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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

„Wie schade!“ rief Rosaura. „Wer weiß, wie lange ich nun auf die versprochenen Ohrgehänge noch werde warten müssen!“

„Du mußt die unheimlichen Kobolde in dem Palast der namenlosen Fürstenfamilie für dieses schreckliche Unglück verantwortlich machen,“ sagte scherzend Aurelio. „Wer darf wagen, Juwelen einzuhandeln, zu tauschen, wenn vielleicht geraubte Steine bereits vielfach in Umlauf gesetzt worden sind? Zum Glück haben wir nicht so große Eile, und wenn wir unter Freunden weilen, die es nicht gar zu genau nehmen, kannst Du Dir ja allenfalls mit dem alten Schmucke helfen. Er kleidet Dich so ehrwürdig, daß man Dich für eine Burgherrin alten Styls halten und bewundernd nicht die Schale, sondern den Kern betrachten wird, der Dir diese Würde verleiht.“

Rosaura nahm den Scherz des geliebten Gatten zwar für das, was er sein sollte, ganz zufrieden aber war sie doch nicht damit. Auch wollte ihr die Weigerung Aurelio’s, gegen alte Steine neue, modern geformte einzutauschen, doch gar zu vorsichtig erscheinen. Ein Mann von dem Range, der Stellung und dem Vermögen Weckhausen’s, meinte die junge Frau, könne ungefährdet einen solchen Handel abschließen. Im Stillen ein wenig, aber unbemerkt schmollend, nahm sich Rosaura vor, mit Bitten nicht eher nachzulassen, bis Aurelio seine Bedenken überwinden und seinen Vorsatz doch noch zur Ausführung bringen würde.



Nach einigen Tagen ward die von Domcapitular Rütersen erwähnte Bekanntmachung wirklich veröffentlicht. Das Aufsehen, welches dieselbe hervorrief, war allgemein und verbreitete sich wie ein Lauffeuer durch alle Schichten des Volkes. Ein großer Theil des Publicums konnte natürlich nur momentan davon berührt und wohl auch angeregt werden, da die Gegenstände, um deren Verschwinden es sich handelte, dem eigentlichen Volke gar zu unerreichbar waren. Nur für die Elite der Gesellschaft und für jene zweideutigen Zwitterpersonen, die bald vom Glück, das ein günstiger Zufall ihnen entgegenbringt, bald vom Schwindel leben, hatte der eigenthümliche Fall ein höheres und bleibendes Interesse. Was die Juweliere davon hielten und wie die Instructionen lauteten, die man diesen wichtigen Leuten gegeben hatte, blieb begreiflicherweise Allen ein Geheimniß.

Aurelio von Weckhausen lachte, so oft man der Angelegenheit erwähnte. Er behauptete, seine Annahme werde sich als richtig erweisen und der Verdacht der Entwendung dieser Schätze auf den unerreichbaren Kobolden, die ja gewissermaßen mit zur Familie des fürstlichen Hauses, wie das häufig vorkomme, gehören könnten, sitzen bleiben. Die Hartnäckigkeit, mit welcher der Graf diese muntere Ansicht fest hielt und immer von Neuem wieder vertheidigte, hätte beinahe eine Spannung zwischen ihm und dem Domcapitular herbeigeführt. Letzterer glaubte wohl an Wunder göttlichen Ursprungs, Alles aber, was mehr den Charakter geisterhaften Spukes an sich trug, war ihm von Grund der Seele verhaßt. Deshalb wollte er es nicht einmal haben, daß Jemand von Volksaberglauben sprach oder sich gar mit einer gewissen Vorliebe diesem zuwandte.

„Es ist seltsam, lieber Graf,“ sprach er eines Tages, als das Gespräch zufällig wieder auf diesen Vorfall kam, „daß Sie als besonnener, praktischer und klar denkender Mann von Geist sich an – erlauben Sie mir den etwas stark klingenden Ausdruck – an solche Narrenspossen festklammem!“

„Haben Sie die Güte, verehrter Herr Oheim,“ versetzte Aurelio in bester Laune, „mir eine natürliche Erklärung des Vorfalles zu geben, und ich werde Ihnen mit Freuden beibringen.“

„Halten Sie das für so unmöglich?“

„Allerdings, denn bis jetzt hat es ja noch Niemand gelingen wollen, das unbegreifliche Geheimniß aufzuklären.“

„Sagen Sie lieber, es hat noch Keiner den Muth gehabt, seine wahre Meinung darüber mit dürren Worten auszusprechen!“

„Aus Furcht etwa, compromittirt zu werden, oder aus sonstigen Rücksichten?“

„Aus Vorsicht, dünkt mich.“

„Sollten auch Sie diesen Muth nicht haben?“

„Unter vier Augen gewiß, vor der Welt nie!“

„O dann bitte ich dringend, Herr Oheim, was denken Sie von der Sache?“

(Fortsetzung folgt.)




