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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

wichtig geworden: der Grundton, die Quinte und die Quarte. Ebenso wichtig sind uns die auf diesen drei Tönen errichteten Dreiklänge: der tonische, der Dominant- und der Unterdominant-Dreiklang genannt.

Ebenso können Sie auf allen andern Stufen Dreiklänge aus den Tönen der Tonleiter errichten, und diese Accorde heißen alsdann leitereigene Dreiklänge. So also z. B. in C-dur:

g a h c d e f
e f g a h c d
c d e f g a h

Die 1., 4. und 5. Stufe trägt Durdreiklänge, die 2., 3. und 6. Molldreiklänge, die 7. dagegen einen verminderten Dreiklang. Ebenso kann man auch jedem dieser Dreiklänge eine leitereigene Septime hinzufügen.

Diese Accorde kann man nun miteinander verbinden, ohne die Tonart zu verlassen. Der Dominantaccord macht stets, direct oder indirect mit dem tonischen Dreiklang verbunden, den Schluß, weil seine Terz der Leiteton ist. Tritt nun der Dominantaccord einer fremden Tonart mit seiner der vorherigen Tonart fremden Vorzeichnung vor seiner Terz auf (z. B. d-fis-a), so führt er in diejenige Tonart, deren Leiteton seine Terz ist (fis ist Leiteton von g, also nach g-dur oder Moll). –

Der Rhythmus ist die Gliederung des Zeitinhaltes eines Tonwerkes. Unsere bisher ohne Theilung, so zu sagen anfang- und endlos hinströmende Reihe melodisch und harmonisch verbundener Töne sondert und gliedert der Rhythmus nun in bestimmte Sätze, in geordnet zusammengefaßte Gedanken, deren jeder als seinem Inhalt nach durch Anfang und Ende faßlich begrenzter Zeitraum für sich, als Satz, Periode oder Satzgruppe im Ganzen des Tonstückes und als Theil desselben ähnlich dasteht, wie Satz, Periode und Satzgruppe in der Rede.

Der Rhythmus ist der selbstständigste unserer drei Factoren. Man könnte sich keine Melodie ohne Harmonie denken, ebensowenig das umgekehrte Verhältniß – viel eher kann man sich einen Rhythmus von beiden abgelöst, für sich allein denken. Als das am leichtesten verständliche und faßliche der musikalischen Ausdrucksmittel, erscheint er auch als das selbst dem weniger gebildeten Menschen am leichtesten erkennbare Analogen unserer Gemüthsbewegungen. Er verleiht der Verbindung von Melodie und Harmonie erst recht eigentlich den charakteristischen Ausdruck; durch seine beharrende oder wechselnde, dem Gange des zu schildernden Gefühls analoge Bewegung macht er die Melodie oder den Tonsatz zu einem Spiegelbild des inneren Seelenlebens.

Ebenso, wie zur Melodie ein Wechsel von Höhe und Tiefe, zu der Harmonie ein Wechsel der Vereinigung erforderlich ist, ebenso gehört zum Rhythmus eine Mannichfaltigkeit in der Bewegung. Ganz gleichmäßig, sowohl in Betreff der Zeit als auch der Stärke, aufeinanderfolgende Schläge bieten gar keine Veranlassung zu einer Gliederung. Man kann das angenommen ganz gleichmäßige Pendelschlagen einer Uhr zu keinem rhythmischen Gedanken zusammenfassen, denn es fehlt jeder Moment, der sich auf Grund einer deutlich hervortretenden Gliederung oder Betonung als Anfang oder Ende eines rhythmischen Gebildes kundgeben könnte.

Anders wird es schon, wenn der erste von zweien oder dreien dieser Pendelschläge stärker betont wird, wenn ein Accent darauf ruht. So finden wir in unserer einfachen Choralmelodie, welche sich in ganz gleichen halben oder Viertelnoten bewegt, außer den die Sätze abtheilenden Fermaten nur den Rhythmus des Accents: ´– – | ´– – | ´– – | u. s. w.

Setzen Sie statt dieses Wechsels von stark und schwach den von lang und kurz, also – υ | – υ | – υ |, so erhält der Rhythmus, da der Accent nichtsdestoweniger nicht ausbleibt, schon ein beliebteres rhythmisches Bild.

Der musikalische Rhythmus ist nun einer unendlich reichen Gliederung fähig, deren Grundlage allerdings immer der Wechsel von langen und kurzen, betonten und accentlosen Noten sein wird. Ebensowenig, wie bei einem völligen Mangel an Abwechselung, können wir von Rhythmus sprechen, wenn diese Verschiedenheit zwar vorhanden ist, aber ohne alle gleichmäßige Wiederkehr. Also eine Regelmäßigkeit in der Verschiedenheit, eine Wiederkehr in der Abwechselung ist die Bedingung des Rhythmus.

