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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

Vater, Mutter und einige andere verstorbene Angehörige seiner Familie waren aber so freundlich gewesen, „irdische Kleider anzuthun, damit ich sie erkennen möge.“

Besonders viel hat Edmonds sich mit Swedenborg zu schaffen gemacht, der ihm über seine theologischen Ansichten sehr ausführliche Mittheilungen machte und unter anderem enthüllte, daß man sich auf die in seinen (Swedenborg’s) Werken geschilderten Visionen und Offenbarungen verlassen könne, nicht aber auf die Theorien, welche er denselben als Unterlage gegeben. Er habe seine Offenbarungen mit der Tagesreligion in Einklang bringen wollen, die Bibel enthalte viele Wahrheiten, sei aber in einem Zeitalter entstanden, das den Fortschritt noch nicht gekannt habe, und enthalte Irrthümer und Mängel, eben weil sie in einer noch nicht progressiven Zeit zum Vorschein gekommen sei. Benjamin Franklin gab ausführliche Erläuterungen über Herrn von Reichenbach’s Od; er hat die Werke dieses Schriftstellers im Geisterreiche studirt, doch waren die Mittheilungen lückenhaft. Dafür wurde aber Edmonds auf ungemein liebenswürdige Art von den Geistern getröstet oder entschädigt. Sie erlaubten ihm, „in die Regionen des Raumes“ hineinzublicken, und so sah er denn viele Millionen glückliche Geister, von denen viele aus anderen Planeten gekommen waren, wie wir vermuthen, um vor dem geistersehenden Yankee Parade zu machen. Alle bildeten einen Halbkreis, hielten musikalische Instrumente in den Händen und waren hocherfreut, daß endlich eine Verbindung zwischen den Bewohnern dieser Erde und dem Lande der Geister eröffnet worden sei; besonders auch deshalb freuten sie sich, weil sie nun den Menschen die Pflichten und die Bestimmung offenbaren und die Wolke hinwegrollen könnten, welche so lange verhüllend da gelegen. Und dann erschallte ein Jubelruf durch alle Welträume, und die Geister zeigten mit den Fingern auf Benjamin Franklin und erklärten, sie verdankten es der umfassenden und praktischen Philosophie des Doctors, daß die Entdeckung vervollkommnet sei. Worauf dann der Doctor diese Glückwünsche sanft und bescheiden entgegen genommen, auch nicht die Spur von Eitelkeit habe er gezeigt, wohl aber erglänzte sein Antlitz von überströmender, wiewohl demüthiger Freude deshalb, weil er so Vieles zum Glücke seiner Unsterblichkeitsgenossen auf Erden und im Jenseits beigetragen habe.

Nicht wahr, das ist Tollheit? aber es ist Methode darin. Doch die Sache kommt noch besser. Einige Geister sind so entzückt über Franklin, daß sie ihm Beifall klatschen, andere geben Herrn Edmonds Winke, die er anfangs nicht zu deuten weiß, bis man ihm zuruft: „Gehe und schaue!“ Und was sieht er nun? Zu seinem unaussprechlichen Grausen erblickt er unzählige Geister, die einander verfolgen, dunkele Geister, auf deren Angesicht die abscheulichsten Leidenschaften ausgeprägt sind. Mörder rennen mit Dolchen hinter Geistern her und stoßen diese nieder; unschuldige Mädchen werden von Wüstlingen verfolgt, die aber nur ein luftiges Nichts umarmen; ein Goldsucher kratzt gierig Gold aus dem Staube, aber das Gold verwandelt sich in schwarze Erde, die er wild heulend von sich wirft. Ein Selbstmörder, der in gottloser Verzweiflung die Erde hatte verlassen wollen, haftete vermittelst einer Geisternabelschnur an derselben fest und quälte sich ewig vergeblich ab, dieselbe zu durchschneiden. Kurz, die bösen Geister trieben ganz schauderhafte Dinge. Als dann ein guter Geist mitten unter sie trat, empfingen sie ihn zwar mit höllischem Hohngelächter, liefen aber von dannen; nur ein einziger blieb zurück und erklärte, daß er sich bessern wolle. „Darüber entstand allgemeine Freude unter den Schaaren der Geister, und mit elektrischer Schnelligkeit erfuhren alle Himmel, daß ein Mensch sich bessern wolle. Alle Geister nahmen den einen in den Arm und trugen ihn in die Region der Seligen.“

