlosses sind verschwunden; dieses prangt, zur Königsburg erhoben, in erneuerter Pracht, aber den bessern Theil seiner Geschichte hat das Geschlecht sich erst zu verdienen. – Abseits von Beiden, auf Schweizergrund, verwittert die Habsburg, deren Geschlecht das Schicksal zwischen Beide gestellt hat. –

Die Stammburg der Hohenzollern zieht uns jedoch nicht blos als historischer Markstein an, auch die Natur hat den Berg mit ihren Reizen geschmückt, und der Kunst ist zur Verherrlichung der Dynastie dort Manches gelungen. So erfreut sie uns von ferne durch ihr eigenes Bild und eröffnet uns auf ihren Zinnen ein entzückendes Rundgemälde.

Südlich von dem ehemaligen souverainen Fürstensitze Hechingen erhebt sich der waldige Berg der Burg zu einer Höhe von 2347 Fuß über dem Meere. Der Weg zu dem Felsenschlosse empor ist steil, aber schattig, und kann auch zu Wagen zurückgelegt werden. Je weiter wir uns vom Thale entfernen, desto prächtiger dehnt es sich zu unseren Füßen aus und desto reicher wird sein Rahmen von Hügelrücken und Bergeshäuptern; bald aber geben wir die Aussicht auf vor dem Anblick, welchen, je näher wir ihm kommen, um so imponirender der Mauerkranz mit den Zacken seiner Krone von Thürmen uns bietet.

Der Weg zum Eingang in die Burg windet sich im Halbkreise um die Umfangsmauer. Das erste Thor, Adlerthor genannt, empfängt uns mit Steinbildwerk und Inschriften und öffnet uns einen stattlichen Thorweg, welcher uns weiter zur Burg hinauf und unter anderen Baulichkeiten an einer freien gothischen Wendeltreppe vorüber führt, die von üppigem Epheu malerisch umrankt ist. Wir gelangen vor ein zweites Thor. Die Kunst hat zu seinem Schmuck zwei Knappen angebracht, welche trotzige Blicke nach dem Zellerhorn hinüberwerfen, einem Nachbarberge, von welchem der Burg, wenn ihr der Charakter einer Bergfestung geblieben wäre, vorzugsweise hätte Gefahr drohen können. Haben wir endlich das letzte Thor, über welchem sich der ebenfalls reich mit Bildhauerei verzierte Thorthurm erhebt, durchschritten, so breitet das Innere der Burg sich vor uns aus. Der Anblick ist überraschend durch die Großartigkeit und Mannigfaltigkeit der Bauwerke, die hier vor uns aufragen. Die Reihe wird eröffnet durch die im altdeutschen Style erbaute evangelische Kirche; an diese schließt sich die Kaserne an, ein stattlicher Bau von gleichem Style und mit der Inschrift: „Adlerhorst auf Bergeskron’ – Zollerns Stamm auf Preußens Thron.“ Eine prachtvolle Treppe führt vom Hofe aus zu den Schloßgebäuden, die im Halbkreise den ganzen westlichen Theil der Burg einnehmen und die durch ihre vier Thürme und die alte Warte einen wahrhaft imposanten Anblick gewähren. Mit dem auf Marmorsäulen ruhenden Gewölbe des Grafensaals neben dem Markgrafenthurm beginnt eine ansehnliche Zimmerreihe, darunter die Räume der Bibliothek, die königlichen Gemächer und Säle. An diese Bauten grenzt die alte Warte und der sogenannte Bischofsthurm, der höchste der ganzen Burg. Von da zieht sich der Schloßtheil der Königin, überragt von dem Kaiserthurme und dem durch die Kolossalstatue des Erzengels Michael und die Pracht des Baues ausgezeichneten Michaelsthurme, bis zur katholischen Burgkapelle. Neben dieser hat das Pulvermagazin seinen Platz, und der Burggarten schließt den Hof ab. In der Mitte desselben breitet eine uralte Linde ihre riesigen Aeste aus; sie ist erst in der Gegenwart zu einem geschichtlichen Baume geworden, als König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen unter ihrer Blätterkrone die Erbhuldigung des Volkes seiner neuen „Hohenzollernschen Lande“ entgegennahm.

