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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

werden, welche von der geistigen Größe und Herrlichkeit des deutschen Volkes Kunde geben. Gerade Nürnberg mit seiner denkwürdigen Vergangenheit schien besonders geeignet, in seinen Mauern das germanische Museum als Mittelpunkt für die historischen Quellen deutscher Vorzeit zu besitzen.

Für den Anfang genügten die verschiedenen Zimmer in zwei geräumigen Häusern, um die vom Freiherrn von Aufsess dem Museum auf zwanzig Jahre zur Benutzung überlassene Bibliothek von zehntausend Bänden historischer Werke nebst den Repertorien und der reichen Sammlung von Kunst- und Alterthumsschätzen aller Art aufzustellen. Bald machte sich jedoch das Bedürfniß nach größeren Localitäten geltend. Die verschiedenen Zweige der Sammlungen waren von vielen Seiten mit schätzbaren Geschenken bedacht worden, die Anzahl der Beamten des Museums mehrte sich, so daß bei der geringen Aussicht, die in Nürnberg hinsichtlich eines geeigneten Hauses geboten wurde, die Conferenz des Ausschusses, trotz der Vorliebe für Nürnberg, auf die Propositionen des Großherzogs von Weimar oder des Herzogs von Gotha einzugehen geneigt war. Der erstere Fürst bot nicht nur die Räume der Wartburg zur freien Benutzung für die Sammlungen des Museums an, sondern war sogar bereit, seine eigenen Sammlungen mit diesen zu vereinigen und für die Besoldung der erforderlichen Beamten Sorge zu tragen. Aehnliche Vorschläge waren auch von Seiten des Herzogs von Coburg gemacht worden, der ebenfalls die durch Aufsess verwirklichte Idee mit großer Liberalität zu fördern suchte. Die Unterhandlungen mit König Maximilian von Baiern, der die wohlwollendsten Gesinnungen für das Museum bekundete, hatten noch zu keinem Resultate geführt, und es war eine geraume Zeit verflossen, ohne daß die Frage wegen des künftigen definitiven Sitzes der Anstalt entschieden worden war. König Maximilian hatte unterdessen dem Museum einen jährlichen Zuschuß von 1000 fl. und später von 2500 fl. bewilligt, vorausgesetzt, daß es Nürnberg erhalten bleibe; ebenso unterstützten noch viele andere gekrönte Häupter und Staatsregierungen die Anstalt durch regelmäßige Beiträge. Achtbare Männer aus allen Ständen erboten sich zur unentgeltlichen Uebernahme von Agenturen, und suchten namentlich durch Einsammeln von Geldbeiträgen in allen Gegenden des deutschen Vaterlandes im Interesse des Museums zu wirken und die Existenz desselben mehr und mehr zu sichern.

Denn wie zur Ausführung jeder großen, weittragenden Idee materielle Mittel erforderlich sind, so machte sich auch bei dem Museum das Bedürfniß nach Geld um so mehr geltend, als nicht nur die Regiekosten und Besoldungen namhafte Summen beanspruchten, sondern auch zur Erreichung des vorgesteckten Zieles die Sammlungen durch Ankäufe vermehrt werden mußten.

Die deutsche Bundesversammlung, welche gleich von Anbeginn des Museums demselben die Rechte einer juridischen Person zuerkannt hatte, empfahl es der Theilnahme und Unterstützung aller deutschen Regierungen, und bereicherte namentlich die Bibliothek des Museums um 6000 Bände, welche früher im Besitz der National-Versammlung zu Frankfurt gewesen waren. Es würde zu weit fuhren, hier auch nur die hauptsächlichsten Geschenke und Unterstützungen namhaft zu machen, deren sich das Museum von allen Seiten zu erfreuen hatte; sowohl das deutsche Volk, wie die Regierungen und Fürsten bethätigten die erfreulichste Theilnahme für das immer mehr emporblühende Institut.

Schon nach Verlauf von wenigen Jahren hatte der junge Baum die kräftigsten Wurzeln geschlagen, ja, zur Freude Aller, die an seinem Gedeihen Interesse nahmen, sollten sich diese Wurzeln in dem Boden, wo sie die ersten Keime getrieben hatten, immer mehr befestigen, indem durch einen Beschluß des Königs Maximilian von Baiern das schon früher in Aussicht gestellte Karthäuserkloster an das Museum überlassen wurde. Hiermit war die Anstalt in Besitz eines Wohnsitzes gelangt, der ihrem künftigen Bestand immer mehr Garantie bot und zugleich gestattete, die Kräfte ihres Organismus mit freudigem Muth weiter zu entfalten.

Eben dieser innere Organismus des Museums hatte sich im Laufe weniger Jahre trefflich entwickelt, und es dürfte wohl von Interesse sein, desselben hier näher zu gedenken.

