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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

veranlaßt worden ist, hat der wissenschaftliche Arzt zu ergründen; der Homöopath braucht sich darum natürlich nicht zu kümmern.

Während des steten Fortschreitens des Krankheitsprocesses treten nun auch in sehr vielen Fällen solche Folgezustände und zwar ganz nothwendiger Weise ein, welche eine vollständige oder theilweise Tilgung der krankhaften Entartung bewerkstelligen, und daher kommt es denn, daß die meisten Krankheiten ganz von selbst, ohne Arzt und Arznei, ja sogar trotz dieser und bei der verschiedenartigsten Behandlungsweise heilen. Man pflegt solche Folgezustände auch „Naturheilungs-Processe“ zu nennen. Sie sind’s ganz allein, denen bei der homöpathischen Curirerei mit Nichts die Genesung des Kranken zu verdanken ist. – Nicht selten führen diese Processe die Krankheit aber auch zu einem andern Ende, nämlich entweder zu bleibenden, organischen Fehlern oder zum Tode entweder des kranken Theiles (Brand) oder des ganzen Körpers (Sterben). In der Regel kann der Arzt nicht im Voraus wissen, welchen Ausgang die Krankheit nehmen wird (in Genesung, organischen Fehler oder Tod), und deshalb darf ein gebildeter Arzt sich auch niemals bestimmt darüber aussprechen, ob und wann ein Kranker gesunden oder sterben wird.

Von selbst entsteht keine Krankheit. Jede Krankheit bedarf zu ihrem Entstehen einer oder mehrerer Veranlassungen (Krankheitsursachen, Schädlichkeiten, Noxen). In den wenigsten Fällen wird die Krankheitsursache, welche den Stoffwechsel in Unordnung brachte und entweder von der Außenwelt kommt oder im Innern unseres Körpers erregt wurde, bekannt, und ebenso selten lassen sich im Voraus die Folgen der Einwirkung dieser Ursachen bemessen. Sehr häufig ziehen ganz dieselben Schädlichkeiten nicht blos bei verschiedenen Personen, sondern auch bei ein und demselben Menschen zu verschiedenen Zeiten, ganz verschiedene Krankheiten nach sich. Und umgekehrt können die verschiedenartigsten Ursachen ein und dieselbe Krankheit erzeugen. Man bezeichnet die größere Geneigtheit des Körpers oder einzelner seiner Theile, durch Schädlichkeiten in Krankheit versetzt zu werden, als Disposition, Anlage zu Krankheiten, und nennt einen Theil, der vorzugsweise gern erkrankt, den locus minoris resistentiae. – Trotzdem nun aber, daß man bei vielen Krankheiten die veranlassende Ursache nicht kennt, ist der Mensch doch im Stande, sehr viele Krankheiten von seinem Körper fern zu halten, und das lehrt ihm die Gesundheitslehre (Hygieine, Diätetik); davon später.

Bock.




Die Meteoriten und die Kometen.
Von F. v. R–ch. – (Schluß.)

Sehen wir nun aber solche Schwärme? Begegnen wir ihnen am Himmel? – Allerdings! Aehnliche Erscheinungen sind da und zeigen sich uns. Es sind die Kometen. Sollten sie, wie es das Ansehen hat, ungeheure Schwärme von kleinsten Partikelchen sein, die in unserem Sonnensysteme kreisen? Das wollen wir ein wenig genauer auf den Prüfstein legen. – Die Kometen bestehen aus einem Kopfe oder Kerne und einem Schweife, der oft zehn und mehr Millionen Meilen lang ist. Beide sind für uns so durchsichtig, daß wir die Sterne hinter ihnen sehen. Das Licht von diesen geht ungebrochen durch den Kometen hindurch. Das eigene Licht des Letzteren zeigt sich polarisirt. Wir wissen, daß die Kometen keine Phasen haben; ferner, daß sie an andern Gestirnen keine Störungen bewirken; daß sie an äußerem Umrisse wie an innerer Gestaltung nicht gleich bleiben, sondern sich fortwährend ändern; daß ihr specifisches und ihr absolutes Gewicht äußerst gering ist, so daß man von sehr kleinen Kometen berechnet hat, daß sie sammt Schweif nur etwa 8 Pfund wiegen. Daraus folgern die Astronomen mit Sicherheit, daß ein Komet, und besonders sein Schweif, weder aus tropfbarflüssigem, noch aus luftförmigem Stoffe bestehen könne; daß seine Theile keinen Zusammenhang haben können, sondern daß er nothwendig aus einem Schwarme ungemein kleiner, aber fester Partikelchen bestehen müsse, also aus Körnchen; daß jedes einzelne Körnchen von jedem anderer in ziemlich weitem Abstande sich befinden müsse und zwar in so großem, daß Lichtstrahlen zwischen ihnen in Menge und mit Leichtigkeit durchgehen können; daß der ganze Komet kein eigenes Licht besitze, sondern nur mit erborgtem, von der Sonne entlehntem leuchte; endlich, daß diese erleuchteten Körnchen, im Weltraume schwebend, sich frei bewegen und dem Einflusse äußerer und innerer Agention ungehindert nachgeben, sofort sich untereinander stellenweise bald anhäufen, verdichten oder ausdehnen können, und daß der Kern der Kometen, wo einer vorhanden ist, nichts Anderes, als eine solche Anhäufung nur aus kleinen Partikelchen bestehender lockerer Substanz sei.

