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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

der Armen lebte er bis 1191. Uta aber, welche als ihrer Mutter Erbgut das Zähringische Allod Schauenburg mit umliegenden Gütern erhalten hatte, nannte sich nach dieser Veste und verlebte daselbst ihre letzten Wittwenjahre in frommen Uebungen. Wohl in Folge getroffener Verabredung mit Welf gedachte sie sofort daran, ein Kloster zu stiften. Sie liebte die Regel Norbert’s von Prämonstrat. Ihr Kloster sollte dieser Regel gehorchen.

In dem Bergwinkel, aus welchem das Nordwasser durch wilde Schluchten hinabstürzt, um nach wenigen Stunden sich mit der Rench zu vereinigen, begann sie den Bau einer Kirche, welche, schon 1193 vollendet, allen Heiligen geweiht ward, und beschenkte das Kloster mit reichen Gütern. Anfangs war es eine Propstei mit fünf Geistlichen. Die Geldnoth des Adels, die fromme Sitte der Zeiten mehrte ihre Besitzungen so rasch, daß schon die Grafen von Freiburg fernere Veräußerungen an dasselbe zu verbieten suchten.

Der Ruf guter Sitte, reger Thätigkeit und wissenschaftlichen Strebens mehrte sein Ansehen so, daß demselben schon um 1250 das Kloster Lorsch einverleibt und mit Geistlichen aus Allerheiligen besetzt wurde. Die Mönche, deren Zahl auf 30–40, deren Einnahme über 20,000 Fl. gestiegen war, beschäftigten sich theils mit der Seelsorge im Kloster und auswärts, theils mit dem Unterricht in Elementar- und wissenschaftlichen Gegenständen, und ihre Bodencultur wurde ein Muster für die ganze Umgegend.

1657 war es zur Abtei erhoben worden, aber dennoch entging es nicht den Stürmen der Zeiten. Der Bauernkrieg, Unruhen gegen die Bischöfe von Straßburg, die französische Revolution brachten wirkliche oder doch schwer drohende Drangsale, und das Jahr 1802 endlich führte seine Aufhebung und 1803 die Auswanderung der Mönche nach Lautenbach herbei. Man berathschlagte hin und her, ob man dasselbe seinem Zweck erhalten, oder ein Besserungshaus für Geistliche, oder sogar eine Spinnerei daraus machen wolle, als am 6. Juni 1803 ein Blitz vom Himmel allen Berathungen ein Ende machte, und die Flamme Kirche und Klostergebäude in einen Trümmer- und Schutthaufen verwandelte.

Vor uns, auf der Höhe des Soolberges, rinnt die frische Quelle des Eselsbrunnens, der uns daran erinnert, daß auch an die Gründung dieses Gotteshauses eine Sage sich knüpft.

Lange Zeit, so wird erzählt, war Uta unschlüssig, wohin sie die Zellen ihres Gotteshauses bauen wollte. Da beschloß sie, die Entscheidung dem Himmel (!!) anheimzugeben. Am Tage der h. Ursula ließ sie mit dem zum Bau bestimmten Gelde einen Esel beladen und diesen frei seines Weges gehen. Von ferne beobachtete man, wo er sich zuerst niederlegen würde. Dort sollte das Kloster sich erheben. Das Thier lief zwei Stunden bergan, bis der Durst es zwang, an einer Quelle zu trinken, welche jetzt noch der Eselsbrunnen heißt. Von da setzte es gestärkt seinen Weg durch das Dickicht des Waldes fort, bis auf die Höhe des Soolberges, wo es seine Last abwarf. Hier aber war es zu rauh und winterlich zur Errichtung eines bewohnten Gotteshauses, man baute daher daselbst nur eine Kapelle zur h. Ursula, und wählte zur Gründung des Klosters die Wiesenau am Nordwasser zu Füßen des Berges.

Lange saß ich träumend und alter Zeiten gedenkend in den zerbröckelnden Klostertrümmern, da mahnte der rasche Flug der Stunden zum Aufbruch.

Von den Klostertrümmern hinweg stieg einige hundert Schritte die breite Fahrstraße bergan, dem dunklen Tannenwalde zu, dann neigte sich der breite, aber grasbedeckre Weg schnell bergab. Wohl drei Viertelstunden führt er durch den hohen Tannenforst unaufhaltsam thalwärts hinab, da auf einmal öffnet sich das dämmernde Dunkel des Waldes, und vor uns liegt, nach der fernen Rheinebene sich hinziehend, das liebliche Thal der Acher. Die weithin zerstreuten Häuser von Ottenhöfen, der lebendige Fluß zur Seite, die grünen Matten, die fruchtbaren Hügelgelände geleiten uns freundlich weiter. Das Edelfrauengrab hinter Ottenhöfen, die Veste der Röder von Hohenrod, die Trümmer des Bosensteiner Schlosses, der Herrensitz zum Neuenstein über dem Dorfe Kappel, nichts vermag unsere eilenden Schritte zu hemmen. Durch Kappel, an Oberachern, an der Illenau vorüber, durch Achern geht es ohne Aufenthalt zur Eisenbahn. Es war ein rascher Marsch, die vierthalb Stunden Weges vom Kloster bis zur Station, eines Zwanzigjährigen nicht unwerth, aber wer möchte in solchem vorüberfliegenden, immer neu überraschenden Wechsel der wunderherrlichen Landschaft der gemeinen Prosa blasiger Fersen oder enger Stiefeln gedenken, wer dürfte träge einherschlendern, wenn schon die schwarze Maschine pfeift, die uns mit dämonischer Gewalt im Fluge entführen soll?




