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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

Schlag in meinen Ohren, mit welchem eine Vollkugel in das erste Bataillon einschlug und zehn oder zwölf Mann niederriß. – „Schließt Euch!“ rief der Major von Behrens – unstreitig einer der tüchtigsten Officiere unserer Armee – „Vorwärts, erstes Bataillon!“

„Schwärmen!“ rief mein Commandeur, der heldenmüthige Major von Eickstedt. – „Schnell avanciren!“ Im Nu rissen die Jäger die Büchsen von der Schulter und flogen über das Feld. Ein schreckliches Feuer empfing uns, und laß Dir sagen, lieber Leser, Alles ist zu ertragen in der Schlacht, nur nicht ein wohlgezieltes Kanonenfeuer, das mit furchtbarer Consequenz eine Vollkugel nach der andern daherschickt. Mir ist es in solchen Stunden, wenn ich den weißen Rauch aufsteigen sah, immer gewesen, als ob die Kugel mir direct in’s Gesicht fliegen müsse. Die Dinger sausen Einem um die Ohren und wühlen die Erde neben Einem auf! - - Brrr! – Wir lagen auf der Erde, krochen vorsichtig weiter, schossen und luden im Liegen, und krochen wieder vorwärts. Kartätschen sausten daher – Granaten platzten über und neben uns – wir krochen näher. Die Dänen im Laufgraben feuerten ihre Donnerbüchsen ab, die mit zwei Rehposten mit einer Bleiplatte geladen waren – die Jäger lachten über „Hannemann“ und rückten immer näher.

„Avanciren! drittes Jägercorps, avanciren!“ blies der Hornist. – Rasch sprangen wir auf – Hurrah! – d’rauf und d'ran durch Rauch und Feuer, Kanonen- und Flintenkugeln! – Wir hatten den Laufgraben. Die Artillerie hatte ihre Stellung aufgegeben. In sausender Carriere fuhr sie ab; eine neue Position wurde gewählt, neues Verderben spieen die Kanonen. Ich sah mich um; es schien mir, als ob die Erde bebte; – da kam die vierte Sechspfünder-Batterie. Die Kanoniere schwenkten die Helme, Trompeten bliesen, Rosse schnoben – „Ha! welche Lust, Soldat zu sein!“ sangen die Leute – die Kanonen flogen daher – eine Bombe reißt zehn Pferde und sechs Mann in Stücke – im Umsehen sind die Pferde abgespannt, vorwärts fliegt die Batterie.– „Abprotzen! Batterie, Feuer!“ ertönt der Ruf des Officiers – Acht Kanonen donnern dem Feind entgegen. – Wieder eine Salve! – In der nächsten dänischen Batterie fliegt ein Pulverkarren in die Luft.– „Avanciren, erstes Bataillon! Avanciren, drittes Jägercorps!“ rufen die Hörner. Die Musikcorps spielen auf, und „Schleswig- Holstein meerumschlungen“ singen die stürmenden Krieger. Eine zweite Batterie fährt hinter uns auf, eine dritte, vierte, fünfte, sechste. Wie rasend stürzen die Pferde vorwärts, lustig schmettern die Trompeten. „Feuer! Batterie-Feuer!.“ blasen die Signale. Weißer Rauch steigt auf aus hundert Geschützen, die Erde dröhnt unter dem Donner der Schlacht. Die Dänen retiriren, ihre Batterien fahren ab über die Brücke bei Missunde, Ordonnanzen fliegen längs der Chaussee nach Schleswig. Plötzlich hören wir Gewehrfeuer in der linken Flanke. Es ist Ganzer, er treibt die fliehenden Dänen vor sich her. Einen Augenblick machen sie Halt – „d’rauf und d’ran!“ ruft der unermüdliche Verfolger – er wirft sie in die Schlei.

Wir hatten die Dänen bis an den Brückenkopf getrieben und richteten ein verheerendes Spitzkugelfeuer auf die Artillerie. Namentlich eine dänische Batterie war unsern Schützen fast ganz preisgegeben; wir schossen die Kanoniere nieder, wenn sie mit der Lunte an’s Geschütz traten. Ihr Hauptmann sprach ihnen Muth zu. Er stieg kühn auf einen Wall, kreuzte die Arme, um seinen Leuten Courage zu machen – ein Schuß knallt neben meinem Ohr – der Hauptmann schlägt die Arme auseinander und fällt todt hin. „Endlich!“ sagt eine Stimme neben mir; ich drehe mich um – es ist der Lurbaß. Sein Gesicht ist mit Blut gefärbt, sein linker Arm ist verbunden, der Roßschweif ist vom Käppi abgeschossen – und dennoch lächelt der Jäger zufrieden und sagt: „Acht Mal habe ich vorbeigeschossen auf den Hauptmann – aber jetzt hat er sein Theil!.“ – Der Hornist wankt; das Blut strömt aus seiner Seite – er drückt mir die Hand und überreicht mir das Horn. Zwei Mann tragen ihn fort. – „Kann Einer von Euch blasen?“ frage ich. – „Das kann ich,“ sagt der Lurbaß. Er hebt den verwundeten Arm und bläst „avanciren!“

Das erste Bataillon rückt geschlossen heran. Ein entsetzliches Feuer empfängt die braven Burschen. Wie Hagelkörner so dicht schlagen die Kugeln der Dänen in das Bataillon. – „Es ist Euer Tod,“ ruft ihnen ein Officier zu. – „Makt nix, Tambour schlag an!“ rufen die Soldaten, und wie ein Gewitter stürzen wir uns auf den Brückenkopf. Wir mochten fünfzehnhundert Mann sein und sollten eine Schiffbrücke stürmen, die von sechs- bis achttausend Infanteristen und acht Batterien vertheidigt wurde!

