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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

Unterstützung; die Wahlen wurden jedoch nicht in dem beabsichtigten Sinne durchgesetzt. Seine Rührigkeit in Prag hatte auf ihn derart aufmerksam gemacht, daß ihn die Stadt Leitmeritz als Volksvertreter für die Nationalversammlung in Frankfurt wählte. Er nahm seinen Sitz auf der Linken, also bei der liberalsten Partei des Parlamentes und sprach und stimmte nur für jene Vorschläge, die von ehrlich gewissenhaften Männern, welche stets die Wohlfahrt des deutschen Volkes im Auge hatten, ausgingen.

Während des September-Aufstandes in Frankfurt zeigte er aber noch persönlichen Muth in der größten Gefahr. Von seiner Partei beauftragt, mit den Führern der Truppen zu unterhandeln, daß die Feindseligkeiten eingestellt würden, bis ein bestimmter Befehl von dem Reichsverweser ausginge, unternahm er es, im prasselnden Kugelregen die Kämpfer auf den Barricaden zu beschwichtigen, die erbittert das Feuer von Seite des Militairs erwiderten. Es gelang ihm nur ein geringer Waffenstillstand; wie ein Wunder aber muß es erscheinen, daß er damals mit heiler Haut wegkam. Selbst seine Gegner legten damals für ihn Zeugniß ab, daß er sich in diesem Momente auf die unerschrockenste Weise benommen hätte, und man wollte ihm für diese Probe seines Muthes einen Dank in der Nationalversammlung votiren, den er aber bescheiden ablehnte.

Im October wurde er mit Robert Blum und Julius Fröbel von seiner Partei nach Wien, das sich gegen ein mächtiges Belagerungsheer zu vertheidigen suchte, abgeordnet. Er dankte es nur dem Zufalle, nicht mit seinen Collegen in demselben Hotel zusammengewohnt zu haben, daß er, als die Stadt genommen war, nicht gleich ihnen verhaftet und dem Militair-Standgerichte unterworfen wurde. Ein sicheres Versteck rettete ihn vor den Nachforschungen, die man überall hielt; es gelang ihm endlich „post tot discrimina rerum“, sich von dort nach Berlin und weiter nach Frankfurt zu flüchten, wo er einen erschütternden Bericht über seine gefahrvoll traurige Sendung abstattete.

Im Januar 1849 veröffentlichte Moritz Hartmann die ersten Hefte seiner „Reimchronik“; selten hatte eine literarische Erscheinung in Deutschland einen so ungeheueren Erfolg, der um so verdienstlicher ist, da ihn nicht allein die politische Tendenz, sondern eigentlich die poetische Kraft, die darin wirkte, vermittelt hatte. Die „Reimchronik“ ist ein glänzender Beweis, daß in unserem Poeten immer ein Stück Ulrich von Hutten steckte, mit dem er den rhythmischen Schwung des Ausdrucks und zugleich die Ehrlichkeit der Gesinnung gemein hat. Wie dieser Dichter mußte er sich, nachdem er noch dem „Rumpfparlamente“ in Stuttgart beigesessen, dessen Auflösung durch Waffengewalt erlebt und die letzten Züge der Revolution in Baden durchgemacht hatte, wieder auf die Flucht und auf das Wandern verlegen; er ging in das Berner Oberland und später an den Genfer See, wo er mit Jakoby und H. Simon mehrere Monate blieb. Hartmann hat nie, wie andere Flüchtlinge, sein Märtyrerthum ausgebeutet und gleichsam Interessen von seinem Unglücke gezogen; er wollte nicht von fremdem Mitleid haben, was er sich durch eigene Geisteskraft erringen konnte. Darum warf er sich auch sofort auf die literarische Production. Sein Roman: „Der Krieg um den Wald“, das epische Gedicht: „Adam und Eva“, das letzte Heft der „Reimchronik“, „die Verbannten von Locarno“, „Kalotes“ in den „Schatten“ sind die Resultate seines Aufenthaltes am Genfer See, den er hierauf mit einer kürzeren Rast in Bern vertauschte, wo er sich an ein größeres Gedicht: „Donna Juana“ machte, das aber nach vier fertigen Gesängen Fragment verblieben ist.

Aus der Schweiz ging er nach Paris, von dort nach England, Irland und Schottland und später nach Belgien und Holland. Die „Contraste“ und die „Indo-germanische Geschichte“ in den „Erzählungen eines Unstäten“, wie auch seine „Briefe aus Irland“, die er an das „Deutsche Museum“ schickte, beweisen, daß er auf diesen Fahrten nicht unthätig war.

