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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

Deutsche Bilder.
Nr. 4.
Schill und seine Reiterzüge.
Von Schmidt-Weißenfels.
(Schluß.)

Die große Nationalverschwörung in Deutschland gegen Napoleon war damals in ausgebreiteter Weise organisirt. Bis tief nach Oesterreich hinein, ja bis an den kaiserlichen Hof reichten die Fäden, und Stadion wie Gentz unterhielten eine bedeutende geheime Verbindung mit Preußen und den dortigen Patrioten Scharnhorst, Gneisenau und Hauptmann Bauer. Der Tugendbund bildete die Vereinigung der patriotischen Ideen; von hier aus gab man die Winke und Zeichen, ihm ließ man verstohlen die Pläne der Häupter der Bewegung zugehen, um für sie Propaganda zu machen. Daneben existirten andere geheime Vereine, wie z. B. die Gesellschaft der Vaterlandsfreunde, welche in gleicher Weise für die Erhebung arbeiteten und Geldmittel sammelten, um im entscheidenden Moment mit ihnen die Ausrüstung der vorbereiteten Guerillabanden zu ermöglichen. Zwischen allen bestand ein gewisser, wenn auch loser Zusammenhang, und alle erwarteten die allgemeine Erhebung Deutschlands in dem Augenblick, wo Oesterreich den Krieg gegen Napoleon unternehmen würde.

Ferdinand von Schill war eingeweiht in diese Verhältnisse: er stand mit dem Tugendbund in Verbindung, noch inniger mit der Gesellschaft der Vaterlandsfreunde. Hirschberg und Dörnberg waren seine Vertrauten, sogar von Oesterreich her hatte man mit ihm angeknüpft. Andere Patrioten, mehr leidenschaftlich als vorsichtig, forderten ihn auf, auf eigene Faust zu handeln, wenn es so weit sei; man brachte ihm fast gewaltsam die Meinung bei, daß er sich nur zu zeigen brauche, um ein Volk in Waffen um sich zu sehen. Schill selbst gab sich, phantastisch wie er war, und leidenschaftlich, mit außerordentlichem Eifer, aber auch mit Unvorsichtigkeit diesen Hoffnungen, die man auf ihn setzte, hin. Die übertriebenen Schilderungen der Vorbereitungen, der vorhandenen Mittel täuschten ihn und ließen ihn sowohl die Kampflust des Volks, als auch seine eigene Bedeutung überschätzen. Katt und Dörnberg drängten ihn überdies, mit ihnen gemeinschaftlich loszubrechen, ja, der zum Kampf bereiten Bevölkerung in Westphalen ein Zeichen zu geben, daß er ihr Führer sein werde. Geheime Agenten kamen und drängten auch, und Schill gab Briefe an die Eingeweihten mit und Proclamationen, welche das Volk heimlich bearbeiten sollten. Nun brach auch der Krieg Oesterreichs gegen Napoleon aus; die Oesterreicher rückten nach Baiern vor, das Volk in ganz Deutschland gährte: ein Funke, und die Flammen der Erhebung mußten hoch und gewaltig emporschlagen.

Katt hatte unvorsichtiger Weise im Anfang April das Signal zum Aufbruch gegeben, während allgemein angenommen war, dasselbe sollte der erste entscheidende und zuversichtlich erwartete Sieg der Oesterreicher sein. Er hoffte im Einverständniß mit Bewohnern Magdeburgs diese Festung zu überrumpeln; aber die Vorschnelligkeit seines Beginnens warnte den Feind, und der Handstreich auf Magdeburg, sowie der ganze Katt’sche Aufstand mißlangen gänzlich. Nun begann die wachsame Polizei König Jerome’s ihr Werk, und das Mißgeschick wollte, daß man in Magdeburg den westphälischen Landmann aufgriff, der Schill die Botschaft gebracht, sich an die Spitze der Insurrection zu stellen, und dem der unvorsichtige Husarenmajor seine Briefe und Proclamationen anvertraut. Man sandte diese Papiere nach Cassel, legte sie dort dem preußischen Gesandten vor, und der mußte wohl oder übel darüber an seine Regierung berichten. Ein vertrauter Freund und Patriot, der spätere hannoversche General von Bothmer, setzte Schill von dieser unerwünschten Enthüllung im Geheimen in Kenntniß.

