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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

nur eine Probe. Der Rittergutsbesitzer von Kitscher ließ auf dem Dorfplatze ein neues Gefängniß anlegen, das Volk nannte es Hundeloch, die Gebildeten Gehorsam. Dinter begegnete dem Sohne des schon früher erwähnten Schuhmachers Zahn und fragte ihn rasch: „Jahn, was bauen sie hier?“ „Das vierte Stück der Buße.“ Dinter: „Junge, wie meinst Du das?“ „Herr Pastor, Sie sagten ja in der Schule, zur Buße gehören vier Stücke: Erkenntniß, Reue, Glaube und neuer Gehorsam. Das ist der neue Gehorsam.“ Solche Freiheit bildete ihm entschlossene Menschen.

Einer seiner liebsten Schüler war im Begriff, ein braves, liebes Mädchen zu heirathen, deren Eltern im Rufe der Unehrlichkeit standen. Dinter begegnet dem Bräutigam, ergreift ihn bei der Hand, sieht ihm scharf in’s Gesicht und spricht: „Lieber Sohn, was höre ich von Dir, hast Du Gefahr und Kraft erwogen?“ Er verstand den väterlichen Freund und sprach: „Herr Pastor, verlassen Sie Sich auf mich!“ „Wohl, ich rechne auf Dich.“ Dinter traut das junge Paar, ist beim Hochzeitschmauße, es geschieht nichts Ungewöhnliches. Am andern Morgen, da man eben die Ueberreste des vorigen Tags verzehrt, tritt sein Schüler auf und spricht: „Ich bin nun Euer Schwiegersohn, und werde Euch ehren, wie man Schwiegereltern ehren muß. Aber das sage ich Euch kurz und gut: bringet Ihr mir einen gestohlenen Groschen in’s Haus, so jage ich Euch zum Hause hinaus und lasse Euch, so lange ich lebe, nicht wieder herein.“ Die Eltern erschraken und versprachen nie mehr zu stehlen. Sie hielten Wort. – Dabei verstand der umsichtige Erzieher den Bauern gelegentlich die Frucht seines Wirkens zu zeigen, um sie zu neuen Opfern zu gewinnen.

Das Denken hätte seine Schulen weniger in Ruf gebracht, der Bauer fühlt dies weniger, aber das Rechnen that’s. Ein junger Bauer löste bei Uebernahme des väterlichen Gutes eine Rechenaufgabe im Kopfe, welche der Gerichtsverwalter und zwei Advocaten auf dem Papiere falsch gerechnet hatten. Das machte Aufsehen, und die Bauern schämten sich, eine solche Schule schlecht zu besuchen. „Mein Junge muß fleißig in die Schule gehen,“ erklärte ihm ein reicher Bauer, „ich werde es ja nicht leiden, daß der Bettelmannsjunge mehr lernt, als meiner.“ Die Bauerkinder machten durch ihre Aufführung Dinter alle Ehre. Was Rochow von sich sagt, als er von dem Rekahn’schen Schulwesen Abschied nahm, daß aus seiner Schule ordentliche Hausväter, treue Unterthanen, gute Menschen hervorgegangen seien, das konnte Dinter auch von seinen Schülern sagen. Dieselben waren gewöhnt, Predigten nachzuschreiben, den Religions-Unterricht als Freund ihres Lebens zu betrachten, ihn zu verstehen, zu empfinden, am Verstehen und Empfinden ihre Freude zu haben. Und die Folge? Sie kamen gern in die Kirche, in die öffentlichen sonntäglichen Kirchenexamina und bestätigten Dinters pädagogischen, freilich zu oft völlig mißachteten Grundsatz: der bloße Lerner (Gedächtnißmensch) geht von Jahr zu Jahr zurück; die gebildete Kraft kommt auch nach vollendeter Schulzeit von Jahr zu Jahr weiter, sie ist ein Magnet, der desto mehr anzieht, je mehr er geübt wird. Dinter hat nie den Unterricht über Oekonomie in den Schulen eingeführt, und doch sind tüchtige Landwirthe aus seinen Anstalten hervorgegangen. Er lebte des Glaubens: „Lehret den künftigen Bauer denken, und entfesselt ihn von der Anhänglichkeit an das Alte, so wird er die gebildete Kraft auch in den Geschäften anwenden, wo es auf Broderwerb ankommt. Schleifet nur das Messer, dann wird es auch Brod schneiden.“ Daß aber über der Verstandesbildung die des Gemüthes nicht unbeachtet blieb, weiß Jeder, welcher Blicke in Dinters Wirkungskreis gethan oder seine Schriften studirt hat. Hier nur ein Beispiel: Ein vater- und mutterloser Dorfknabe war confirmirt worden und schrieb in das ihm von Dinter zum Eintragen eines Gedankens übergebene Stammbuch: „Vater und Mutter verlassen mich, aber der Herr nimmt mich auf!“ Und da er dies geschrieben, fiel er dem väterlichen Freunde und Lehrer um den Hals und rief weinend: „Und der Herr Pastor, mein zweiter Vater, verläßt mich auch nicht.“ Licht und Wärme haben in der Erziehung gleiche Berechtigung, keines darf allein gepflegt werden!

