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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

des weißbärtigen, einsamen Schloßbewohners die ganze Gruppe, so wie den unteren Theil des Schlosses mit der nächsten Umgebung, malerisch beleuchtete, so daß die Thürme und die oberen Etagen mit dem hochgegiebelten Dache, da Alles vor dem Monde lag, in tiefster Dunkelheit in die schimmernde Sternenpracht des wolkenlosen Himmels hineinragten. So endete dieser, wenn auch nicht eben erfolgreiche, doch höchst interessante Jagdtag, dessen Bilder noch lange in mir lebendig bleiben werden.




Der neue Weg nach Quito und das Innere von Ecuador.

Von Fr. Gerstäcker.

Mein Aufenthalt am Pailon, an dem ich fast drei und einen halben Monat zugebracht, näherte sich seinem Ende. Ich sehnte mich danach, meine Reise endlich wieder aufzunehmen und meinen Plan, sämmtliche deutsche Colonien Süd-Amerika’s zu besuchen, auszuführen.

Vorher mußte ich freilich noch das Innere des Landes kennen lernen, an dessen tropischem Ufer ich bisjetzt gelebt und von dessen hochgelegenem Inneren ich schon soviel und Rühmliches gehört. Selbst die Hauptstadt des Landes, Quito mit seinem vielgepriesenen „ewigen Frühling“, reizte mich, und ich beschloß meinen Weg dorthin zu nehmen und dann von dort nach Guajaquil hinab zu gehen. Ueberdies mußte ich, ehe ich Ecuador verlassen konnte, noch einmal mit dem Director der Compagnie zusammentreffen, mit dem ich sehr viel zu besprechen hatte, und es war nicht wahrscheinlich, daß ich ihn auf diesem Weg verfehlen könnte.

Am 25. Septbr. war die Rittiwake, das Fahrzeug der Expedition, von San Lorenzo abgesegelt, und ziemlich erschöpft von der Arbeit, die ich dabei gehabt, bestimmte ich den Tag zum Ausruhen und bestellte mir auf den nächsten Morgen ein Canoe, das mich nach einem höher gelegenen[WS 1] Theil der Bai, am Santiago-Fluß hinauf, bringen sollte. Von dort folgte ich, in den Bogota einbiegend, dem Cachavi aufwärts und betrat da erst, wo die Schifffahrt aufhörte, den eigentlichen Wald, über den ich schon ziemlich traurige Berichte gehört. Der Weg, der hindurch führte, hieß allerdings camino real, bestand aber blos dem Namen nach, und die, welche diesen Weg schon einmal gegangen, wußten ihn gar nicht schrecklich genug zu beschreiben. Diese Strecke ließ sich aber nicht umgehen, wenn ich auch zu Wasser unsere nach dem Bogota ausgehauene trocha umgehen konnte, und es half deshalb Nichts, sich davor zu fürchten.

Die Fahrt im Canoe that mir wohl, denn lang gestreckt darin konnte ich mich ordentlich ausruhen, während ein dichtes Blätterdach die heißen Sonnenstrahlen von mir abhielt. Am ersten Tag war auch nicht viel zu sehen, denn wir liefen an den Mangrovesümpfen der Bai hin, die erst dort aufhörten, wo sich der Santiago mit seinem süßen Wasser ihr entgegenwirft – und süßes Wasser kann der Mangrovebaum eben nicht vertragen.

Hier begannen überall Plataners oder Pisangfelder am Ufer – hier und da standen Cocospalmen und Kaffee, Baumwolle wie Cacao mit Orangen und andern Fruchtbäumen waren angepflanzt. Das Ganze schien aber doch noch neu, und man sah überall, daß die Eigenthümer des Landes hätten mit geringer Mühe weit mehr thun können, als sie eben gethan, wenn diese Leute überhaupt mehr arbeiten wollten, als sie zum Leben unumgänglich nöthig haben.

Fast alle diese Anpflanzungen gehören Negern oder einer starken Mischlingsrace der Neger, und es sind meistens durch das Gesetz befreite Sclaven, die sich hier ein Eigenthum gegründet haben.

Der Santiago ist ein breiter, schöner Strom, der aber nahe seiner Mündung in die Tolabai so weit durch flaches und niedriges Land läuft, daß die Ebbe und Fluth bis hoch hinauf einen Einfluß auf ihn ausübt. In der Nähe der Bai verwandelt sie in der Fluthzeit sein Wasser in Salz, und weiter hinauf stemmt sie es nur für viele Meilen bis selbst in den von Norden kommenden Nachbarfluß Bogota hinein.