Prairie- und Waldbrände.[1]

Wir hatten endlich wieder einmal Trinkwasser entdeckt oder, um genauer zu sein und uns nicht mit fremden Lorbeeren zu schmücken, unsere Maulesel, besonders aber unsere Ochsen, hatten es gerochen und waren mit schnaubender Wuth unaufhaltsam und mit hoch empor starrenden Schweifen darauf zugestürzt, um sich und uns einmal wieder gründlich zu erlaben. Der Pecos-, Puerco- oder Schweinefluß, den wir verfolgt hatten, um womöglich dessen Mündung in den Rio grande oder großen Fluß zu erreichen, war schlimmer, als Meerwasser mit seinem stinkend-salzig-lehmigen Inhalte. Wir saßen also an der Quelle, füllten unsere Fässer und sprachen und rauchten und hörten der vielleicht tausendsten Wundermähr unseres Indianers Hicks zu. Hicks war kein Indianer von Geburt, sondern nur in Lebensweise, Gesinnung, Sehnigkeit, Kleidung und Erscheinung jeder Zoll ein Indianer, wie sie sich auf den ungeheuren Ausdehnungen der noch unsicheren amerikanisch-mexikanischen Grenzen (die wir untersuchen sollten) in verschiedenen Stämmen umhertreiben. Hicks war ein echter Jankee von Geburt und brachte so die Intelligenz und Schlauheit des Weißen als Grundcapital zu den Schätzen seiner Indianer-Tugenden. Tausende von Amerikanern führen als Pioniere auf den Grenzen zwischen Wildniß und Civilisation, als Wild- und Rauchwaaren-Fänger, als erste Colonisten in Wäldern und Ebenen, auf welche die amerikanische Civilisation mit Eisenbahnschnelligkeit zueilt, ein Leben wie Hicks und verindianern halb, indem sie die weiße Civilisation vorbahnen. Sie verindianern durch Klima und Lebensweise so sehr, daß nicht nur ihre Gesichtsfarbe sich indianisch bräunt, sondern auch ihre Gesichtszüge, besonders die Profile, sich binnen acht bis zehn Jahren ganz so schärfen und zuspitzen, wie die der Indianer. Die Stirn tritt zurück, Nase und Lippen springen scharf hervor, das Auge wird stechend, das Haar fließt schwarz und wild. Der indianische Anzug findet sich von selbst in Regionen, wo Schneider und Modejournale unbekannt sind und das Fell des erbeuteten Thieres bald Rock und Weste, bald Beinkleider, Schuhe und Strümpfe ersetzen muß.

Hicks war ein vollkommner Indianer und konnte mit einem Beine reiten, während der Körper an der Seite und dem Halse des Pferdes herunterhing, und unter dem Halse des Thieres hinweg dem Feinde auf der anderen Seite eine sichere Kugel oder den Pfeil in die Brust jagen. So war unser alter Hicks mit einem so braunen, runzeligen, zerfalteten Gesicht, wie wir in den vertrocknetsten Backbirnen nicht finden würden.

Hicks war von dem Anführer unserer Expedition als eine Art Factotum von Diener und Plackholz mitgenommen worden und in jeder großen, plötzlichen Gefahr, in jedem Gefecht mit Indianern unser absoluter Dictator gewesen, dem Niemand ein Haar breit ungehorsam zu sein wagte. Jedesmal, nachdem er, so zu sagen, das Vaterland gerettet, legte er (was sich alle Diktatoren zum Muster nehmen sollten) seine Würde eben so unmerklich und bescheiden nieder, wie er sie genommen, und machte sich sofort wieder dienerhaft nach allen Seiten nützlich. Dies muß der Leser wissen, damit ihn dessen plötzliche Oberherrschaft nicht überrasche. Hicks erzählte und rauchte mit uns an der Quelle. Im Osten erhob sich ein unbedeutendes Felsen-Conglomerat, nicht hoch und nicht ausgedehnt, aber just hinreichend, uns nach des Tages Hitze gegen den durchdringend kalten Nachtwind zu schützen. Rings um die grüne Quelle rauschte weißgraues, mannshohes, ausgedörrtes mexikanisches Prairiegras, vielleicht Hunderte von geographischen Meilen weit, da wir den ganzen Tag von keiner Anhöhe mit den besten Gläsern


  1. Aus den Mittheilungen eines deutschen Arztes.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 712. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_712.jpg&oldid=- (Version vom 27.11.2023)