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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

No. 46. 1860.
Die Gartenlaube.
Illustrirtes Familienblatt. – Verantwortl. Redacteure F. Stolle u. A. Diezmann.

Wöchentlich 11/2 bis 2 Bogen. Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 15 Ngr. zu beziehen.


Husar und Pandur.

Erzählung von Levin Schücking.
(Fortsetzung.)
3.

Der Oberst von der Trenck stand in jenen Tagen, in der Zeit, nachdem Oesterreich mit Preußen den Frieden geschlossen, mit seinem Corps von Rothmäntlern im Hausruckviertel an der Donau; er selbst hatte sein Hauptquartier in der kleinen freundlichen Benediktiner-Abtei Engelhardszell aufgeschlagen, die etwa in der Mitte zwischen Passau und Linz, nahe der heutigen Grenze Oesterreichs, in einer Umgebung von großartiger landschaftlicher Schönheit liegt.

Das Thal der Donau ist hier von hohen malerischen Bergen eingeengt, deren Gipfel von alten Burgen gekrönt, deren steil ansteigende Wände oder Leithen von Hochwald bedeckt sind.

Das Kloster und die Abteikirche sind, wie die meisten kirchlichen Bauten in Oesterreich, keineswegs düstre mittelalterliche Bauwerke: sie gehören zum größten Theil dem siebenzehnten oder achtzehnten Jahrhundert an; und auch Engelhardszell bot in seinen verschiedenen Flügeln vergleichungsweise geräumige und lichte Gemächer dar, und in der Wohnung des Abtes freundliche Zimmer und Salons, in welchen der Pandurenoberst bequem auf seinen Lorbeeren ausruhen konnte.

Die Mönche hatten sich dicht zusammendrängen müssen, um ihm und einem Theil seiner Officiere Raum zu machen. Die frommen Herren führten einmal wieder ein sehr beschauliches stilles Leben; sie hatten vielleicht seit den Zeiten ihres Stifters, des Baiernherzogs Thassilo, nicht mehr in so strenger Zurückgezogenheit gelebt wie jetzt, wo sie sich scheuten, auf Gängen und Korridoren den wilden Gesellen, die unter ihrem Dache und leider auch in ihrem Keller das Regiment führten, zu begegnen … Die schwarze Soutane duckte sich vor dem rothen Mantel, wie eine Taube vor dem Weih.

In dem einen Büchsenschuß weit von der Abtei liegenden Marktflecken Engelhardszell war ein starker Trupp von Trenck’s Panduren einquartiert.

Am vierten Tage nach seinem Ausmarsch aus Wien, kurz nach Mittag, war der Oberstwachtmeister von Frohn in diesem Ort eingetroffen. Von der Ortsobrigkeit hatte er Quartiere für seine Leute verlangt, und die Ortsobrigkeit hatte rathlos und niedergeschlagen die Marschroute angestarrt, welche Frohn dem ehrlichen Oberösterreicher vorgehalten.

„Es ist halt ganz unmöglich,“ sagte der „Pfleger“ – „alle Häuser sind mit den Kroaten besetzt.“

„Und die Abtei auch?“

„Die Abtei … da liegt ja der Oberst selber!“

„Thut nichts, geb’ Er mir Quartierbillets für die Abtei.“

„Aber ich sag’s ja, Ew. Gnaden, da liegt der Oberst von der Trenck, der läßt Ew. Gnaden nicht hinein, und mich könnt’s gerad nur den Hals kosten …“

„Schreib Er nur das Billet – für alles Andere steh’ ich,“ antwortete Frohn befehlend; „es soll Ihm kein Haar gekrümmt werden – aber vorwärts, meine Leute sind hungrig und meine Pferde müde!“

Der „Pfleger“ sah mit einem Blick voll unbeschreiblichen Kleinmuths zu Frohn auf; der arme Teufel verrieth in seinem ganzen eingeschüchterten und rathlosen Wesen, wie angenehm die Lage eines Beamten in einem Orte sein mußte, wo der Trenck mit seinen Kroaten im Quartier lag; aber da Frohn jetzt Anstalt machte, selber an den obrigkeitlichen Schreibtisch zu treten und nach den Formularen für Quartierbillete zu suchen, lieferte er endlich das, was so gebieterisch von ihm verlangt wurde, aus, freilich mit einer Miene, als ob es im Grunde für ihn gleichgültig sei, ob er einen Tag früher oder später von seinen schrecklichen Gästen massacrirt oder in die Donau geworfen oder auf irgend eine andere grausame Weise seiner entsetzlichen officiellen Thätigkeit überhoben werde!

Der Oberstwachtmeister ritt nun mit seiner kleinen Escorte dem Kloster zu, vor dem zwei Seressaner mit ihren breiten Handschars Wache standen.

Ein Trupp dieser verrufenen und mit ihrem halbtürkischen Costüme, ihrer fremdartigen Bewaffnung wie ein Stück wilden Heidenthums aussehenden Kerle lagerte um ein großes Feuer, das sie auf dem freien Platze vor dem Kloster entzündet hatten; sie lagen auf ihren Mänteln auf der Erde; den Ehrenplatz auf einer Bank, die seitwärts aufgeschlagen stand, hatten sie einem großen Fasse überlassen, an welchem ein junger Trommlerbube den Zapfer machte.

Frohn überließ es seinem Wachtmeister, den Pater Kellner oder Klostervogt aufzutreiben, damit er Raum für Mann und Roß schaffe; er selbst warf die Zügel seines Pferdes einem seiner Husaren zu und betrat das Innere der Abtei durch ein Portal, welches heute trotz klösterlicher Clausur sperrangelweit offen stand. In einem Gange, an dessen rechter Seite eine Treppe aus rothem Salzburger Marmor in die Abtswohnung führte, fand er einen Kroaten, dem er befahl, ihn zum Obersten zu bringen.

„Was wollen bei Oberst? – Oberst hat nicht Zeit – hat zu thun, Oberst, viel zu thun!“

„Führ’ Du mich nur zu ihm, mein Bursche, ich komme von der Kaiserin!“


Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 721. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_721.jpg&oldid=- (Version vom 14.5.2017)