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verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

Wir hatten jedoch im Frühlinge der Jahre 1816 und 1817 noch andere Anzeichen von der nassen Witterung derselben. Die Eisvögel brüten gewöhnlich uns am nächsten in den steilen Stellen der Saalufer. Im April 1816 und 1817 aber legten sie ihre Nester oberhalb Oberrenthendorf an den schroffen Ufern der dort sehr kleinen Roda an. Meine Vermuthung. von kommenden Ueberschwemmungen traf ein, denn diese waren so arg, daß die Saale übertrat und dadurch alle an ihren Ufern befindlichen Eisvögelnester zu Grunde gerichtet haben würde. An den Ufern der kleinen Roda aber konnte das Anschwellen des Wassers sie nicht erreichen.

Etwas Aehnliches erlebten wir im Frühjahre 1843. Im März erschienen auf unsern Bergebenen die Kiebitze und schlugen ihre Wohnung daselbst auf. Darauf schloß ich auf ein nasses Frühjahr und hatte mich nicht geirrt. Der Regen fiel so häufig und befeuchtete die Felder unserer Berghöhen so sehr, daß die Kiebitze hinlängliche Nahrung auf ihnen fanden, während die Ufer des Frießnitzer und Tautendorfer See’s, die gewöhnlichen Brutplätze unserer Kiebitze, so überschwemmt wurden, daß nicht ein einziges Kiebitznest unversehrt geblieben wäre. In demselben Frühlinge verkündete eine andere Erscheinung die Nässe des Frühjahres und Sommers. In den Umgebungen Renthendorfs lebten im April jenes Jahres sechs Paar Thurmfalken (Rüttelgeier). Sie begatteten sich, legten ihre Eier aber nicht in den Horst, sondern ließen sie fallen, zwei Paar ausgenommen, welche einen Horst bauten und Junge ausbrüteten. Aber das Aufziehen derselben gelang ihnen nicht, denn die ungewöhnliche Nässe hatte Tausende von Insecten, die Hauptnahrung der Thurmfalken, vernichtet. Sie konnten in jenem Frühjahre kaum so viel Futter auftreiben, als zur Erhaltung ihres eigenen Lebens nöthig war, und mußten ihre Jungen sterben lassen. Die in dem einen Horste gingen sehr frühe zu Grunde, die in dem andern, als sie zu kielen anfingen. – Auch das Auftreten der Wiesenknarrer (Wachtelkönige, Schnerze) in unsern an Riedgras reichen Thälern oder in unsern Kleeäckern bedeutet gewöhnlich ein nasses Jahr; denn in trockenen bewohnen sie die mit Niedgras bedeckten Niederungen unseres Vaterlandes.

Wie nun die Vögel nach dem Aufgeführten nasse Jahre andeuten, ebenso zeigen auch manche Wasservögel trockene Frühjahre an. Naumann erzählt davon ein merkwürdiges Beispiel. Nicht weit von Ziebigk, dem durch Naumann weltberühmten Wohnorte desselben, brütete vor vielen Jahren eine Graugans, die Stammmutter unserer Hausgänse, ihre Eier in einem großen Teiche aus. Beide Eltern führten ihre Jungen, sobald sie etwas herangewachsen waren, in einen viel kleineren Teich, was nicht geringe Verwunderung erregte. Das Räthsel löste sich indessen bald. Der ungewöhnlich heiße und an Regen arme Juni jenes Jahres trocknete den großen Teich, den Brutort der Gänse, aus, konnte aber den kleinen Teich, den jetzigen Aufenthaltsort der Graugänse, seines Wassers nicht berauben und gab der ganzen Gänsefamilie hinlängliche Nahrung. Wie sicher hatte der Instinct diese Vögel geleitet!

Im Jahre 1832 reiste ich nach Berlin und freute mich sehr, auf der Rückreise mit meinem verstorbenen Freunde, dem großen Ornithologen Freiherrn von Seyffertitz auf Ahlsdorf, eine und die andere Jagd auf dem eine Stunde langen Ahlsdorfer Bruch zu unternehmen; allein da, wo sonst Tausende von Enten lagen, jagten wir einen Fuchs auf und schossen einen Hasen, denn der Bruch war gänzlich ausgetrocknet. Mein Freund sagte mir, er habe schon Anfangs Mai gewußt, daß der Bruch austrocknen würde; denn im April seien die Fische durch die Abzugsgräben nach der schwarzen Elster gezogen und die Enten und Wasserhühner seien, wie im Mai die später ankommenden Wasser- und Krampfstrandläufer, Rohr- und Teichhühner, sowie die schwarzen Seeschwalben, davon geflogen. Wenn das geschehe, könnte man jeder Zeit mit Gewißheit auf einen sehr trockenen Sommer rechnen.

