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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

mit Hülfe von Stahl, Stein und Schwamm in Brand gesteckt, in die freie Luft hinein. Denn lustig ist er geworden, eine biedere deutsche Kernlustigkeit hat sich seiner bemächtigt, und nur der Gedanke, daß seine vielen Vettern, Basen und Tanten, ja vielleicht gar seine alten Eltern noch da drüben bei harter Arbeit hungern und darben müssen, zieht wie eine Wolke über seine Stirne, – doch selbst bei dieser Erinnerung erheitert sich sein Gesicht bald wieder, denn bald wird ja so viel verdient sein, daß er seinen liebsten Angehörigen die zur Ueberfahrt nöthige Summe wird schicken können. Die entfernteren Verwandten und Bekannten, besonders die ihm so sehr abgerathen über das Meer zu gehen, werden dann Augen machen und, wenn sich aus dem Verkaufe des ärmlichen Mobiliars nur irgendwie die Ueberfahrtskosten herausschlagen lassen, gewiß die Ersten sein, welche ihm folgen werden.

Mecklenburgische Colonie bei Milwaukee.

Seine Sprache, dies breite gewichtige Plattdeutsch mit seinen Kraftausdrücken, seinen Kernstücken, vertauscht er ebenfalls nur ungern und gewissermaßen nur gezwungen gegen die englische, was hauptsächlich schon deßhalb länger dauert, weil er sich stets zu seinen Landsleuten hingezogen fühlt, wie denn ein Mecklenburger stets die Gesellschaft eines Mecklenburgers sucht. So traf ich im Nordwesten der Vereinigten Staaten in der am Michigan-See gelegenen Stadt Milwaukee, der größten des Staates Wisconsin, eine solche Colonie, eine wahre Cabinetausgabe des deutschen Mecklenburg, von welcher ich eine Skizze beifüge.

Sie haben sich hauptsächlich an dem einen nördlichen Ende der Stadt angesiedelt. Es gehört dieser Theil, obgleich er sich mit seiner äußern Grenze über eine halbe deutsche Meile von der Stadt befindet, noch in das Gebiet derselben, wie wir es schon an den genau nach den vier Himmelsrichtungen hin angelegten Straßen sehen können; doch kann uns dies bei einer westamerikanischen Stadt nicht Wunder nehmen. Eine solche Stadt ist von ihren Gründern oft in den Dimensionen angelegt oder ausgesteckt, wie sie es dort nennen, daß ein London oder Paris auf ihrem Flächenraume fast verschwinden würde, obgleich vorauszusehen ist, daß viele derselben wegen der Unzweckmäßigkett ihrer Anlage oder auch wegen schlechter klimatischer Verhältnisse es nie über eine Einwohnerzahl von vielleicht tausend Seelen bringen werden.

Milwaukee macht freilich hierin eine Ausnahme. Seit kaum fünfzehn bis zwanzig Jahren von einem Franzosen, einem gewissen Juneau angelegt, welcher die Tochter eines Häuptlings der jetzt fast ganz ausgerotteten Menomonie-Indianer geheirathet, ist sie in kurzer Zeit, und besonders seit den letzten zehn Jahren zu einer großen Handelsstadt mit einer Einwohnerschaft von fast 60,000 Seelen angewachsen, und die in letzter Zeit eröffnete directe Verbindung des Obersees durch den Welland-Canal und den Lorenzstrom mit dem atlantischen Ocean wird ihr in der Folge noch eine größere Wichtigkeit verschaffen. Auch sie ist in ungeheuren Dimensionen ausgesteckt, und wird, was indessen wohl trotz des schleunigen Wachsthums dieser nordwestlichen Städte nicht so bald zu erwarten ist, nur eine Hälfte dieser durch die graden Straßen in regelmäßige Vierecke zertheilten Fläche bebaut, so würden einige Millionen Einwohner wohl kaum genügen, um die Häuser mit Bewohnern zu füllen.

Hier, wie gesagt, ist ein zweites, aber glückliches, freies Mecklenburg gegründet worden. Hier, zwischen den noch fest im Boden steckenden riesigen Stümpfen der Bäume, welche noch vor kaum zwanzig Jahren den Wigwam des rothen Sohnes der Wälder beschatteten, hat der arbeitsame Plattdeutsche oder Dutchman, wie ihn der Amerikaner nennt, einige Morgen Land gekauft, eine Lot, d. h. einen Bauplatz, und auf demselben seine Breterhütte erbaut. Sie gewähren einen eigenthümlichen Anblick, diese oft phantastisch, nach der Laune des Besitzers construirten Baulichkeiten. Viele sind freilich schon mehr einem Hause ähnlich, da ein Aufenthalt

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verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 140. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_140.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)