Dorthin bogen auch wir am zweiten Tag ein, aber nur auf eine kurze Strecke, bis wir das kleine Städtchen Concepcion erreichten, und von hier aus sollte ich am nächsten Tag in einem kleineren Canoe meinen Weg den reißenden Cachavi hinauf fortsetzen. Hier mußte ich mich auch mit Vorräthen versehen, denn weiter hinauf waren keine Lebensmittel zu bekommen, als höchstens Pisang, während das weiter im Inneren gelegene Land, wie Alle bestätigten, einen wahren Ueberfluß von allen Arten von Lebensmitteln hervorbrachte, die nur eben nicht durch die Wildniß geschleppt werden konnten. Ein Beweis mehr wie nöthig ein Weg war, der diese beiden besiedelten Strecken mit einander verbinden sollte, daß sie ihre Producte gegeneinander austauschen konnten.

Meine Vorräthe waren bald eingelegt – es bedurfte dazu nicht viel. Etwas Brod, etwas hart gebratenes Schweinefleisch, das sich einige Tage hielt, und ein paar Pfund Chocolade – das war Alles. Am nächsten Morgen mit Tagesanbruch kam das Canoe an, ein etwas schmales, schwankes Fahrzeug mit zwei jungen, vielleicht funfzehnjährigen, bis auf den Gürtel vollständig nackten Negerburschen, diesmal aber ohne Schutzdach gegen die Sonne, was sich nicht gut darauf anbringen ließ, und wir stießen vom Ufer ab. – Für die beiden vorigen Tage Canoefahrt, mit noch einem Gefährten, hatte ich für mein Theil vier und einen halben Dollar bezahlt. Für diese beiden Burschen für zweitägige Fahrt zahlte ich drei Dollars und einen Dollar für den Gebrauch des Canoes, wobei ich noch ein paar Dollars für Lebensmittel auszulegen hatte.

Im Anfang und so lange wir uns in dem breiteren und tiefen Bogota befanden, konnten die jungen Burschen ihre Ruder noch gebrauchen, sobald wir aber in den Cachavi einbogen, hörte das auf, denn der ganze Fluß bestand aus einer fast ununterbrochenen Reihe von Stromschnellen, durch die hin uns weiter Nichts als Stangen vorwärts helfen konnten. Die Geschicklichkeit der beiden jungen Burschen war außerordentlich darin, und so genau wußten sie ihre Stangen einzusetzen und der Kraft zu begegnen, die den Bug des Canoes bald herüber bald hinüber werfen wollte, daß dieses auch nicht ein einziges Mal eine willkürliche oder falsche Bewegung machen konnte. Oft aber, und besonders je höher wir kamen, war die Strömung des Wassers so reißend und der Fall so groß, daß sie selbst mit ihren Stangen Nichts mehr ausrichten konnten, sondern über Bord springen mußten, das schwanke Fahrzeug gegen die Wucht der Wasser anzuziehen und zu schieben. Es war gar nichts Seltenes, daß wir auf 15–18 Fuß 10–12 Fuß Fall hatten, und ein paar Mal schoß das Wasser in das Canoe. Darauf waren aber die jungen Burschen schon vorbereitet, denn der Platz, wo ich mit meinem Gepäck gerade in der Mitte lag, war mit breiten Bananenblättern so besteckt, daß das aufschlagende Wasser wohl in das Canoe laufen, aber weder mich noch meine Sachen durchnässen konnte. Der hintere Theil des Canoes lag aber fast stets viel tiefer als der vordere, und der Bursch dort hatte eine ganz eigene Fertigkeit, das einlaufende Wasser mit den Füßen wieder herauszuschnellen. Mit dem einen Fuß blieb er fest stehen und den anderen schlug er, etwas eingebogen, dagegen, sodaß er alles dazwischenkommende Wasser geschickt über Bord sandte.

Nur an einigen zu flachen und steilen Fällen, wo mein Gewicht zu groß war, stieg ich aus und watete einige Schritt durch das grobe Geröll. An allen übrigen Stellen blieb ich ruhig liegen, den beiden Burschen es vertrauungsvoll überlassend, mich sicher aufwärts zu schaffen. – Die Nacht schliefen wir bei einem Neger am Ufer, und dicht vor Sonnenuntergang schwoll der Strom plötzlich so rasend an, daß er in einer halben Stunde wohl drei Fuß stieg. Der Neger beruhigte uns aber vollkommen darüber, daß er bis Tagesanbruch wieder vollständig in seinem alten Bett sein würde, und er hatte Recht. So rasch er gestiegen, fiel der Strom auch wieder, und wir konnten ungehindert am nächsten Morgen unsere Fahrt fortsetzen.

Die Plantagen wurden jetzt sehr selten, häufig aber begegneten wir Canoes im Strom, die zum Theil nur von Frauen vorwärts gestoßen wurden. Meine beiden jungen Führer sagten mir, daß hier die Cachavi-Goldminen begönnen, und diese Canoes dazu gebraucht würden, Lebensmittel zu den verschiedenen Stellen zu schaffen. Diese Cachavi-Goldminen sind Privateigenthum, in

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verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 152. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_152.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)