Auch der Anfang dieser Burg liegt im Dunkel der Sagenzeit, und gefällige Geschichtsforscher wühlten im Diensteifer für die „königliche“ Dynastie weit in die Jahrhunderte hinein, um die Wiege des Geschlechts in möglichst glänzender Umgebung zu finden. Es gelang ihnen wirklich, bis zu Antenor, einem Helden von Troja, vorzudringen. Wir lassen ihnen ihre Freuden und sind mit der Notiz zufrieden, daß man nicht weiß, wer den Grundstein dieses Bergschlosses gelegt hat. Die Gelehrten des Landes sehen hier sogar Spuren eines Römercastells. Erwiesen ist dagegen, daß zu Carl’s des Großen Zeit ein Graf Thassilo von Zollern lebte und um das Jahr 800 starb; er gilt als der erste mit Sicherheit bekannte Stammvater der Familie, und das Schloß seines Namens hat also damals schon gestanden. Es ritten tapfere Männer droben ein und aus. Thassilo’s Sohn oder Enkel Rudolf (I.) folgte dem Heerrufe des Königs Heinrich (des Städtebauers) gegen Hunnen und Wenden und erwarb sich hohe Ehren. Ein Urenkel desselben, Friedrich (Fridolin), soll um das Jahr 980 das Schloß erneuert und um mehrere Gebäude vergrößert haben. Wieder begegnen wir zwei Hohenzollernhelden im Jahre 1061: Burkard und Wetzel, die in einem Kriege zwischen den Herzögen von Schwaben und Zähringen bei Rheinfelden den Tod fanden. Burkard’s Sohn, Friedrich III., genannt Maute, war der unzertrennliche Gefährte des Kaisers Heinrich V. und machte sich um die Stadt Speyer so verdient, daß diese sein Bild und Wappen mit einem Platz im Dome beehrte. Ebenso tüchtig erwies sich sein Sohn Rudolf (II.). Er errang nicht nur im Turnier zu Zürich 1165 den Ehrenpreis, sondern trat im Kampfe der Welfen gegen den Pfalzgrafen Hugo von Tübingen auf des Letztern Seite, und sein Schwert gab den Ausschlag in der Entscheidungsschlacht im Neckarthal bei Tübingen, wo am 6. September 1164 der Welfen Macht erlag. Ein bedeutender Zuwachs von Gütern war der Lohn für seine Thaten. Dieses Helden Sohn war jener Konrad, welcher durch seine Vermählung mit einer Erbgräfin von Vohburg, deren Hause das Nürnberger Burggrafenthum übertragen war, selbst Burggraf von Nürnberg und dadurch der Stifter der konradinischen oder fränkischen Linie des Hauses Hohenzollern geworden ist.

Dieser regelrechte Verlauf einer so wichtigen Erwerbung scheint jedoch dem Schicksal nicht gefallen zu haben; es ersann einen bedeutungsvolleren Gang, der von Sage und Dichtung vorgezogen wird. Darnach starb Burggraf Konrad frühzeitig und kinderlos, als die schreckliche Zeit des deutschen Interregnums (1256 bis 1273) sich ihrem Ende nahete. Dies herbeizuführen, war aber gerade des Grafen Eitelfritz von Hohenzollern eifrigstes Bestreben, und zwar führte er bei den deutschen Fürsten das laute Wort für den Grafen von Habsburg. Und als sein Wirken gelungen und Rudolf zu des Reiches Kaiser gewählt war, da eilte der Hohenzoller zu dem Habsburger, der eben vor Basel lag, um, der Erste, ihm die Kunde seines Glücks zu bringen. Aus Dankbarkeit belehnte der Habsburger den Hohenzoller sofort mit dem Burggrafenthum von Nürnberg –

„Und auf diesen Grund erbauet
Wuchs auch Zollerns Macht und Ehre,
Daß des Hauses Adler schauet
Nun vom Felsen bis zum Meere.“

Auf Burg Hohenzollern behielt die schwäbische Linie des Hauses ihren Sitz. Die ritterlichste Erscheinung aus demselben ist Graf Friedrich, genannt der Oettinger (weil er am Hofe des Grafen von Oettingen erzogen worden war), dessen unbändige Streitlust den Untergang der Bergveste herbeiführte. Nachdem derselbe mit allen seinen Nachbarn, fürstlichen und städtischen, in Fehden gelegen, versah er es, selbst die Gräfin Henriette von Würtemberg persönlich zu verletzen, ein Weib, das ihm einst in Liebe zugethan gewesen. Sie schwur ihm Rache und hielt Wort. Im Bunde mit Ulm, Rottweil und noch fünfzehn anderen Reichsstädten begann sie 1422 den Krieg, besetzte Hechingen und schloß die Burg Hohenzollern ein. Da wagten Haß und Liebe manchen kühnen Gang, denn während die erzürnte Gräfin viele Mannen vor den festen Mauern in den Tod führte, erstand den bedrängten Vertheidigern eine Beschützerin in dem „Mädchen aus der Steinlach“, Amasia von Mößingen. Die Liebe zu dem schönen Oettinger ließ ihr keine Ruhe, sie erfüllte sie mit dem Muthe, trotz aller Gefahren die Noth in der Burg zu lindern. Jede Mitternacht durchschritt

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verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 710. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_710.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)