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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

Die Behandlung zerfällt in die des asthmatischen Anfalles und in die des Grundleidens. – Um den asthmatischen Anfall abzukürzen, versuche man, nach dem Lösen aller beengenden Kleider, folgende Hülfsmittel: Einathmen frischer kalter Luft, Anspritzen mit kaltem Wasser gegen Brust und Rücken, kalte Waschungen und Frictionen dieser Theile neben warmen Hand- und Fußbädern, Kitzeln des Rachens (um Brechreiz oder Brechen zu erregen), Einathmen von Aether, Chloroform oder Salpeterdünsten. Die letzteren entwickelt man durch Verglimmen von getrocknetem Salpeterpapier, welches durch Eintauchen weißen Druckpapiers in concentrirte Salpeterlösung bereitet wird.

Außer den asthmatischen Anfällen strebe der Kranke, einen Theil der stagnirenden Luft von Zeit zu Zeit aus seinen erweiterten und weniger zusammenziehbaren Lungen herauszubefördern, denn die natürliche Weite der Luftbläschen bleibend wieder herzustellen, ist zur Zeit noch nicht gelungen. Deshalb gewöhne sich Patient, öfters des Tags recht kräftig auszuathmen, ja drücke sich selbst dabei den Brustkasten mit den Händen tüchtig zusammen oder lasse dies von einem Andern thun.

Er versuche ferner eine vorübergehende Zusammenziehung der Luftwege durch mäßige Armbewegungen, kalte Waschungen des Rückens und der Brust, Einathmungen frischer Luft zu erzielen. – Eine Hauptregel für den Emphysematiker ist sodann: Alles zu vermeiden, was Lungenkatarrh (der das Uebel verschlimmert und asthmatische Anfälle hervorruft) zu erzeugen im Stande ist. Er meide also: eine rauhe oder verdorbene Luft, Wind, Staub, Rauch, Erkältungen. Er unterlasse Alles, was stärkeres Herzklopfen hervorruft, wie geistige, gemüthliche und Körperanstrengungen, Klettern, Berg- und Treppensteigen. Gegen die Unterleibsbeschwerden dient der reichliche Genuß warmen Wassers, Regelung des Stuhlganges, Vermeiden vielen Sitzens, leicht verdauliche, nicht blähende Diät.

Daß die homöopathische Heilkünstler-Gesellschaft, wie gegen jede andere Krankheit, so auch gegen die Lungenerweiterung mehrere ausgezeichnete Mittel vorzureiten hat, besagen die neuesten Ankündigungen. Das beste Pferd, auf welchem die Junghahnemänner gegen das organische Asthma ansprengen, ist der Arsen; doch sollen auch die Coca und die Lobelia ihrer Schule keine Schande machen.

Bock.




Die neuen Hexenmeister und Geisterbeschwörer.
I.

Aus den Vereinigten Staaten von Nordamerika wird gemeldet, daß allein in der Stadt Philadelphia, welche etwa eine halbe Million Einwohner zählt, nicht weniger als dreihundert Clubs bestehen, deren Mitglieder sich ausschließlich mit dem sogenannten Spiritualismus beschäftigen. Sie begnügen sich nicht mehr mit dem einfachen Tischrücken und Tischklopfen, sondern beschwören Geister herauf, die denn auch in der Regel so gefällig sind, zu erscheinen, allerlei grausigen Spuk zu treiben und eine Menge von „Offenbarungen“ zu geben. Diese werden von den Spiritualisten mit bergeversetzendem Glauben für durchaus wahr gehalten; man zuckt mitleidig die Achseln über Jeden, der an diesen Dingen zweifelt und sich nicht zu dem bekehren will, was für „harmonische Philosophie“ ausgegeben wird.

Binnen zehn Jahren hat dieser „Spiritualismus“ allein in Nordamerika weit über eine Million Bekenner gewonnen; ja es wird behauptet, daß die Zahl derselben allein in jenem Lande schon bis zu vier Millionen angewachsen sei. Gewiß bleibt, daß er überall hin verbreitet worden ist und, so toll er auch sein möge, als eine wichtige Erscheinung betrachtet werden muß. Auch hat er in Europa eine große Menge von Gläubigen und bereits eine Literatur, welche Tausende von Bänden umfaßt. Seine Anhänger sind unermüdlich in seiner Verbreitung und haben sogar an einem Hofe eine Rolle gespielt, der sich von ihnen über die Zukunft Raths erholen wollte. Napoleon der Dritte war oft in Verkehr mit einem New-Yorker Spiritualisten!