Und an so dummes, plumpes Zeug, an ein so phantastisches Gemisch aus den Gesichten Swedenborg’s und unseres alten Paters Kochem glauben nicht Tausende, sondern Hunderttausende; man stellt darüber weitläufige Betrachtungen an, und eine mit Recht sehr geachtete Zeitschrift, von welcher ein Vierteljahrheft vor uns liegt (The New Englander, New-Haven in Connecticut, August 1858) hält es im Interesse des gesunden Menschenverstandes und der Vernunft für nöthig, in eine Erörterung über nicht weniger als dreizehn neue spiritualistische Schriften einzugehen und die Hohlheit dieser ganzen Wirthschaft nachzuweisen. Der bei weitem größte Theil der Secte besteht aus Leuten, die gläubig sind und sich selbst betrügen; die Zahl der Gauner, welche den Blödsinn der Uebrigen mit Plan und Bewußtsein ausbeuten, ist verhältnißmäßig nur gering. Der „Spiritual-Telegraph, eine Wochenzeitung zur Erläuterung des Verkehrs mit den Geistern“, erscheint seit 1852 in New-York und findet ungemein zahlreiche Leser; eben so der „Christian Spiritualist“, welchen die Gesellschaft zur Verbreitung der Geisterkunde herausgibt, um diese letztere mit dem Christenthum zu vermitteln. Die Zahl der Anhänger des Spiritualismus ist auch unter der Geistlichkeit sehr beträchtlich.

Eine abgeschlossene Secte mit festen Lehrsätzen, so zu sagen mit einem dogmatischen Programm, bilden übrigens die amerikanischen Spiritualisten nicht; während Alle an den Verkehr mit Geistern glauben, haben sie doch sehr verschiedene Vorstellungen von der Geisterwelt, und Viele bekennen sich noch zum Christenthume, während Andere sich ganz ablehnend gegen dasselbe verhalten und nur glauben, was die Geister ihnen sagen. Sie verwerfen die Gottheit Christi, legen auf die Bibel geringen Werth und stellen den Propheten von Nazareth auf eine Linie mit Pythagoras. Von den Geistern sind ihnen auch fünf Artikel offenbart worden, welche den „Inbegriff der politischen Gerechtigkeit“ bilden. Diese sind: 1) Wer noch kein Grundeigenthum besitzt, muß Land erhalten; 2) Alle Beamten ohne Ausnahme müssen vom Volk erwählt werden; 3) Alle Gesetze, welche das gerichtliche Eintreiben von Schulden gestatten, müssen abgeschafft werden; 4) Todesstrafe darf nicht sein, und 5) es soll Freihandel stattfinden.

So sind die Spiritualisten!




Der Uebergang über den Mont Cenis.

Die italienische Halbinsel, vom Continente durch jene hohe Gebirgskette, welche wir im Allgemeinen die „Alpen“ nennen, getrennt, kann nur auf zwei Wegen von diesem aus angegriffen oder unterstützt werden, entweder zur See oder über jenes Gebirge, – letzteres muß durch die Gebirgspässe geschehen, die von allen Seiten nach den Ebenen der Lombardei und Piemonts hinabführen, und selbst die zur See nach Nizza oder Genua transportirten Truppen müssen Gebirge überschreiten, um dorthin zu gelangen. Von Hannibal bis zu den Zeiten Napoleon’s I. galt es für ein riesiges Unternehmen, die Alpen mit einem Kriegsheere zu passiren, und weil es Letzterem eine Nothwendigkeit war, eine raschere Communication zwischen den italienischen Provinzen des Kaiserreiches und diesem selbst herzustellen, that er alles Mögliche, die Straßen über die Gebirge zu verbessern, und ließ Alessandria befestigen, um für deren Debouchés einen gesicherten Stützpunkt zu erhalten, – Alessandria, das zu diesem Zwecke viel günstiger liegt, als Turin.

Napoleon III. benutzt jetzt jene Straßen, die sein Oheim einst theils neu anlegen, theils herstellen ließ, um Oesterreich anzugreifen. Die nördlichste ist die über den Mont Cenis, weil alle anderen nach jener Himmelsgegend hin gelegenen durch die Neutralität der Schweiz nicht gebraucht werden können. Der Mont Cenis bildet die Wasserscheide der Flußgebiete des Po und der Rhone, die Are und Dora Ripera entspringen in seiner Nähe, und in ihren Thälern zieht sich die Straße von Montmelian bis Susa, wo sie in Piemonts Ebenen tritt. Unweit Montmelian liegt Chambery, hier und bei Grenoble sammelten sich die französischen Truppen, welche diesen Gebirgspaß überschreiten sollten. Ein derartiger Marsch macht viele Vorbereitungen nothwendig.

Noch war man im Begriff, dieselben zu treffen, als die Nachricht einlief, die Oesterreicher hätten sich durch diplomatische Kunststückchen nicht länger täuschen lassen, sondern den Po und Ticino überschritten und wären in Piemont eingerückt. Der Befehl, welchen die französische Armee erhielt, nunmehr die Alpen zu überschreiten, rief die lebhafteste Begeisterung bei derselben hervor; abermals konnte jeder Soldat sich Lorbeeren pflücken und la gloire winkte ihm, wenn er sich aus liberté nicht eben viel macht, denn diese Pflanze läßt die Disciplin nicht recht gedeihen.

Italien hat für das französische Heer einen unendlichen Reiz:

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 331. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_331.jpg&oldid=- (Version vom 11.6.2023)