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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

Die Bedienten des Sonderlings, der hier so sonderbar den Wirth machte, hatten sich zu den Jägern seitab begeben. Die Unterredung an der Tafel der Herren wurde lebhafter.

„Ihr Baron Lauer, oder wie er heißt, Baron, hat Geschmack.“

„Und vortreffliche Weine.“

„Er muß reich sein, dieser sonderbare Kauz.“

„Ich weiß es nicht,“ erwiderte der Baron Steinhaus. „Ich kenne ihn, wie gesagt, nur seit kurzer Zeit.“

„Wie haben Sie ihn kennen gelernt?“

„Er wohnt hier in der Nähe.“

„Wie? Und wir wissen nichts von ihm!“

„Freilich erst seit drei oder vier Wochen.“

„Und wo?“

„Ein paar Meilen von hier liegt an einer alten Landstraße ein altes, einsames Wirthshaus.“

„Dort wohnt er?“

„Ganz allein, das heißt ohne Familie, aber mit Bedienten und Jägern und Hunden. Und capitale Hunde hat er. Ah, ein paar Schweißhunde solltet Ihr von ihm sehen, so etwas sähet Ihr noch nicht. Er wird sie hoffentlich mitbringen. Er versprach es.“

„Aber erzählt weiter von ihm, Baron, ehe er kommt. Ihr habt uns neugierig auf ihn gemacht.“

„Vor vierzehn Tagen ließ er mich um die Erlaubniß bitten, in meinem Reviere dann und wann jagen zu dürfen. Er sei ein großer Liebhaber der Jagd; was er schieße, werde er jedesmal getreulich an meine Jäger abliefern.“

„Er hatte Euch vorher keinen Besuch gemacht, Baron?“

„Ich hatte noch nicht einmal von ihm gehört.“

„Eine sonderbare Einführung.“

„Ich gab ihm die Erlaubniß, und als ich einige Tage nachher – Ihr wißt, ich muß oft aus der Residenz zu meinem Gute – wieder hierher kam, lud ich ihn ein, gemeinschaftlich mit mir eine Jagd zu machen. Er nahm an, und ich kann Euch sagen, ich habe noch keinen ausgezeichneteren Jäger kennen gelernt. Er war auch mit die Veranlassung zu unserer heutigen Jagdpartie, denn als ich zufällig Eure Namen nannte, bat er mich dringend, in Gesellschaft so tüchtiger Jäger jagen zu dürfen.“

„Viel Ehre für uns, Baron.“

„Eins möchte ich nur genauer wissen,“ fuhr der Baron Steinhaus fort, und er sprach leiser und seine Miene wurde geheimnißvoll.

„Das ist, Baron?“

„Die Leute behaupten, er sei nicht zum ersten Male hier in der Gegend.“

„Man will ihn schon früher hier gesehen haben?“

„Im vorigen Sommer, sagt man.“

„Und was sagt er dazu?“

„Ich habe ihn noch nicht darüber befragt.“

„Ihr hattet Bedenken, Baron?“

„Die Leute reden so Allerlei.“

„Was zum Beispiel?“

„Sie wollen namentlich seine damalige Anwesenheit mit einer geheimnißvollen Geschichte in Verbindung bringen, die sich zu jener Zeit hier zugetragen haben soll. Sie erzählen, im vorigen Sommer habe mehrere Tage lang ein Mann den Forst durchstrichen, der Aehnlichkeit mit dem Baron Lauer gehabt habe. Sie haben ihn nicht bestimmt wieder erkannt. Er hat sich jedesmal eilig zurückgezogen, wenn ihm Jemand hat nahen wollen, und gesprochen hat ihn kein Mensch.“

„Aber wenn er sich hier mehrere Tage aufgehalten hat, so muß er doch irgendwo eine Wohnung gehabt haben.“

„Man hat keine ermittelt. Auch in dem Wirthshause, in dem er jetzt logirt, hatte man ihn früher nicht gesehen.“

„Das ist sonderbar. War er allein gewesen?“

„Ganz allein, man hat nie einen Menschen bei ihm gesehen.“

„Aber die geheimnißvolle Begebenheit, Baron!“

„Ich komme zu ihr. In jener nämlichen Zeit will man einmal in der Nacht plötzlich einen furchtbaren Schrei gehört haben; bald darauf das Gerassel eines Wagens. Dann ist mit einem Male Alles still gewesen. Man ist zu der Gegend hingeeilt. Den Eilenden kommt aus dem Dickicht des Waldes der Fremde entgegen. Er sieht so sonderbar, so finster aus. Die Leute erschrecken vor ihm. Es waren abergläubische Köhler. Sie kehren zurück, und der Finstere verschwindet wieder in dem Dickicht des Waldes. Erst am andern Morgen gehen Einige wieder hin. Sie haben nichts gefunden.“

