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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

Schloßband nicht mehr hindert, die Schalen auseinander zu ziehen. Dieser Umstand ist sehr wichtig für die Perlenfischerei, da es eine große Arbeitsvermehrung sein würde, wenn man das Oeffnen der Muscheln mit dem Messer bewerkstelligen müßte. Bei B sehen wir den Byssus, einen Büschel sehr fester sehniger Fäden, mit denen das Thier auf dem Meeresgründe festsitzt.

Der Mantel ist jetzt für uns das wichtigste Organ des Thieres, denn wie die Schalen, so bereitet er auch die Perlen. Zu dem Ende scheidet er an seiner ganzen Oberfläche, namentlich aber am Rande, R, Kalkstoff und einige andere Stoffe aus, aus denen jene sich bilden.

Man kann wesentlich viererlei Baustoffe der Muschelschalen unterscheiden: Perlmutterstoff, die sogenannte Säulenschicht, die Oberhaut und den eigenthümlichen, elastischen, oft schön irisirenden Stoff des Schloßbandes. Die ersteren drei sind zugleich die Stoffe, aus denen die Perlen gebildet werden, wenigstens können alle drei dazu verwendet werden, wenn auch wahrscheinlich die ganz reinen Perlen, die Perlen „vom reinsten Wasser“, wie der Juwelier sagt, lediglich aus Perlmutterstoff gebildet sein mögen.

Fig. 1. Die eine Schale einer Perlenmuschel mit dem darauf liegenden Thiere; natürl. Gr. – Fig. 2. Eine Stelle der Perlenoberfläche, 300mal vergrößert. – Fig. 3. Eine durchschnittene Perle, 50mal vergrößert. – Fig. 4. Ein Stück aus der Schale einer Flußperlenmuschel, 6mal vergrößert.

Diese Stoffe werden jedoch von dem Thiere, so weit dieselben zugleich für die Muschelschalen und für Perlen dienen, oft in umgekehrter Reihenfolge verwendet. An den Muschelschalen selbst wird bei deren Vergrößerung an ihrem Umfange zunächst die Oberhaut in einer neuen Lage angesetzt, unter diese zunächst eine Lage Säulenschicht und zuletzt an diese eine Schicht Perlmutterstoff angelagert. Dies soll uns Fig. 4. veranschaulichen. Sie stellt in sechsmaliger (6/1) Vergrößerung ein bis zur Durchsichtigkeit dünngeschnittenes Plättchen aus der Schale unserer deutschen Flußperlmuschel dar. Wir sehen an Fig. 4. zumeist nach links zunächst die dünne schwarz-braune Oberhaut (o), dann die Säulenschicht (s) und dann die dicke Perlmutterschicht (p bis p″). Auf letzterer sehen wir die durch Striche bezeichneten Säulen der Säulenschicht senkrecht stehen, aber die Ablagerungsgrenzen der Perlmutterschicht gehen auch durch die Säulenschicht mit hindurch. Diese Grenzen, die einzelnen abgelagerten Schichten bezeichnend, sind theils durch stärkere entfernter stehende, theils durch zahllose außerordentlich feine Linien bezeichnet, welche letzteren der Deutlichkeit wegen blos von p′ bis p″ gezeichnet sind: daß auch sie in der Wirklichkeit noch unendlich viel feiner und dichter sind, versteht sich von selbst.

Bei der Bildung der Perle dagegen wird, wenn alle diese drei verschiedenen Stoffe dazu verwendet werden, oft so verfahren, wie es Fig. 3 der Durchschnitt einer deutschen Perle, darstellt. Im Mittelpunkte sehen wir den Kern (K), um welchen die Anlagerung der Stoffe stattgefunden hat, dann kommt (wie es scheint, nach einer Schicht Perlmutterstoffes) eine Oberhautschicht (o), dann eine doppelte Säulenschicht (s) und zuletzt eine dicke Perlmutterschicht (p). Hier haben wir also den Fall, daß der Bildung nach die Perle eine umgekehrte Muschel genannt werden könnte. Diese Schichtenanordnung findet aber keineswegs immer statt. Manchmal wiederholt sich an einer Perle diese Schichtenfolge mehrmals, oder eine und die andere Schicht fehlt ganz, oder die Perle besteht, der Kern ausgenommen, nur aus Perlmutterschicht; ja es kann wohl auch der Fall vorkommen, daß eine Perle blos aus Säulenschicht besteht. Diese Verschiedenheit des Stoffes der Perlen beruht ohne Zweifel darauf, daß sich Perlen in verschiedenen Theilen des Thieres bilden können, welche diese verschiedenen Stoffe ausscheiden, und daß die Perle während ihrer Bildung im Leibe des Thieres von einem Ort zu einem andern fortrückt und dabei nach einander in die Bereiche verschiedener Stoffausscheidung kommt.