Dieser neue Geisterglaube wirkt ungemein verderblich und verrückt Vielen die Köpfe, denn es ist erwiesen, daß ein großer Theil der Insassen in den verschiedenen Irrenhäusern durch den Spiritualismus toll geworden. Während die Naturforschung eine Höhe und einen Umfang erreicht hat, wie nie zuvor, verfallen die Menschen wieder in den dicksten Aberglauben, laufen Wahngebilden nach und bringen Methode in den Unsinn. Wir haben eine geistige Seuche vor uns, deren Ansteckung über den ganzen Erdball reicht. Hoffentlich wird sie sich auswirthschaften, wie andere Epidemien, aber gegenwärtig bildet sie eine eben so betrübende als interessante Erscheinung, und es verlohnt sich wohl der Mühe, daß wir unsern Lesern einige Mittheilungen darüber geben. Wir thun es so zu sagen in bunter Reihe, denn wer könnte Ordnung in dieses phantastische Gewirr bringen, das ungemein mannichfaltig ist und sich aller eingehenden Erklärung entzieht?

Für Millionen und Abermillionen hat es etwas Lockendes, mit der sogenannten Geisterwelt in Verbindung zu treten, und ein solcher Hang ist sehr erklärlich bei Jedem, der überhaupt an „überirdische Geister“ glaubt. Zu allen Zeiten haben die Menschen sich gern mit einem Jenseits beschäftigt, das sie sich freilich in sehr verschiedener Art und Weise dachten und ausschmückten. Die Kirchenlehre über Himmel und Hölle, von Engeln und Teufeln ist dabei oft maßgebend, und die Spiritualisten berufen sich bei ihrer Hantirung auf alle Zeiten der Vergangenheit, heidnische wie christliche. Schon Odysseus sah im kimmerischen Gebiete „Luftgebilde der Todten“ und flehete deren Schaaren mit Gelübden an. Er unterhielt sich mit seinem verstorbenen Gefährten Elpenor, mit dem Wahrschauer Tiresias, und erkannte plötzlich auch den Schatten seiner eigenen Mutter:

– ich aber, durchbebt von inniger Sehnsucht,
Wollt’ umarmen die Seele der abgeschiedenen Mutter.

Aber dreimal flog sie ihm aus den Händen hinweg, wie nichtiger Schatten, wie ein Traumbild, und als er fragte, weshalb sie sich ihm entziehe, wurde ihm die Antwort:

„Unsere Seele verfliegt, wie ein luftiger Traum, und entschwebet.“

Diese Geister waren also, wie jene unserer Spiritualisten, nicht greifbar. Auch die alten Römer und die jüdischen Kabbalisten glaubten an Geister in menschlicher Gestalt, an sogenannte Bilder der Seele, und die Spuk-, Polter- und Klopfgeister, die Kobolde und Klabautermänner spielen im Mittelalter eine große Rolle. Von Manchen wurde angenommen, daß sie während ihres Lebens Verbrechen begangen hätten und verdammt seien, auf der Erde zu hausen. Ihre Gegenwart gaben sie in sehr mannichfaltiger Weise zu erkennen, und schon der alte Theophrastus Paracelsus Bombastus weiß ganz genau Folgendes: „Sie kommen nicht immer in leiblicher Gestalt, sondern unsichtbarer Weise, daß nur etwa ein Schall oder Ton, Stimm’ oder schlecht Geräusche von den Lebenden gehört wird, als da ist Klopfen oder Pochen, Zischen oder Pfeifen, Niesen, Heulen, Wehklagen, Seufzen, Trampeln mit den Füßen, welches Alles von innen geschieht, daß die Leute aufmerksam werden und sie fragen.“ Das Alles thun, wie die Spiritualisten wissen wollen, unsere neumodischen Geister auch, nur machen sie in unserer aufgeklärten und fortgeschrittenen Zeit noch eine Menge von eigenthümlichem Hokuspokus hinzu, wie wir weiter unten sehen werden.

Durch manche Stellen, welche in den alten jüdischen Büchern enthalten sind, wurde es auch bei den Christen Glaubensartikel, daß man mit den abgeschiedenen Geistern verkehren könne. In dieser Beziehung ist die bekannte Geschichte der Hexe von Endor wichtig geworden. Bei den Kirchenvätern gilt die Ansicht, die Seelen mancher Verstorbenen seien Dämonen, welche, mit Sünde erfüllt, den Körper verlassen hätten, von Haß und Begierde umhergetrieben würden, die Beschaffenheit von Dämonen annähmen, sich in verschiedene Gestalten umwandeln und sichtbar oder unsichtbar machen können. Nachdem einmal solche Ansichten feststanden, kann uns natürlich keinerlei Spuk, und sei er noch so toll und widersinnig, überraschen. Die Leute glaubten daran, und damit ist Alles gesagt. Heidnische Philosophen hatten die Unsterblichkeit in Abrede gestellt; die Kirchenväter machten dagegen geltend, sie, die Heiden, würden doch wohl ihre Behauptung nicht vor einem Magiker aufrecht erhalten,

welcher durch seine Zauberkunst die Seelen aus der Unterwelt

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 328. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_328.jpg&oldid=- (Version vom 11.6.2023)