„Und das hatte sich in der Nacht zugetragen?“

„Im vorigen Spätsommer, mitten in der Nacht, einige Meilen von hier.“

„Und man hat auch später nichts von der Sache gehört?“

„Gar nichts.“

„Und jener Fremde soll der Baron Lauer sein?“

„Die Leute glauben, ihn wieder zu erkennen,“

„Sah man den Fremden seit jener Nacht wieder?“

„Niemand hat ihn seitdem wieder gesehen, – wenn es nicht der Baron Lauer ist.“

„Teufel, man muß ihn geradezu fragen!“

Es war nicht der Baron Benzing, der dies sagte. Hatte auf diesen schon der Anblick des Platzes, an dem man sich befand, einen eigenthümlichen Eindruck hervorgebracht, die Erzählung des Barons Steinhaus schien ihn, wenigstens einen Augenblick, in einem noch höheren Grade ergriffen zu haben Schon als des Aufenthaltes des Fremden, des muthmaßlichen Barons Lauer, in der Gegend während des verflossenen Sommers erwähnt wurde, fuhr er plötzlich auf, und ein aufmerksamer Beobachter hätte von da an ein ebenso angelegentliches wie unruhiges Zuhören an ihm wahrnehmen können. Die Unruhe suchte er freilich sehr angelegentlich zu verbergen. Als der Baron Steinhaus dann aber von der geheimnißvollen Geschichte sprach, war er leichenblaß geworden. Freilich nur für einen Moment. Ein kräftiger Zug aus seinem Weinglase hatte ihm die Farbe zurückgegeben. Große Anstrengung gab ihm auch eine äußere Ruhe wieder. Aber in seinem Innern mußte es desto unruhiger, wilder stürmen.

Sein Auge suchte, ob es von der Gesellschaft bemerkt werde, und wenn nicht alle Blicke nur an dem Erzähler hingen, hätte man eine Angst, eine Todesangst darin sehen können, die mit Entsetzen erfüllen mußte, und die mit Entsetzen umher suchte, wo denn Rettung zu finden sei. Nach jenen starren Felsen starrten die Augen hin, dann in das schwarze Dunkel der Tannen, dann zurück nach einem kleinen Pfade, der aus dem Walde in die Lichtung führte, als wenn von dort das Unglück, der Tod kommen müsse; dann wieder in die grauen Felsen, als wenn aus ihnen ein furchtbares Gespenst herausschreiten müsse, mit dem Tode hinter ihm sich zu vereinigen.

Ein helles, lustiges Halloh ertönte im Walde, kaum vierzig bis fünfzig Schritte entfernt. Die Schützen und Treiber seitab antworteten hell und lustig halloh! Der Baron Steinhaus brach das Gespräch über den Fremden und die geheimnißvolle Geschichte ab.

„Unser Sonderling!“ sagte er. „Das war der Ruf seines Jägers. Er wird auch seine Hunde mit sich führen.“

Der Sonderling erschien. Es war ein langer, hagerer, sehr ernst aussehender Mann, derselbe, den wir aus dem Bade her kennen – der Unheimliche, Ein Jäger, zwei Schweißhunde am Seile führend, folgte ihm. Der Unheimliche begrüßte die Gesellschaft. Dann wandte er sich an den Baron Steinhaus: „Sie haben mir verziehen?“

„Sie sind ein Sonderling, aber immer ein liebenswürdiger, der keiner Verzeihung bedarf.“

„Immer?“ lächelte eigenthümlich der Unheimliche. „Doch darf ich bitten, mich den Herren vorzustellen?“

Der Baron Steinhaus stellte vor: „Baron Lauer!“ dann „Graf Sternfeld!“ Die beiden Herren waren einander völlig unbekannt. „Freiherr von Mangold!“ Der Baron Lauer kannte auch den Freiherrn nicht. „Baron Benzing!“ Den Baron durchzuckte es wieder. Aber der Unheimliche kannte auch ihn nicht. Keine Miene seines Gesichts zeigte, daß er ihn je gesehen, je von ihm gehört habe. Er begrüßte ihn, wie die Anderen, als einen völlig Fremden. Er setzte sich zu ihnen. „Ich darf noch mit Ihnen frühstücken, meine Herren, bevor wir unser edles Werk fortsetzen?“ Aber bevor er etwas anrührte, sah er sich um, nach seinem Jäger und den beiden Schweißhunden. „Führe sie dorthin,“ sagte er zu dem Jäger. Er zeigte nach einer Stelle in der Nähe der Felsen, nicht weit von einer riesigen Tanne, die dort stand. „Du bleibst aber bei ihnen,“ setzte er hinzu. Der Jäger führte die Hunde hin.

Der Baron Benzing erbebte, als er die Hunde sich der Stelle nahen sah. Die anderen Herren aber sahen den beiden Thieren mit Entzücken nach. Der echte, kluge, kräftige braune Schweißhund ist ein schönes Thier. Man konnte ihn nicht schöner, nicht von

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 614. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_614.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)