(Schluß folgt.)




Blätter und Blüthen.


Giftige Farben. Daß unter den als Farben dienenden Stoffen manche giftige sich befinden, ist längst bekannt. Jede Mutter warnt ihr Kind, die buntbemalten Spielsachen, die Farbtäfelchen der Malkästen nicht in den Mund zu nehmen. Zu den längst als giftig bekannten Kupferfarben, als: Grünspan, Braunschweiger Grün, Bremer Grün etc., sind aber in neuerer Zeit arsenikhaltige so giftige Farben gekommen, daß im Verhältniß zu ihnen die erstgenannten Farben als unschuldig bezeichnet werden könnten. Die gefährlichste dieser Farben ist das durch seine Schönheit ausgezeichnete, von Sattler in Schweinfurt erfundene, sogenannte Schweinfurter Grün. Es übertrifft an Glanz und Feuer alle anderen grünen Farben und hat besonders den Vorzug, daß es auch bei künstlichem Lichte glänzend grün, beinahe schöner als am Tage erscheint. Es ist aber diese Farbe eins der gefährlichsten Gifte, welches 58 Procent weißes Arsenik, außerdem Kupferoxyd und Essigsäure enthält. Längere Zeit hat man diese Giftfarbe zur Färbung von Tapeten, Fensterrouleaux etc., ja sogar in einzelnen Fällen zum Bemalen von Kinderspielzeug und Conditorwaaren benutzt, bis die Behörden gegen solche Verwendungen einschritten. Tapeten mit Schweinfurter Grün gefärbt können auf doppelte Weise die Luft der Räume verderben. Einmal geben sie, besonders beim Abkehren und Abreiben, eben so wie die Rouleaux beim Aufziehen und Niederlassen, einen giftigen Staub, und sodann können sie in feuchten Räumen bei der langsamen Fäulniß des Leimes und Papieres Veranlassung zur Bildung arsenikhaltiger giftiger Gase geben. Was jenen Staub anbetrifft, so haben Tapezierer und Buchbinder, welche letzteren das Schweinfurter Grün zum Färben grüner Bücherschnitte zu benutzen pflegten, oft genug die schädlichen Wirkungen desselben erfahren. Er erzeugt Hautausschläge, Entzündung der Augen, des Schlundes etc. Seit die Behörden das Schweinfurter Grün mit allem Rechte zu vielen Anwendungen verboten haben und seine giftigen Eigenschaften bekannter geworden sind, hat aber keineswegs der Verbrauch desselben abgenommen. Im Gegentheil, die Fabrikation blüht nach wie vor. Wo das Schweinfurter Grün unter diesem Namen nicht auftreten durfte, da erschien es wieder unter dem Namen: Mitisgrün, Kaisergrün, Englisch Grün, Schwedisch Grün, Papagaygrün, Neuwieder Grün, Leipziger Grün, Brixner Grün und vielleicht noch unter anderen Bezeichnungen. Besonders spielt es in der neuesten Zeit eine Rolle auf Bällen, indem man es zum Färben von künstlichen Blättern zu Ballschmuck und zu Ballkleidern wegen seiner schönen Wirkung bei Abende benutzt. Nur arge Unwissenheit in Bezug auf die Natur der Farben oder Gewissenlosigkeit der Fabrikanten hat die abscheuliche Erfindung dieser Giftkleider machen können, welche die Luft bei jeder Bewegung mit Giftstaub erfüllen müssen.

