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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

daran hängt, was unklar und geradezu aus der Luft gegriffen ist, so ist doch damit eine entscheidende Wahrheit gesagt, daß einem einfachen dürren Holzreis, wie die Wünschelruthe ist, keine bewegende Kraft innewohnen könne, die durch Metallausdünstungen, oder gar durch einen geistigen Rapport erregt würde, sondern vielmehr, daß die Ursache der Bewegung der Wünschelruthe im Menschen, der sie in den Händen hält, liegen müsse. Es ist in der That nicht anders. Wir brauchen wohl kaum zu erwähnen, daß es mit den Anziehungen, die Metalle auf die Ruthe ausüben sollen, nichts ist; die Vorstellungen kleiner Geisterchen, welche die Erscheinungen hervorbrächten, müssen wir ebenso unbefriedigt weglegen, und die Annahme einer noch unentdeckten Naturkraft ist ebenso unzulässig, da uns diese Kraft in keiner Weise Stand hält, wo es sich um ein Messen derselben oder um eine Untersuchung ihrer charakteristischen Eigenschaften handelt.

Wir haben es bei der Wünschelruthe genau mit derselben Kraft zu thun, die den Tisch in drehende Bewegung versetzt, die den Ring, welchen man an ein Haar gebunden in ein Glas hält, durch sein Anschlagen an die Wände des Glases die Gedanken entfernter Personen verkünden läßt. Es ist, was man gewöhnlich die Muskelkraft nennt. Durch die ununterbrochene Aufmerksamkeit nämlich, welche die Seele dem so geheimnißvollen Experimente zuwendet, wird das Maß der Kraft, die die Anspannung der Muskeln bewirkt, welche sich in einem Druck nach Außen zu erkennen gibt, nicht gehörig controlirt und ohne daß man will und weiß ein Spiel hervorgerufen, das sich in einem fortwährenden Anspannen und Erschlaffen der Muskeln in rascher Aufeinanderfolge zu erkennen gibt. Es sind dies freilich so geringe Unterschiede in der Muskelthätigkeit, daß man die einzelne Aeußerung derselben nicht zu erkennen vermag, allein da sie immer in derselben Art wirken, also das Haar, welches den Ring trägt, immer in derselben Richtung hin in zitternde Bewegung versetzen, werden sie sich endlich zu einer Summe vereinigen, die einen sehr merklichen Effect hervorbringt, genau wie die Glocken, die das schwache Kind läuten kann. Der Ring schlägt an die Wände des Glases an, der Tisch dreht sich, die Wünschelruthe antwortet durch ihre Bewegungen den Fragen des Bergmanns. Dieser Effect wird um so rascher sichtbar, je nervöser die Person ist, je weniger sie ihre geistigen und körperlichen Kräfte in einer gleichmäßigen ruhigen Verfassung zu halten vermag. Die Anhänger des Od und der Wunder des thierischen Magnetismus nennen solche Personen sensitive Menschen, während sie nur krankhaft aufgeregt und nicht Meister ihrer eignen Kräfte sind. Deshalb schlägt die Wünschelruthe nicht allen Leuten, sondern nur denen, die daran glauben und nur auf das, was sie ernstlich wollen, die also ihre Sinne gefangen geben und dann gern für eine überirdische Offenbarung annehmen, was nur ein Spiel ihrer unbeobachteten Muskeln und Nerven war. Unbefangenen und kaltblütigen Menschen sind alle diese vermeintlichen Einblicke in eine höhere Geisteswelt unmöglich gemacht. Was läßt sich aber auf eine Erfahrung aus dem Bereiche der Weltordnung geben, die nur von Frauen, Kindern oder Schwächlingen gemacht werden kann? Warum sollte der ruhig denkende Geist des von Vorurtheil nicht befangenen Mannes eine Kraft nicht erkennen können, die sich doch an jedem Leichtgläubigen bethätigt?