Wir besitzen also in den Kometen, um es in wenige Worte zusammenzufassen, einen lockeren, durchsichtigen, beleuchteten, freibeweglichen Schwarm kleiner fester Körnchen, schwebend im leeren Weltraume. Was wir also oben aus dem physischen Zustande, in welchem wir die vom Himmel zu uns kommenden Meteoriten finden, folgerecht erschlossen haben, das tritt in den Kometen uns thatsächlich vor die Augen. Die Meteoriten müssen früher als Schwärme existirt haben, die Kometen kreisen gegenwärtig als Schwärme am Himmel, beide augenscheinlich von derselben physischen Beschaffenheit; sie fallen also für unsere Erkenntniß in Eins zusammen. Die Schwärme, als welche die Meteoriten früher existirt haben müssen, sind Eins und dasselbe mit den Kometenschwärmen.

Nun sehen wir an den Kometen, daß sie bald einen leeren, einförmigen Schwarm ausmachen, bald, und zwar in der Mehrzahl, einen Kern haben, einen excentrischen Mittelpunkt größerer Dichtigkeit. Er ist bisweilen noch durchsichtig, in anderen Fällen nicht mehr. Es bildet sich dort eine Näherung und Vereinigung der Schwarmpartikeln, ein fester Knotenpunkt schürzt sich aus den lockern Bestandtheilen, Er erscheint uns in einiger Größe, aber dennoch ist er gering an Masse. Und vergleichen wir unsere größten Meteoriten mit den großen Kometen, so zeigt die Rechnung, daß sie einander wenig oder nichts nachgeben. So haben wir denn gegründete Ursache zu der Muthmaßung, daß der Kern der Kometen nichts anderes, als der Beginn der Entstehung eines Aërolithen sei.

Einen unantastbaren Beweis hiervon wird man nie führen können, denn niemals wird ein Mensch einen Kometenkern in die Hand bekommen, so lange er mit seinem Schweife durch den Himmeln wandert. Aber in allen Naturwissenschaften und nicht weniger in der so glücklich rechnenden Astronomie gibt es eine Menge Dinge, die wir nicht auf den Ambos legen können, und selbst die Exactesten müssen sich dann mit Aufzählung von Aehnlichkeiten und daraus hergeleiteten Wahrscheinlichkeiten begnügen. Es kommt dabei nur darauf an, wie groß diese Wahrscheinlichkeit und wie gering die übrig bleibenden Bedenken sind.

Darum wollen wir nicht auf unsere Zweifler warten, sondern wir wollen die Einwürfe uns selbst machen. Der nächste ist beim ersten Anblicke: „Warum sind die Kügelchen rund? Die Natur bildet keine runden, sondern lauter eckige und kantige Krystalle. Und warum ist ein großer Antheil an den meisten Steinmeteoriten erdig?“ – Zunächst sind die Eisenmeteoriten durchaus krystallisirt, und auch dann, wenn dies nicht leicht sichtbar gemacht werden kann, wie bei den Meteoriten bei Hauptmannsdorf, so kommt es beim Bruche zum Vorscheine. Die Sternmeteoriten aber sehen wir zusammengesetzt aus den verschiedenartigsten mineralischen Gebilden. Sie machen nicht alle zusammen Einen Krystall aus, wie manche Eisenmeteoriten, sondern sie sind jedes einzeln für sich krystallisirt, und wenn wir sie genau prüfen so sind sie fast alle nicht ganze Krystalle, sondern lauter Trümmer von Krystallen. Die Grundmasse ist keine formlose Erde, sondern sie löst sich unterm Mikroskope auf in einen feinen Sand von Krystalltrümmern. Alle die schön runden Kügelchen, wie die ovalen, knolligen, dann die platten, geschiebartigen Bestandtheile, der eckige, splittrige und zerfetzte Gries, aus welchem die Luftsteine bestehen, sind fast lauter Bruchstücke von früheren ganzen Krystallen.

Nun denn, „wo kommt dieses Haufwerk unordentlichen Zeuges, dieser Gries von Trümmern her? Wo sind die Stampf- und Mahlwerke, die allen diesen Schutt erzeugt haben?“ – Die Antwort kann gegeben werden. Wir sehen an allen Kometen, daß sie nichts weniger als in sich ruhig und unveränderlich sind. Im Gegentheile ist ihr Inhalt in beständiger innerer Bewegung. Bald da, bald dort verdichtet, häuft oder theilt und verdünnt er sich. Vom Kopfe aus scheint der Schweif beständig nach rückwärts zu strömen und muß folglich von andern Seiten wieder vorwärts fließen. Jede Stunde, sagen uns aufmerksame Astronomen, ändert ein Komet mehr oder minder seine Gestalt. Was muß nun die Folge sein von solch einer ununterbrochen fortdauernden inneren und äußeren Bewegung und Strömung einer lockern Masse von unzählbaren kleinen Steinchen in Krystallgestalt? Doch gewiß fortwährendes Aneinanderstoßen, Drücken, Reiben, Quetschen, Abnützen der Spitzen, Kanten und Oberflächen. Wenn dies nicht im ganzen Kometen geschieht, so geschieht es gewiß wenigstens im Kerne. Und das Ergebniß dieser

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 263. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_263.jpg&oldid=- (Version vom 6.5.2023)