Diese Regelmäßigkeit ist der Takt (in der Poesie das Metrum), die Zusammenfassung der ungleichartigen rhythmischen Momente in stets wiederkehrende gleiche Summen. Die gesammte, mannichfach wechselvolle Bewegung einer Melodie, so zu sagen ihre Physiognomie der Bewegung in der Zeit, ist der Rhythmus – das Maß, nach welchem die Verschiedenheit der Bewegung in einer Tonreihe zu gleiche Summen enthaltenden Zeitabschnitten sich zusammenaddirt, ist der Takt.

Kann man die Inhaltssumme des Taktes durch fortgesetzte Halbirung ohne Brüche in stets gleiche Theile zerlegen, so ist es eine gerade Taktart, der 4/4 Takt (der 2/4, 4/8 Takt sind nur Unterarten); gibt die Halbirung dagegen einen Bruch, so ist es eine ungerade Taktart, 3/4 Takt. Die einzelnen Theile des Taktes können Sie nun in kleinere zerlegen oder zu größeren zusammenziehen, ohne dadurch die Zeitdauer des Taktes zu verändern. So kann z. B. der 3/4 Takt in 12/16 sich auflösen oder zu einer halben Note und einem Viertel sich zusammenziehen – der Zeitinhalt des Taktes wird dadurch nicht verändert, nur seine rhythmische Gestalt.

Das erste Theilungsglied des Taktes trifft der Accent, die natürliche metrische Betonung; es wird der gute Takttheil genannt.

Alle Rhythmen im Tonstück, die großen rhythmischen Perioden und die kleinen rhythmischen Bilder oder Motive, ebenso auch der Takt bewegen sich nun auf einem in völliger Gleichmäßigkeit seines fortströmenden Flusses beharrenden Hintergründe. Dieser ist das Tempo, das allgemeine Zeitmaß, der Grad der Geschwindigkeit oder Langsamkeit der Bewegung des ganzen Tonsatzes. Das Tempo des Musikstückes strömt in unablässiger Gleichmäßigkeit vorwärts, während mannichfache, ihrem speciellen Zeitwerth nach verschiedene Gliederungen des gesammten Zeitinhaltes, die einzelnen Rhythmen, auf und niedertauchen, und der Takt diese Mannichfaltigkeit der einzelnen Rhythmen in Zeitabschnitte von gleicher Inhaltssumme zusammenfaßt.

Im nächsten Briefe[WS 1] wollen wir die ersten Gedankenbildungen, die Entwicklung des Motivs zum Satz und zur Periode betrachten. Manches Einzelne wird alsdann noch klarer werden.




Garnison- und Parade-Bilder.
Nr. 3. Ein Tag bei dem „Alten“.[1]

Die zweite reitende Batterie der X. Artillerie-Brigade cantonirte bei W. in magern Quartieren, die aber das Angenehme hatten, daß sie der Haide nahe lagen, auf welcher der genannte Truppenkörper die jährlichen Schießübungen abhielt. Die diesjährige war vor drei Tagen mit einer allgemeinen Besichtigung eröffnet, der sich durch beinahe vier Wochen das lehrreiche Instructionsschießen oder das Exerciren in größeren Abtheilungen in angenehmer Abwechselung anschließen sollte.

Die Mannschaft der bezeichneten Batterie war zum Appell zusammengetreten und erwartete die dienstlichen Anordnungen für den nächsten Tag. Der Batterie-Chef, Hauptmann v. R., erschien vor der Front, wo er von den Officieren empfangen wurde.

„Zur Parol!“ commandirte er kurz. Die Avancirten schwenkten zum Kreise um die Officiere. „Lesen Sie den Brigadebefehl, Wachtmeister!“ Dieser schlug das gefürchtete Befehlsbuch auf und las:

„Die zweite reitende Batterie stellt für den morgenden Schießtag einen gewandten und intelligenten Avancirten, der befähigt ist, meine Befehle richtig aufzufassen und genau wiederzugeben. Derselbe hat sich im ordonnanzmäßigen Anzüge, früh 6 Uhr, bei mir

  1. Wir geben in obiger Skizze die Erinnerung eines älteren Militairs, die neben der frischen Darstellung zugleich das Verdienst der strengsten Wahrheit für sich hat. Sie bezieht sich auf den bekannten Artillerie-Oberst von Tuchsen, den Hackländer in seinem Erstlingswerke: „der Soldat im Frieden“, mit talentvoller Feder, aber nicht ganz treu geschildert hat.
    D. Redact.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Weitere Briefe sind nicht erschienen.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 653. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_653.jpg&oldid=- (Version vom 20.11.2023)