In Leipzig sind neulich Ballkleiderstoffe, sogenannte Tarlatanes, untersucht und in Folge des Ergebnisses von der Behörde mit Beschlag belegt worden, welche zur Hälfte ihres Gewichtes aus Schweinfurter Grün bestanden. Die giftige Farbe haftete dem Zeuge so lose an, daß sie schon beim Reiben, besonders beim Zerreißen des Stoffes abstäubte und durch Waschen mit kaltem Wasser sich abspülen ließ. Sie war nur mit etwas Kleister auf das Zeug befestigt. Die Elle dieser Giftkleider wog zwanzig Grammen und gab zehn Grammen Schweinfurter Grün. Jede Elle enthält also zwei Drittel Loth des Giftes, und eine mit diesem verderblichen Stoffe bekleidete Balldame trägt, zufolge der Dimensionen eines heutigen Ballkleides, mindestens sechs Loth des gefährlichsten Giftes auf ihrem Körper, von welchem sie einen nicht unbeträchtlichen Theil in die Luft des Saales an einem Ballabende verstreut. Daß der Verfertiger oder die Verfertigerin des Kleides zuvor schon einen Theil des Giftes haben schlucken müssen, liegt auf der Hand. – Außer den grünen gibt es übrigens auch rothe arsenikhaltige Malerfarben, namentlich ein von den Zimmermalern benutztes sogenanntes Cochenilleroth, welches wesentlich arseniksaure Thonerde enthält. So drängen sich von allen Seiten Gift und Krankheit unter glänzender Hülle an den Menschen!

E.


Die Schillerstiftung nimmt immer größere Dimensionen an. Nicht nur, daß beim Vorstand wöchentlich und oft nicht unbedeutende Waarensendungen einlaufen, die Lotterie zu Gunsten der Stiftung findet auch immer mehr Anklang und Absatz. Augenblicklich sind bereits 183,000 Loose verkauft, und noch täglich laufen Bestellungen, namentlich aus Oesterreich und Amerika, ein. Sehr unterstützt wird der edle Zweck der Lotterie durch die wahrhaft prachtvollen Geschenke, welche von nah und fern, besonders von deutschen Frauen einlaufen. Dadurch wird auch der Vorstand wieder in den Stand gesetzt, bedeutende Mittel auf die Hauptgewinne zu verwenden, und die Ausloosung dürfte etwas anständiger ausfallen, als die mit großem Pomp ausposaunte deutsch-österreichische Lotterie für verwundete Krieger.

Als Hauptgewinne bezeichnet man bereits: Eine Brosche mit vielen Brillanten und einer Haarlocke von Schiller – das bereits öfters erwähnte Gartenhaus mit Garten in Eisenach – das von dem Vorstand angekaufte, bei Freiburg an der Unstrut reizend gelegene Haus des Turnvaters Jahn – 200 Stück goldene Herren- und Damen-Uhren – – sechs prachtvolle Flügel – Gemälde tüchtiger Meister etc. etc.




In Sachen Vogels. Auf unsere „Mahnung an die Deutschen“ in Nr. 4 unseres Blattes sind uns von allen Seiten Zuschriften, Anfragen und Gelder zugegangen. Indem wir untenstehend den Empfang der Gelder vorläufig quittiren, bemerken wir noch, daß in einer der nächsten Nummern Weiteres über den Stand dieser Angelegenheit mitgetheilt werden wird.

Eingänge: 15 Thlr. 18 Ngr. Sammlung der Winter-Schützengesellschaft in Reinhardtsbrunn, durch Hrn. Bürgermeister Albrecht in Waltershausen. – C. A. S. (mit Postzeichen Schrimm) 10 Thlr. und weitere 10 Thlr. für die Schillerstiftung. – C. H. Dietz in Leipzig 3 Thlr. – v. L. in Dessau 1 Thlr. – 50 Thlr. Verlagsbuchhandlung der Gartenlaube, sobald die Expedition zu Stande kommt. – Alfred 1 Thlr. – Aarland in Leipzig 2 Thlr.

Redaction und Verlagshandlung der Gartenlaube.



Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 128. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_128.jpg&oldid=- (Version vom 21.8.2021)