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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

werden, als sei ein jeder der Kämpfer verantwortlich dafür, wie die Erde entstanden ist.

So weit wir lebendig dabei gewesen sind, wollen wir Euch Auskunft geben.

Daß wir auf dem Grunde vormaliger Meere gewohnt haben, das haben wir schon gesagt. Wie diese Meere jetzt nicht mehr da sind, wie Euch das der Augenschein lehrt, so sind auch die Festländer nicht mehr da, welche ohne Zweifel einst dagewesen sind und gegenwärtig den tiefen Grund Eurer heutigen Meere bilden mögen. Von jenen ehemaligen Festländern strömten, wie von Euren heutigen, Flüsse in die ehemaligen Meere. Daß diese ununterbrochen feinen Schlamm mit sich führen, der sich im Meere allmählich in immer dicker werdenden Schichten zu Boden setzt, das wird heute auch noch so sein, wie es zu unserer Zeit war. Lest nur darüber in Euren Erdgeschichtsbüchern nach. – (Die Rübelander Kopffüßler haben Recht, denn dort ist z. B. zu lesen, daß der Hoang-Ho in jeder Stunde zwei Millionen Cubikfuß Schlamm in das Meer führt, was in 70 Tagen eine Insel von einer geographischen Quadratmeile bilden würde und, wenn dieser Schlamm alle im gelben Meere bleibt, dieses in 24,000 Jahren ganz ausfüllen wird.) – Wir selbst haben, wie ein Blick auf das Marmortischchen zeigt, viel zur Bildung dieser Schichten beigetragen.

Sterbend versanken wir in den Schlamm des Meeres, in welchem unsere festen Häuser zurückblieben, während sich der kohlige Theil unseres weichen Leibes mit dem feinen Kalkschlamm mischte und diesen schwarz färbte. Unser waren viele, unzählbar viele, und der Marmor, welcher in der eben beschriebenen Weise entstand, muß an vielen Stellen ganz mit unseren unsterblichen Ueberresten erfüllt sein.

So weit die Rübelander Kopffüßler. Unterhalten wir uns nun auf eigene Faust weiter mit dem Tischchen.

Wie fest der Marmor ist! Und das soll einstmals weicher Schlamm gewesen sein? Wem das unglaublich scheint, der erinnere sich daran, daß die ungeheure Wasserlast eines vielleicht viele Tausend Fuß tiefen Meeres die weichen Schlammschichten fest zusammenpressen mußte: und wenn er dann die außerordentliche Zeitdauer in Anschlag bringt, während welcher diese Zusammenpressung stattfand, so wird er es wohl glaublich finden.

An der Bindung der Schlammtheilchen zu festem Marmorstein haben aber auch chemische Vorgänge mitgewirkt. Das ersehen wir aus den weißen Adern unseres Rübelander Marmors, welche ausgeschiedener reiner krystallinischer Kalk, d. i. Kalkspath sind. Diese reine Ausscheidung eines Theiles der Kalkerde und Gestaltung derselben zu glänzenden weißen Adern mitten in der schwarzen Grundmasse geschah während oder bald nach dem Niedersetzen des Kalkschlammes, und bekundet eine innerliche Regung in der trägen, scheinbar todten Masse. Ueberhaupt müssen wir nicht glauben, daß nur im lebendigen Thier- und Pflanzenleibe Stoffumsetzungen stattfinden; auch in dem von Feuchtigkeit durchdrungenen Steine finden sie statt, auch er ist sonach im gewissen Sinne belebt. Wie in der reifenden Erbse aus dem Zucker Stärkemehl wird, so sind nachweisbar aus ehemaligen Kalkschieferschichten durch Verdrängung des Kalkes durch Kieselerde Kieselschieferschichten geworden. In dem ewigen Kreislauf des Stoffes sind auch jene mächtigen Marmor-, also Kalksteinschichten von Rübeland nicht sicher, daß sie Kalkstein bleiben und nicht vielmehr nach Hunderttausenden von Jahren allmählich werden in Kieselgestein mit Verwischung der Lebensformen der Versteinerungen verwandelt werden.

Viele von den, in der im Ganzen formlosen schwarzen Grundmasse eingebetteten, Gehäusen zeigen in ihren Kammerabtheilungen an beiden Flächen der Scheidewände krystallinischen weißen Kalk, und wir erkennen auch hierin ein inneres Leben in der ein weicher Schlamm gewesenen Masse, denn der Krystall ist die Lebensform des Steinreichs, an eben so bestimmte Formgesetze gebunden, wie die hundertfältig gestalteten Blüthen und Blätter der Pflanzen.

