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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

Brücken und Dämme, daß das ganze Fuhrwerk in dem hochaufspritzenden Kothe wie in einer großen gewaltigen Wolke verschwindet, bis man denn endlich nach einer Viertelstunde, während der man alle nur erdenklichen Anstrengungen gemacht hat, um durch Veränderung des Schwerpunktes nur einigermaßen das Gleichgewicht des ganzen Gefährtes aufrecht zu erhalten, an allen Gliedern verrenkt und zerbrochen, an dem gewünschten Ziele ankommt. – Man springt mit einem verzweifelten Satze von diesem Marterkasten, der nicht übel Lust zu haben scheint, durch diese brüske Bewegung vollkommen aus dem Gleichgewicht gebracht, einem auf der Ferse nachzustürzen, bezahlt den holdselig lächelnden Kutscher und schwört einen furchtbaren Eid, sich nicht wieder auf eine ähnliche Höllenfahrt einzulassen, was nicht verhindert, daß man, die Unmöglichkeit zu Fuße nach Hause zu kommen einsehend, nach einer halben Stunde einer ähnlichen Procedur unterworfen wird.

Petersburger Droschke.

Laternen hat natürlich ein solches Fuhrwerk nicht; wo sollte auch der Platz herkommen? Der Fuhrmann mußte sie denn nach Art der Bergknappen auf seinem Hute tragen, wie er ja schon genöthigt ist, die Nummer, da man dieselbe doch füglich nicht auf die Räder oder das Sitzbret malen kann, vermittelst eines großen Blechschildes auf seinem Rücken zu befestigen. Um das Blechschild zu ersparen, lassen sich Einige dieselbe auf den Schafpelz malen. – Dies die Petersburger Droschke. Wäre ich Hauptagent einer Lebensversicherungs-Gesellschaft, so würde ich dem Paragraphen des „gewaltsamen Todes“ den hinzufügen, daß die Police, fände Inhaber derselben den Tod auf einer „Petersburger Droschke“, nicht bezahlt würde.

Ich bin fest überzeugt, wäre der Acheren kein Fluß, sondern eine Straße gewesen, so würde sich Meister Charon anstatt seines gebrechlichen Nachens eines ähnlichen Gefährtes bedient haben, um die Schatten in die Unterwelt zu befördern, und wer weiß, wie Viele alsdann bei dem einstigen Appell fehlen würden!




Die gefährliche Nonne.
Von F. J.

Wenn es etwa funfzig Jahre früher wäre, die Zeit, wo die Kramer, Spieß und Genossen die Lesewelt mit ihren schaurigen Räuber-, Ritter- und Geisterromanen entzückten, wie könnte ich mir dann gratuliren, obigen Titel erfunden und den nachfolgenden Zeilen vorgesetzt zu haben! Die Zahl Derer, welche nach diesem Blatte gegriffen, um mit gierigem Leseverlangen den erhofften „Roman“ so bald und so schnell als möglich in sich aufzunehmen, wäre Legion gewesen! Ebenso gewiß ist es aber auch, daß die große Mehrzahl diesen Bogen enttäuscht, wo nicht verächtlich, wieder bei Seite geschoben hätte, sobald sie erst den wahren Inhalt, der allerdings nichts weniger als romanhaft ist, erkannte. Heutzutage kann das nur umgekehrt sein. Mancher Leser der Gartenlaube wird die Ueberschrift mit heimlichen Bedauern betrachten. Kommt er aber zum Kerne, so wird er sich gewiß freuen und der ihm mehr oder weniger neuen Schilderung das Interesse abgewinnen, welches sie in Anspruch nehmen darf, vorausgesetzt, daß der Erzähler nicht à la Mephisto „den Geist herausgetrieben hat“, wie er es doch nicht hofft und nicht glaubt.

Unsere „gefährliche Nonne“ hat noch verschiedene andere Namen. Der in der wissenschaftlichen Welt gebräuchlichste rührt von dem Altvater Linné her, und lautet Phalaena Bombyx Monacha. Mit diesem wollen wir uns begnügen, da er einem Jeden, der sich mit Naturwissenschaften beschäftigte, bekannt sein dürfte. Der Entomologe weiß, daß die Nonne ein Insect ist, welches zu den Schmetterlingen gehört, die Linné zu den Nachtfaltern und den Spinnern rechnet. Der Name Nonne oder Monacha rührt jedenfalls von der eigenthümlichen, weiß und schwarzen Zeichnung der Flügeldecken des Schmetterlings her. Wir nannten das Insect die verderbliche Nonne, weil dasselbe noch ganz neuerdings in dem kurzen Zeitraume von drei Jahren dem Staate und Privatpersonen einen Schaden zugefügt hat, der nicht nach Hunderttausenden, – der nach Millionen zu berechnen ist!

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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 56. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_056.jpg&oldid=- (Version vom 14.2.2021)