Schill sah sich bedroht; das Mildeste, was er zu erwarten hatte, war das Schicksal des Freiherrn von Stein, der ein halbes Jahr früher aus Preußen nach Oesterreich geflüchtet war. Aber damit wurde die Erhebung, deren Erfolg ja so sicher schien, einer kräftigen Stütze beraubt, Schill selbst um alle seine Hoffnungen betrogen. Der lebhafte Mann war eine Beute der Unruhe und Unentschlossenheit; sollte er gehen, sollte er bleiben, sollte er versuchen, auf eigene Hand die Insurrection zu bewirken? Das letztere schien ihm nach Allem, was man ihm berichtet, leicht zu sein, und dann war’s ja kühn, verwegen, ein echter Husarenstreich, wie er zu Schill paßte! Die eingehenden Nachrichten bestärkten ihn überdies in diesem Entschlusse. Es kam ein Bote von Dörnberg, der ihm meldete, daß er am 21. April mit seinen Haufen losgegangen sei und nun auf seine Unterstützung rechne; es gelangte das falsche Gerücht nach Berlin, Erzherzog Karl habe bei Hof gesiegt, und man glaubte, weil man es so heiß erwünschte, so fest daran, daß Chazot, damals Commandant von Berlin, für den 27. April die Parole „Karl und Hof“ gab.

Nun hielt’s den kühnen Reiterführer nicht länger. Mag’s kommen, wie es will, jetzt oder nie mußte er losschlagen. Ohne seine Absicht zu verrathen, machte er schnell seinen Plan; nur Adolf von Lützow, den späteren Freischaarenheld, und Lieutenant Baersch, seinen Freund, weihte er in das Geheimniß: er wollte nach Magdeburg. Auf seine Leute konnte er zählen; die gingen, das wußte er, mit ihm, und wär’s in die Hölle.

Am Nachmittag des 28. April zog Schill mit seinem schmucken Husarenregiment zum Hallischen Thore hinaus, anscheinend um, wie gewöhnlich, dasselbe exerciren und mit Sack und Pack manövriren zu lassen. Und richtig, hinter Berlin fanden mehrere Evolutionen des Regiments statt. Dann aber zog man stracks in der Richtung nach Potsdam los; auf dem Wege dahin ließ Schill plötzlich Halt machen und verkündete in begeisterter Rede, so wie’s ihm eigen war, seinen Entschluß, den Kampf aufzunehmen gegen die Gewalt des fremden Tyrannen. Unterstützung sei ihm sicher, schon sei der Aufstand in Hessen losgebrochen. Wer ihm aber nicht folgen wolle, der möge sich nicht scheuen, es zu sagen, und heimreiten. Aber es rückte sich kein Mann; Alle, vom Ersten bis zum Letzten, jubelten ihrem kühnen Führer zu, und so ging’s denn unter lustigem Trara fort über Potsdam nach der Elbe. In Berlin glaubte man indessen, Schill habe einen unerwarteten Uebungsmarsch unternommen. Man sandte ihm einen Officier nach, um ihm diese Eigenmächtigkeit zu verweisen und ihn zurückzubeordern; Schill zog ihn in’s Vertrauen, und der Officier kehrte nach Berlin zurück. Dies Ereigniß bestärkte die Husaren wohl noch in der Meinung, ihr Führer handle im Einverständniß mit der preußischen Regierung.

Schon am letzten April erfuhr Schill, daß auch Dörnberg’s Handstreich mißlungen sei. So war denn an einen Ueberfall Magdeburgs nicht mehr zu denken, und die Schaar rückte deshalb auf Wittenberg zu. Der dortige sächsische Commandant setzte keinen Widerstand entgegen, ließ die Husaren vielmehr ruhig durch die Stadt ziehen. Am 2. Mai gelangte Schill nach Dessau. Ein feuriger Aufruf sollte die gehoffte Insurrection jetzt in’s Leben rufen. „Alles,“ sagte der kühne Officier, „greife zu den Waffen; Sensen und Piken mögen die Stelle der Gewehre vertreten … Wer feig genug ist, sich der ehrenvollen Aufforderung zu entziehen, den treffe Schmach und Verachtung.“ Er, der’s nicht besser wußte, rief jubelnd in die Welt hinein, daß die Oesterreicher gesiegt, die Hessen im Aufstande seien. „Auf zu den Waffen! Bald wird die gerechte Sache siegen, der alte Ruhm des Vaterlandes wiederhergestellt sein. Auf zu den Waffen!“ Und nun ging’s weiter, überall auffordernd zum Kampf, überall das zagende Volk begeisternd. Man kam nach Sternberg; Streifpikets des schon durch Zulauf vermehrten Corps wandten sich in’s Land hinein, nach Halle; Schill selbst zog auf Cöthen los, wo man dem franzosenfreundlichen Fürsten den Marstall leerte, die vorhandenen Waffen wegnahm, dessen Leibgarde auflöste und einen Theil derselben zum Uebertritt in das Schill’sche Corps bewog.

Da trafen Hiobsposten ein, welche den kühnen Mann an sich selber irre werden ließen. Die Dörnberg’sche Schilderhebung war vollständig gescheitert; die Oesterreicher, anstatt gesiegt zu haben, waren an der Donau geschlagen worden und auf dem Rückzug nach Wien; ein Courier von Berlin brachte ihm die ernste und drohende Mahnung, sofort umzukehren. Schill war wie gebrochen. War es denn jetzt noch möglich, umzukehren, mit Spott und Hohn zurückzugehen, um sich dem Kriegsgericht zu stellen? War denn

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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 490. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_490.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)