Die Wünschelruthe zittert und schlägt, aber ihr Schlagen bedeutet so viel, als das Anschlagen des Ringes an das Glas. Nämlich Nichts. Es ist merkwürdig, daß das Experiment mit dem Ringe, welches schon vor zweihundert Jahren bekannt war, bereits zu jener Zeit auch in einen ursachlichen Zusammenhang mit der Wünschelruthe gebracht wurde, nur glaubte man aber damals noch an geheime Naturkräfte, die bei den Erscheinungen zu Grunde liegen sollten und deshalb auch an ihre Wirkungen. Heutzutage wissen wir, wie nichtig ein solcher Glaube im Reich der Naturwissenschaften ist. Wenn wir auch sehr Vieles noch nicht wissen und von manchem nur entfernte Ahnungen haben, so ist doch das zweifelhafte Gebiet noch unerforschter Kräfte durch die gewaltigen Axthiebe, welche die Genies unserer Tage im Dunkel jenes bisher pfadlosen, fast schaurigen Urwaldes erschallen ließen, gelichtet worden. In der Wünschelruthe steckt keine geheime Kraft, sie mag geschnitten sein, wenn und unter welchen Ceremonien sie immer will. Die Leute, welche das Land durchziehen und Wasser und Metalladern aufspüren wollen, sind entweder Betrüger oder von ihrer eignen Unwissenheit Betrogene, auf ihre Aussagen ist soviel zu geben, als auf das Niesen der Hauskatze. Freilich ist die Ruthengängerei noch sehr in Gebrauch, das beweist aber nur, daß die Menschen noch leichtgläubig sind. Die Bergleute, welche ihr Leben in den dunkeln unterirdischen Klüften verbringen, haben alle einen starken Glauben an das Uebernatürliche, und es ist nicht zu verwundern, daß sie ein Instrument noch hoch in Ehren halten, an das sich alle Erinnerungen ihres romantischen Standes knüpfen. Aber der Mensch, der im Lichte der Oberwelt lebt, der da sieht, daß ein Halm nur wächst, wo ein Korn lag, dessen Sinne ihm unaufhörlich das Spiel zwischen Ursache und Wirkung zeigen, darf vagen unbestimmten Vorstellungen nicht trauen. Man wird zwar dagegen einwenden, daß die Ruthengänger wirklich Wasser gefunden haben. Das ist wohl wahr, allein man würde auch Wasser angetroffen haben, wenn man nur die Schichtungsverhältnisse des Bodens und der Gesteine, von denen das Erbohren von Quellen abhängig ist, berücksichtigt hätte. Wahrscheinlich ist auch ein gewisser praktischer Blick das entscheidende Merkmal, welches die Ruthengänger, die meist Bergleute sind und als solche eine empirische Einsicht in mancherlei geognostische Verhältnisse gewonnen haben, bestimmt, ihr Werkzeug gerade an dem oder jenem Orte schlagen zu lassen, und dieses selbst nur ein Mittel, die dem Unbegreiflichen zugethane Menge zu täuschen. Verlangt man Aufschlüsse über das Innere der Erde, sei es, um bergmännische Unternehmungen darauf zu gründen, oder um sich mit Wasser zu versorgen, so wird man diese allein von einem wissenschaftlich gebildeten Geognosten erlangen können. Die Wünschelruthe wird, da nur Betrüger oder Unwissende sie in die Hand nehmen, in allen Fällen, die vom Zufall nicht begünstigt werden, auf Stellen schlagen, welche Mühe und Geld unersättlich verschlingen.




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II.
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(Schluß.)

Ein ähnliches Gefühl, nur entgegengesetzter Art, wie beim Aufwärtssteigen der Tonleiter, wird man haben, wenn man sich niederwärts wendet; wie dort nach dem Leitton hin immer allmählich anwachsende Bewegung stattfand, so macht sich hier ein Nachlassen von der Octave zum 1. Ton abwärts fühlbar. Dieser Ton (d) verlangt allerdings nicht mit der Bestimmtheit wie der Leitton seine Rückkehr nach c, sondern nimmt auch mit einem unvollkommenen Schluß auf dem 3. Ton, e, fürlieb.

Bei diesem stufenweisen Auf- und Absteigen der Tonleiter haben wir stets die Vorstellung einer ruhigen Stetigkeit, entweder in der An- oder Abspannung. Versetzen wir nun einmal die Intervalle, so daß sie nicht mehr allein stufenweise, sondern auch sprungweise aufeinander folgen, also ein Wechsel von ruhiger Folge und hastiger Bewegung sich bildet – und Sie werden augenblicklich die, so zu sagen, veränderte Gemüthsstimmung erkennen, welche die Tonleiter neu angenommen hat:

c⁀e d⁀g f⁀a g⁀c

Die Octave wird hier nicht mehr in jenem ruhig stetigen Aufwärtssteigen erreicht, sondern in mit stufenweisen Folgen abwechselnden Sprüngen – es ist ein Charakter der Munterkeit, der Lebhaftigkeit in unsere vorhin durchaus ruhige Tonfolge hineingekommen.

Diese Lebhaftigkeit wird fast das Wesen des Affectes annehmen, wenn die schrittweisen Stufenfolgen ganz wegfallen, und die Sprünge sich erweitern, unregelmäßiger werden. So z. B.

c f d a f h g c.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 651. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_651.jpg&oldid=- (Version vom 20.11.2023)