Indem wir jetzt das Bild auf diesen Hinweis ansehen, bemerken wir außer den gewundenen Gehäusen auch einige gerade, ebenfalls durch Querscheidewände gegliederte oder gekammerte Gebilde (namentlich eins oben in der rechten Ecke und von da in verschiedener Lage drei andere nach der Mitte hin). Das sind Orthoceratiten, für welche gar keine bekannten Vertreter auf unsere Zeiten gekommen sind, während, wie schon erwähnt wurde, die Kopffüßler mit spiral gewundenem Gehäuse, die Familie der Ammoniten bildend, im Nautilus noch fortleben.

Liegt es nicht nahe genug, nun auch in Gedanken der Geburtsstätte unseres Marmortischchens im Harzgebirge einen Besuch zu machen? Wir müssen aber richtiger sagen Fundstätte, da wir ja bereits wissen, daß der Marmor auf dem tiefen Grunde eines längst nicht mehr vorhandenen Meeres geboren worden ist.

Die Erdgeschichtsforscher – die sich wissenschaftlich vornehm Geologen nennen – haben uns die Beschaffenheit dieser Fundstätte unseres Marmors längst aufgeklärt, so daß wir nicht nöthig haben, darüber nachzusinnen, wie dort die verschiedenartigsten Felsschichten bald oben bald unten, bald in ebener, bald in schräger Lage auf, an und über einander geordnet sind, was uns freilich sehr wenig wie Ordnung aussehen würde.

Wenn wir nach den zahllosen Seethierüberresten in unserem Marmor nicht zweifeln konnten, daß wir in ihm den Bodensatz eines ehemaligen Meeres vor uns haben, so müssen wir uns billig wundern, daß wir im Harz diesen Bodensatz-Marmor nicht in horizontalen Schichten, wie doch jeder Bodensatz sich bildet, finden, sondern daß dort diese Marmorschichten rings um einen im Mittelpunkt liegenden Felsenkern, den der Brocken bildet, schräg angelehnt stehen. Wenn wir durch lange und ausgedehnte Wanderungen durch die Thäler und Höhen des Harzes uns ein Verständniß dieses bunten Durcheinander von verschiedenen Felsarten verschafft haben würden, so würden wir das, was wir dann fänden, nicht besser vergleichen können, als wenn wir uns vorstellten, der Boden eines mit einer dicken Eisdecke bedeckten Teiches habe sich in seinem Mittelpunkte als ein Hügel erhoben, die Eisdecke zertrümmert und dann die Schollen aufgerichtet und an seinen Seiten schräg angelehnt. Im Harzgebirge, was einen Flächenraum von etwa 36 Quadratmeilen einnimmt, muß etwas Aehnliches stattgefunden haben. Entweder der granitne Kern hat langsam von unten emporsteigend jene ursprünglich eben gewesenen Schichten gehoben und zuletzt durchbrochen, oder – eine Ansicht, die jetzt von einer Seite eifrig verfochten wird – die Schichten sind, indem sie sanken, über der Kuppe des unter ihnen feststehenden Kernes geborsten, wie wir diese Erscheinung sehr oft an einer Eisdecke sehen, wenn unter ihr das Wasser fiel und ein großer Stein bis an die Unterseite der Eisdecke reichte. Ueber diesem muß alsdann die sinkende Eisdecke zerbrechen und die Schollen rings um ihn sich geneigt anlehnen.

Das sind nun so einige Gedanken, welche aus dem Marmortischchen von Rübeland heraussprechen. Wer sie nur einigermaßen versteht, kann sich daran nicht langweilen.




Eine Sclaven-Einfuhr auf Cuba.
Bericht von einem Seemanne des Sclavenschiffes.

Wenn man zu Hause in der lieben Heimath, wo man sich zur Noth doch immer noch ein paar Groschen oder die zum Leben nöthigsten Dinge borgen kann, kein Geld hat, ist man nach Goethe und unzähligen andern Autoritäten schon halb krank. „Gesunder Mensch ohne Geld ist halb krank.“ Wie aber erst in der Fremde? Geldlos in London oder New-York und fremd? Fremd und ohne Geld in einer modernen großen Weltstadt ist der Mensch zu Allem fähig. Kreuzigt ihn, steinigt ihn, Ihr, die Ihr ruhig und mit polizeilich geschützter, regelmäßiger Einnahme zu Hause vegetirt und philistrirt, aber hört einen dieser Unglücklichen an, der blos aus Mangel an Geld Sclavenhändler in New-York ward. Wir erfahren doch auf diese Weise ganz haarklein, wie’s auf einem solchen Sclavenschiffe hergeht und „wie’s gemacht wird“.

Ich saß an einem trüben Aprilmorgen des vorigen Jahres voller Gedanken, wie ich’s künftig machen solle, um weiter zu leben, in einem Logirhause New-Yorks. Mein Geld vom letzten Schiffe – denn ich bin Seemann – war bis auf die letzte Neige zusammengeschmolzen. Da klopfte es an die Thür, und herein trat mein Wirth mit einem Fremden, der mich zu sprechen wünschte und mit welchem ich allein blieb. Ein Mann von mittlerer Größe

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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 326. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_326.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)