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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

Da die Zeit zur Erlegung der Thiere noch nicht gekommen war, obwohl wir Schaaren von ihnen an den Küsten umherliegen sahen, so war Zeit genug für die Leute vorhanden, sich bequem einzurichten und Alles zum Fange bereit zu machen. Flinten wurden gereinigt, Lanzen geschliffen, Keulen zugeschnitten und die Böte ausgerüstet, um Expeditionen nach entfernt liegenden Theilen der Insel zu machen und den abgezogenen Speck der getödteten Thiere nach ihrem Hauptplatze hinzuschaffen. Im Vorderteile jedes Bootes ist eine kleine, einpfündige Kanone befestigt, aus welcher bei schlechtem Wetter und heftiger Brandung eine Leine an’s Land geschossen wird, vermittelst welcher sodann die am Lande befindlichen Leuten das Boot schnell durch die mächtigen Wellen hoch auf das trockene Land ziehen. Ohne diese Vorkehrung dürfte es den Böten oft unmöglich sein zu landen, da sich hier das schönste Wetter in wenigen Stunden rasch zum heftigsten Sturm umwandelt.

Robben verschiedener Art gibt es das ganze Jahr hindurch auf diesen Inseln, während der milden Jahreszeit sind sie jedoch in

Die See-Elephanten.

größter Anzahl vorhanden und viel fetter, als im Winter. Die kleinern Arten werden mit Keulen erschlagen , die größern mit Lanzen oder Flinten erlegt, da sie den stärksten Schlägen widerstehen.

Die größte der hier vorkommenden Species von Robben ist der sogenannte See-Elephant oder Rüssel-Seehund (Phoca proboscida), welcher oft die Länge von 23–25 Fuß und ebenso viel im Umfange erreicht. Er gleicht an Gestalt dem gemeinen Seehunde, ist aber nicht so schlank wie dieser und ausgewachsen von bräunlich-grauer Farbe, mit schwarzen Füßen. Bis zum Alter von 2–3 Jahren ist er silbergrau und sein Haar hat einen feinen, seidenartigen Glanz, er ist dann 8–10 Fuß lang und wurde von uns in dieser Größe getödtet, damit uns sein noch feiner Speck als Brennmaterial diene. Das Thier bewegt sich nur höchst mühsam auf dem Lande fort, indem es sich auf den Füßen, welche sehr einer mit Schwimmhaut versehenen Hand gleichen, erhebt, sodann den ganzen Körper vorwärts wirft und die Füße nachzieht. Durch Wiederholung dieser Bewegung gelingt es ihm, sich langsam entlang zu ziehen. Das Hintertheil des Thieres gleicht dem des Seehundes; die Hinterfüße jedoch haben eine sonderbare Gestalt und stehen an der Stelle des Schwanzes. Im Wasser gebraucht sie das Thier nach Art der Schraube des Dampfschiffen, indem es ihnen eine kreisförmige Bewegung gibt, welche dem Körper mit Hülfe der Vorderfüße eine sehr schnelle Fahrt durch das Wasser mittheilt. Die Nase ist bei den Männchen (Bullen genannt) sehr verlängert und hängt ihnen in der Gestalt eines Rüssels zwei Fuß lang über dem Maule herunter; werden sie gestört oder angegriffen, so richten sie diesen Anhängsel steif in die Höhe und stoßen einen starken, trompetenartigen Ton aus, welcher in weiter Entfernung zu hören ist; überhaupt haben beide Geschlechter, Männchen wie Weibchen (Kühe), eine laute, brüllende Stimme, welche der des Löwen an Rauhheit und Tiefe sehr ähnlich ist. Man hört das Gebrüll der sich gegenseitig bekämpfenden Männchen bei ruhigem Wetter auf die Entfernung einer halben Meile.

Der See-Elephant, wenn er in der Nähe des Wassers an gegriffen wird, setzt sich tapfer zur Wehr und sucht seinen Gegner durch Daraufstürzen zu erdrücken, macht aber auch oft von seinen Zähnen Gebrauch. Er ist mit solchen wohl versehen, und sie sind von solcher Härte und die Kraft der Maulmuskeln des Thieres ist so groß, daß ich oft gesehen habe, daß ein wüthender verwundeter See-Elephant einen Stein von der Größe einer Mannsfaust mit den Zähnen ergriff und zermalmte. Durch sein ungeheures Gewicht und die Schnelligkeit seines Sturzes ist er im Stande, einen ungeschickten Jäger augenblicklich zu erdrücken. Zur Tödtung, wenn der Elephant nicht zu groß ist, bedient man sich einer Lanze, bei ausgewachsenen Thieren aber, wo die Jagd schon gefährlicher wird, nimmt man seine Zuflucht zur Kugel, die durch den Kopf des mächtigen Ungethüms gejagt, augenblicklich tödtet.

Die Lanze, welche zum Erlegen dieser unförmlichen Thiere angewandt wird, trägt eine sechs Zoll lange, lanzettförmige, sehr

scharfe Stahlspitze an einem drei Fuß langen eisernen Stiele,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 502. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_502.jpg&oldid=- (Version vom 3.9.2023)