Auch aus dem Brüten der Seeschwalben kann man auf die Beschaffenheit der Frühlings- und Sommerwitterung schließen. Nisten sie auf den in den Strömen liegenden niedrigen Sandinseln, dann kann man mit Sicherheit ein trockenes, von Ueberschwemmungen freies Jahr erwarten. Brüten sie aber auf hohen Sandbänken oder gar auf etwas hohen Uferstellen, so sind Ueberschwemmungen sehr zu befürchten.

Nasse Sommer kann man ferner aus der geringen Eierzahl der Kerbthierfresser bestimmen. Im Jahre 1843 z. B. legten die gemeinen Fliegenfänger anstatt fünf bis sechs Eier nur zwei, höchstens drei, und hatten wirklich gerade genug mit Erziehung der aus denselben geschlüpften Jungen zu thun.

Es wäre leicht, noch eine Reihe ähnlicher Beobachtungen hier mitzutheilen; ich glaube aber, schon mit dem Vorstehenden den Weg angezeigt zu haben, welchen man gehen muß, um eine möglichst hohe Stufe des Prophetenthums zu erreichen. Diesen Gegenstand weiter zu verfolgen, dürfte gewiß von Nutzen sein. Naturforscher, Naturfreunde, Land- und Forstwirthe sind die rechten Leute, derartige Beobachtungen anzustellen; und höchst wahrscheinlich haben schon viele Leser der so außerordentlich verbreiteten „Gartenlaube“ solche gemacht. Sie möchte ich ersuchen, dieselben entweder selbst zu veröffentlichen oder mir mitzutheilen; ich würde dadurch in den Stand gesetzt werden, eine ohne Zweifel höchst wichtige und interessante Zusammenstellung derartiger werthvoller und oft nur Wenigen bekannter Erfahrungen veröffentlichen zu können.




Originalmittheilungen vom Kriegsschauplatze.
III.
Geruch von Montebello. Besuch des Schlachtfeldes von Palestro. Scene in Mailand.

Wenn wir unter friedlichen Menschen im bürgerlichen Leben eine Leiche sehen, wohl gar einen Gemordeten, und den Mörder vor Gericht, auf dem Richtplatze, kann sich Niemand so leicht eines Grauens und Schauders erwehren. Ein Todter! Ein Gemordeter! Es ist immer etwas Entsetzliches. Aber täglich Hunderte von Verstümmelten und Todten um uns, – das ist bald etwas ganz Anderes. Man gewöhnt sich an die Schrecknisse des Krieges und nimmt die Hunderte und Tausende von Niedergeschmetterten, selbst wenn man sie sieht, als etwas Unvermeidliches, das sich von selbst versteht. Selbst das furchtbare, qualvolle, massenhafte Absterben der Verwundeten scheint für die Umgebung, wie für die Leidenden und Sterbenden zu einer Art von Geschäft zu werden, das man mit möglichst kaltem Blute ansehen und überwachen müsse. Ich habe in Alessandria lange Karawanen von Verwundeten und unterwegs Gestorbenen aus der Schlacht von Montebello ankommen sehen, genug Stoff für die erschütterndsten und grausigsten Romanscenen eines ganzen Jahrhunderts, aber die leicht Verwundeten sangen, rauchten und lachten dabei, wie Leute, die lustige Waaren auf den Jahrmarkt bringen. Sie wanden sich und rangen und jammerten herzzerreißend auf ihren Bahren, andere lagen ganz still und starr und waren todt, die leichter Verwundeten daneben aber, die noch gehen konnten, hinkten und lachten daneben und rauchten und sangen, und machten ihre humoristischen, gut gemeinten Bemerkungen über die ganz still Gewordenen. Ein Zuave mit einem ganzen und einem zerschmetterten Bein spielte den förmlichen Lustigmacher unter ihnen.

Nach Montebello selbst fand ich keinen Zutritt; ich ward von einer unerbittlich zurückstoßenden, unüberwindlichen Macht weit fort getrieben: von dem Geruch der Gefallenen, die hundertweise in hastig gegrabene viereckige Gruben dicht über einander bis oben eingepackt und nur locker mit einer dünnen Schicht Erde bedeckt worden waren, so dünn, daß, wie mir ein Mann unterwegs erzählte, ein Platzregen über Nacht Köpfe mit flatternden Haaren, hervorragende Arme und Beine enthüllt hatte, so daß grimmig entstellte Gesichter mit weißen, todten Augen gen Himmel starrten. Wie ich später hörte, hat der König von Sardinien gegen bedeutende Extra-Belohnung mehrere hundert Leute aus der Umgegend gewonnen, und die Todtengruben mit Erdhügeln bedecken lassen.

Von einem englischen Correspondenten begleitet, machte ich mich zu Fuß auf nach dem Schlachtfelde von Palestro. Wagen waren für keinen Preis zu bekommen, und die Eisenbahnen sind überall umher aufgerissen oder durch Regen, Märsche, Schanzen unbrauchbar geworden.

Der allgemeine Verlauf der Doppelschlacht bei Palestro wird

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verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1859, Seite 430. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_430.jpg&oldid=- (Version vom 30.7.2023)