Nothwendig hat diese Stoffverschiedenheit Einfluß auf die Güte der Perlen und, andere nothwendige Eigenschaften einer tadellosen Perle vorausgesetzt, wird diejenige Perle die vorzüglichste sein, welche nur aus Perlmutterstoff besteht. Da nun die Perlmutterschalen zuweilen über einen halben Zoll dick sind und ihr Perlmutter genau derselbe Stoff ist, wie der einer Perle „vom reinsten Wasser“, die sich vielleicht in derselben Muschel gebildet hatte, – sollte man da nicht aus Perlmutter die schönsten Perlen drechseln können? Der in Fig. 4. gezeichnete Kreis soll uns veranschaulichen, weshalb dies nicht geht. Stellen wir uns eine Perle an dieser Stelle aus der Perlmuttermasse gedreht vor, so würde diese Perle die Schichten des Perlmutters überall durchschneiden, und nur an zwei Punkten, an den Polen der durch unseren Kreis gezogenen geradlinigen Axe, würde die Kugeloberfläche mit den Schichten des Perlmutters parallel zusammentreffen. Nur diese beiden Punkte würden Glanz, Wasser haben, sonst würde die ganze gedrechselte Perle glanzlos sein, wie wir wissen, daß es das Perlmutter auf dem Querschnitt stets ist, und wie auch die schönste Perle auf dem Querschnitt es ebenfalls ist. Mithin beruht der eigenthümliche Glanz beider nicht in der Beschaffenheit ihrer Masse, sondern in der schichtweisen Uebereinanderlagerung derselben. Diese erfolgt an der sich vergrößernden Perle rings an ihrem ganzen Umfange und dadurch zeigt dieselbe auf dem Querschnitte lauter concentrische Kreise, wie eine quer durchschnittene Zwiebel. Diese Kugelschalen, aus denen mithin die Perle besteht, werden aber nicht ringsum, gewissermaßen als geschlossene Häute, abgesetzt, eben so wenig wie die innere Fläche einer Muschel Schicht um Schicht gebildet wird. Wäre dies der Fall, so müßte die Oberfläche beider unter dem Mikroskop ganz eben, glatt und stark glänzend erscheinen. Dieselbe zeigt vielmehr bei beiden sehr zarte moirirte (gewässerte) Linien, wie es Fig. 2 darstellt. Gleichwohl ordnen sich diese unendlich dünnen, einzeln abgelagerten Lappen im Großen zu dickeren Schichten, wie wir sie bei Fig. 3. und 4. dargestellt fanden, so daß dennoch im Großen – obgleich immerhin nur theilweise für das unbewaffnete Auge erkennbar – die Perle aus Kugelschalen (zwiebelartig) zusammengesetzt ist.

Der Perlmutterstoff, den wir als den wesentlichen und oft alleinigen Bestandtheil der Perlen kennen gelernt, ist aber wieder ungleich zusammengesetzt, so fest und dicht uns auch ein Stück Perlmutter erscheint. Legen wir ein solches in Salzsäure, so fällt es uns auf, daß es sehr wenig braust und sich nicht völlig darin auflöst, was beides der Fall sein müßte, wenn das Perlmutter und die Perlen blos aus Kalk, und zwar kohlensaurem, beständen. Untersuchen wir den unaufgelöst gebliebenen Rückstand, der sogar noch ganz zusammenhängend und größer, als vorher, aufgequollen und weich erscheint, so finden wir, daß er aus zahllosen übereinanderliegenden, außerordentlich feinen Häuten besteht. Zwischen diesen war der nun von der Säure aufgelöste Kalk eingelagert gewesen. Die Perle gehört mithin dem Stoffe nach eben so sehr dem unorganischen, wie dem organischen Reiche an und es erscheint uns nun als eine Fabel, wenn Plinius erzählt, daß Kleopatra bei einem kostbaren Gastmahle, das sie dem Antonius gab, um ihre Behauptung, dabei 552,000 Thaler zu verthun, wahr zu machen, eine Perle von unschätzbarem Werthe in Essig aufgelöst und „getrunken“ habe. Wenn das Geschichtchen überhaupt wahr ist, so hat sie eine weiche, häutige Pille zu verschlucken gehabt.

Ueber die Entstehung der Perlen behauptet eine gar liebliche Sage, die freilich den Leuten vor Alters nicht blos Sage war, daß ein Thautropfen in den geöffneten Schooß der Muschel falle und

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 96. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_096.jpg&oldid=- (Version vom 16.2.2023)