Die achtzehnpfündige Batterie des Hauptmanns Christiansen und vier Bataillone kamen nicht in’s Gefecht. Ein furchtbarer Kampf entspann sich am Brückenkopf; die Leute schlugen sich wie Verzweifelte. Wir hofften sicher auf Hülfe von unsern Brüdern - statt dessen hörten wir aber das Signal: „Zurück!“ –Zurück? Fünfzehnhundert Mann im Kampfe mit Sechstausend, im Bajonnetkampfe – und zurück? – Wer erbarmt sich der Verwundeten, die uns flehend zurufen: „Nehmt uns mit!“? –

Wir mußten zurück, das steile Ufer im furchtbaren Feuer ersteigen, den Andrang des Feindes, das Kanonenfeuer der nachsetzenden Batterien aushalten. Als wir die Höhe erreichten, waren unsere Kanonen abgefahren, unsere Bataillone in vollem Rückmarsch. Wir formirten eine Tirailleurkette und wichen langsam zurück, bis wir Kochendorf erreichten. Da lag der Hauptmann Schmidt neben Hauptmann Domeyer und dreißig bis vierzig Jägern in einer Schenke, Schmidt war in den Leib, Domeyer durch den Hals geschossen. Die Leute waren alle Schwerverwundete. Manche waren schon todt, manche lagen im letzten Todeskampfe. Schmidt’s Rechte ruhte in der Hand seines Flügelmannes, der in den Kopf geschossen war. Als ich eintrat, weinte Schmidt und sagte: „Trauern Sie nicht um mich – um den da thut mir’s leid!“ Wir waren kaum im Stande, unsere verwundeten Cameraden zu retten, so hart drängten die siegreichen Dänen nach, und noch immer ließ Willisen, der in seinen Proclamationen gesagt hatte, daß er den Krieg kenne, keine Position zu unserem Schutze nehmen.

Erst spät am Abend erreichten wir das dänische Lager. Es war künstlich und mit Geschmack gebaut. Die Officiershütten hatten Lehnstühle, aus Stroh geflochten, Blumen waren gepflanzt, Kränze hingen über den Thüren. Ingrimmig über unser nutzloses Kämpfen zündeten wir das Lager an. Es war ein furchtbar schöner Anblick! Kein Lüftchen bewegte sich; Ruhe und Frieden herrschten ringsum; da, plötzlich steigt eine Flamme empor, erst klein und unbedeutend, doch schnell sich weiter fressend zum Ungeheuer heranwachsend. Die Bataillone marschirten langsam und feierlich durch die Säulen von Rauch; die züngelnden Flammen schlugen über ihnen zusammen, Millionen Funken hinaussendend in die dunkle Nacht. Scheu bebten die Rosse zurück vor dem Flammenmeer. Die blanken Helme der Reiter funkelten im grellen Widerscheine des Lichts, schauerlich ertönten die Lieder der Soldaten inmitten der entsetzlichen Verwüstung.

Der Anblick des brennenden Lagers erzürnte die dänischen Seeleute vor Eckernförde. Mit einer der dänischen Nation würdigen Tapferkeit warfen sie von den Schiffen Bomben in die Mühle von Eckernförde, in das Holzlager des Kaufmanns Lange. Der Verräther hatte seine Tochter dem tapfern Hauptmann Jungmann, welcher bei der Vernichtung der Flotte im April 1849 unsterblichen Ruhm erwarb, zur Gattin gegeben – Grund genug für das dänische Volk, den Vater zu verfolgen. Sie bombardirten die friedliche Stadt, vernichteten die bedeutenden Holzvorräthe und zerstörten die Windmühle. Kein Wunder! Es lag kein deutscher Fürst mit Nassauern und Schleswig-Holsteinern in der Nähe, der ihnen zum zweiten Male eine Probe deutschen Muths und deutscher Kraft hätte geben können. Aber die stolze dänische Flotte mußte ihren Heldenmuth beweisen, die verlorenen Lorbeeren wieder gewinnen – Eckernförde wurde bombardirt von den dänischen Helden! - -

Zwei Tage nach dieser „Recognoscirung“, wie Se. Excellenz den Angriff auf Missunde nannte, bei welchem wir mehrere Hundert Todte und Verwundete und eben so viele Gefangene verloren, befahl der General von Gerhardt mir, die Jäger-Compagnie antreten zu lassen.

„Lassen Sie einen Kreis formiren!“

Die Compagnie schwenkte links und rechts – der Kreis war gebildet.

„Lassen Sie den Jäger Matthias Johannsen vortreten.“

„Matthias Johannsen!“

„Hier!“

„Vortreten!“

Von zwei Cameraden geführt, trat er vor den General. Sein linker Arm hing in der Binde, oberhalb des Knie’s trug er eine Bandage. Ein Streifschuß hatte seine Brust getroffen.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 570. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_570.jpg&oldid=- (Version vom 10.9.2022)