Amerikanische Zustände.

Von Otto Ruppius.
Nr. 2.

Von allen amerikanischen Verhältnissen, welche der deutschen Kritik unterlagen, hat noch keines so viel einseitige und zum Theil völlig unrichtige Urtheile hervorgerufen, als das der Negersclaverei, nicht allein vom Standpunkte der Humanität, sondern auch in Beurtheilung des Einflusses, welchen das „eigenthümliche Institut“ auf die innere Politik der Vereinigten Staalen ausübt – wird doch selbst der Grund des jetzigen Conflicts zwischen Süd und Nord vielfach in dem Bestehen der Sclaverei und dem Hasse des Nordens gegen diese gesucht, sprechen doch selbst große leitende Zeitungen Deutschlands mit einer Leichtigkeit von der möglichen Emancipirung der Schwarzen, als stehe dieser nichts als der Egoismus der Sclavenhalter entgegen.

Bei Gründung der Union erstreckte sich die Sclaverei über die sämmtlichen rebellischen Colonien, die späteren Staaten; alle die großen Väter der Republik waren Sclavenhalter, und die naturgemäß niedere Stellung der Schwarzen war als so selbstverständlich angenommen, daß bei der Erklärung der Menschenrechte in der Unabhängigkeits-Erklärung Niemand daran dachte, daß unter diesen „Menschen“ jemals die Schwarzen mit verstanden werden könnten. Erst später, als auf Washington’s Empfehlung die nördlichen Staaten ihre Sclaven zu entfernen begannen, nahmen die Gesetze den Zusatz „jeder freie weiße Mann“ an. Die Republik fand also eine schwarze Bevölkerung, die im Lande geboren und großgezogen war, deren sie sich nicht zu entledigen vermochte, bereits vor und hatte aus dieser Thatsache das möglichst Beste zu machen. Den Schwarzen mit den Weißen gleiche Rechte zu geben, ließ sich aus den gewichtigsten Gründen nicht thun, selbst wenn der Wille dafür vorhanden gewesen wäre. Die erste natürliche Folge einer Gleichstellung wäre die fortlaufende Vermischung beider Racen und die damit verbundene Degenerirung der weißen Bevölkerung gewesen – wissenschaftlich gebildeten Lesern darf nicht erst gesagt werden, daß fortgesetzte Kreuzung zwischen den entstandenen Mischlingsarten sogar bis zu physischer Zeugungsunfähigkeit führt – und die Pflicht der Selbsterhaltung schon mußte die weiße Race zwingen, den geistig und körperlich unter ihr stehenden Schwarzen auch gesellschaftlich in einer niederern Stellung zu erhalten; das vorgefundene Verhältniß der Neger als Sclaven aber schuf die Grenzlinie so scharf und beseitigte so sehr jede Zwitterstellung der Genannten, daß, als die nördlichen Staaten, welche der Negerarbeit am wenigsten bedurften, die Sclaverei gesetzlich aufzuheben begannen, der allergeringste Theil der Sclavenbesitzer daran dachte, seinen Sclaven die Freiheit zu geben, sondern daß die Hauptmasse nach dem Süden verkauft ward.

Für den Süden waren die Neger als Arbeiter eine unbedingte Nothwendigkeit, wenn überhaupt an die Erzeugung südlicher Producte, wie Baumwolle, Reis und Zucker gedacht werden sollte; eine Sonne, welcher sich der Weiße nie ohne die Gefahr eines Gehirnschlages für längere Zeit aussetzen kann, hat nicht die geringste Einwirkung auf den Schädel des Schwarzen, und während die Miasmen der Reisfelder tödtliche Fieber für den Weißen erzeugen, schlägt der Schwarze innerhalb derselben ungefährdet sein Nachtlager auf. Hätte aber auch der Süden seine Neger zu einer freien schwarzen Arbeiter-Bevölkerung umgestalten wollen, so gab es doch, neben den obigen, weitere unwiderlegbare Gründe, den Zustand der Sclaverei festzuhalten. Der Neger arbeitet nicht, wenn nicht ein physischer Zwang ihn dazu treibt, und je weiter

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verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 621. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_621.jpg&oldid=- (Version vom 15.10.2022)