Den Winter von 1850 bis 1851 brachte er in Paris zu und verwendete den nächsten Frühling, Sommer und Herbst zu einem Ausfluge nach der Provence und Languedoc, dessen schriftstellerische Frucht sein „Tagebuch“ und „Glorie“ und „der blinde Wilhelm“ in den „Erzählungen eines Unstäten“ sind. Den Winter 1851 bis 1852 blieb er wieder in Paris und war hier Augen- und Blutzeuge des Napoleon’schen Staatsstreiches. Im folgenden Sommer trat er eine Reise nach der Bretagne an, auf der er Volkslieder sammelte und deren interessante Eindrücke er in reizenden Artikeln verarbeitete, die im „Deutschen Museum“, im „Stuttgarter Morgenblatte“ und im „Frankfurter Museum“ veröffentlicht wurden.

Im Februar 1853 wurde Moritz Hartmann in Mazas verhaftet; die Vorrede zu den „Erzählungen eines Unstäten“ beschreibt ausführlich diese Verhaftung und deren weiteren Verlauf; sie ist vielfach von deutschen Blättern geplündert worden und das Lesepublicum kennt sie auf diesem Wege in allen ihren Details. Man kann sie mit gutem kritischen Rechte ein stylistisches Meisterstück nennen, das wie eine gelungene Ouvertüre das Werk, dem sie vorsteht, eröffnet und dafür harmonisch und sympathisch stimmt.

Nachdem er früher noch eine Reise nach London gemacht hatte, ging er im Jahre 1854 als Correspondent für die „Kölnische Zeitung“ nach der Türkei und auf alle Schauplätze des orientalischen Krieges. Er hatte sich vor dieser Reise durch einen Sturz vom Wagen ein Beinleiden zugezogen, das er anfänglich nicht beachtete, das ihn aber schon im Oriente empfindlich quälte und nach seiner Rückkehr durch achtzehn Monate auf das Krankenlager warf, nachdem er vergeblich seine Heilung in Wildbad, wohin er unter fremdem Namen ging, gesucht hatte. Seine Freunde und Verehrer, die ihn während dieser langen Leidens-Epoche besuchten, wissen nicht genug seinen Muth und seine Geduld zu rühmen, die er mit wahrhaft philosophischer Ergebung an den Tag legte. Er war sich seines gefährlichen Zustandes bewußt und hatte die Ueberzeugung, daß er nur wie durch ein Wunder gerettet werden könnte. Dies Wunder vollbrachte ein in Paris lebender deutscher Arzt, Gruby, da ihn schon alle übrigen Aerzte aufgegeben hatten.

Im Sommer 1858 wieder hergestellt, machte er einen Ausflug nach Deutschland, wo er zugleich die Herausgabe von drei Büchern: „Zeitlosen“, „Bretonische Volkslieder“ und „Märchen“ besorgte, welche literarische Trias den verdientesten Erfolg hatte. Gegenwärtig lebt Moritz Hartmann in Paris, hat aber für die nächste Zeit eine Reise nach Afrika vor.

Man sieht aus dieser Biographie, bei der wir uns absichtlich auf Thatsachen beschränkten, daß der geschilderte durch und durch deutsche Poet ein reiches Leben hinter sich hat und daß er eine harte Schule durchmachen mußte. Ihm ist aber nie der Muth und die Jugendfrische abhanden gekommen; er ist eben nicht eine verzagte, sondern eine resolute Natur, die sich trotz alledem ihren Weg macht.

Es ist nicht zu viel gesagt und kein übertriebenes Lob, wenn wir Moritz Hartmann den besten Dichtern anreihen, die Deutschland mit Stolz jetzt sein nennen darf; und er hat noch nicht seine letzte Karte ausgespielt, die, wie Hafis singt, jedenfalls ein „gewinnend Aß“ sein wird.




Der Eishandel.

Es wird unsern Lesern hinreichend bekannt sein, daß das Eis im Handel eine ungewöhnliche Wichtigkeit erlangt hat, welche vielleicht nur durch die eines andern Handelsartikels, des so hoch geschätzten Guano, übertroffen wird. Der Guano-Handel ist ein wahres Ereigniß in der Handelswelt gewesen; das hastige Vorwärtsströmen einer Karawane nach einem Flusse in der Wüste würde kaum die Begierde versinnbildlichen, mit welcher dieser Handel verfolgt worden ist, nachdem man einmal die Größe des Gewinnes kennen gelernt hatte. Dennoch fürchten wir, daß die Tage des Guano-Handels gezählt sind; wir prophezeien, daß er in Kürze eines natürlichen Todes sterben werde, eines Todes der reinen Erschöpfung, und daß der Nachwelt nicht eine Spur davon bleiben werde, ausgenommen die Stelle, von welcher man den Guano geholt und wo er so lange ruhig gelegen hat.

Nicht so wird es mit dem Eishandel der Fall sein. So lange der Wechsel der Jahreszeiten bestehen wird, können wir annehmen, daß Hunderttausende von Tonnen jährlich auf der Oberfläche der Erde vertheilt werden. Das Eis wird bekanntlich in Folge eines

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 271. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_271.jpg&oldid=- (Version vom 10.5.2023)