Zur obersten Leitung des Museums war ein Directorium gewählt worden, bestehend aus dem Freiherrn Dr. von Aufsess als erstem und Rector Dr. Bang als zweitem Vorstand. Die Hauptaufgabe dieses Directoriums besteht darin, die in Bezug auf das Museum getroffenen Bestimmungen in jeder Hinsicht aufrecht zu erhalten, Beamte anzustellen und ihnen geeignete Arbeiten zuzuweisen, ferner die Oberaufsicht über die Sammlungen zu führen und die Zusammenkünfte der Ausschüsse zu berufen und zu leiten. Zur Seite des Directoriums steht ein aus vierundzwanzig Mitgliedern gebildeter Verwaltungsausschuß. Ferner sei hier noch des Gelehrtenausschusses gedacht, der aus einer unbestimmten Anzahl von Männern der Kunst und Wissenschaft gebildet ist und das Museum durch Förderung seiner wissenschaftlichen und artistischen Zwecke zu unterstützen hat. Es können aber nur solche Männer diesem Ausschusse als Mitglieder angehören, welche sich durch hervorragende Leistungen in irgend einer Fachwissenschaft bereits ausgezeichnet haben, so daß auf diese Weise eine vollständige Vertretung aller Zweige der Geschichte und Alterthumswissenschaft bei dem Museum erzielt worden ist.

Da das germanische Museum als eine der Geschichtswissenschaft dienende Anstalt betrachtet werden muß, so erscheint es vollkommen gerechtfertigt, daß gerade dem Archiv, das auch unter Leitung eines besonderen Vorstandes und Secretairs steht, die angelegentlichste Sorgfalt zugewendet wird. Sein Hauptaugenmerk ist darauf gerichtet, aus dem unsicheren Privatbesitze noch manchen Schatz für die Wissenschaft zu retten und namentlich auch durch Copieen und Regesten nach und nach werthvolle handschriftliche Schätze zu sammeln. Außer der höchst schätzbaren Urkundensammlung verdient noch das mit derselben vereinigte Verzeichniß aller für die deutsche Geschichte bedeutungsvollen urkundlichen Schätze genannt zu werden.

In engster Beziehung zu dem Archiv steht die Bibliothek, in eine Abtheilung der Handschriften und in eine solche der Druckwerke zerfallend, welche systematisch geordnet in den geräumigen Sälen des Karthäuserklosters aufgestellt sind. Die wichtigsten Urkunden und Documente der deutschen Geschichte sind also hier entweder in Original oder guten Copieen aufgestellt und zwar so systematisch geordnet, daß der Forscher und Gelehrte sofort ohne große Mühe die nöthigen Quellen finden und benutzen kann. Die Abtheilung der Handschriften bewahrt höchst namhafte Werke, ist aber auch, wie erwähnt, durch treue Copieen wichtiger Handschriften wesentlich bereichert worden. Auch die Druckwerke der Bibliothek haben seit Bestehen des Museums sehr ansehnliche Beiträge erhalten, da namentlich viele hundert Buchhändler ihre Verlagswerke unentgeltlich liefern. Es wird dadurch die Bibliothek mit der Zeit eine große Bedeutung gewinnen und dem Forscher alle die Druckschriften in erwünschter Vollständigkeit bieten, welche auf deutsche Geschichte und deutsches Leben irgend welchen Bezug haben. Die Kunst- und Alterthumssammlungen des Museums wurden bisher von Freunden in der Nähe und Ferne mit den schätzbarsten Geschenken so reichlich bedacht, daß schon jetzt einzelne Zweige dieser Sammlung ein befriedigendes Bild der schaffenden Künste deutscher Vorzeit bieten. Noch viele Jahre können allerdings vergehen, bevor die Kunstsammlungen des Museums die Vollständigkeit erreicht haben, wie sie mit Recht angestrebt wird und auch nothwendig ist, wenn es sich darum handelt, uns durch Erzeugnisse der bildenden Kunst und durch Producte der gewerblichen Thätigkeit ein Bild vergangener Jahrhunderte vorzuführen.

Das Karthäuserkloster mit seinen weitausgedehnten Kreuzgängen, den großen Sälen und zahlreichen Zimmern bot nicht allein für die Bibliothek und das Archiv die geeignetsten Räumlichkeiten, sondern gestattete namentlich für jeden Hauptzweig der Kunst- und Alterthumssammlung ein separates Local einzurichten. Glasmalereien, Teppiche, Altäre, Taufbecken finden wir in einer im gothischen Style erbauten Capelle. Andere kirchliche Gegenstände, Reliquarien, Kirchenornate und Gefäße sind in einer kleineren gothischen Capelle aufgestellt, während die Sammlungen von Gemälden, Sculpturen, Holzschnitten, Kupferstichen, Münzen, Siegeln, Waffen, Medaillen und Hausgeräthen wohlgeordnet in verschiedenen Sälen und Zimmern aufbewahrt werden. Zahlreichen Grabmonumenten der hervorragendsten Männer und Frauen Deutschlands von der frühesten Periode des deutschen Reiches bis zum dreißigjährigen Kriege begegnen wir in dem schön gewölbten Kreuzgange. Es bilden diese in langer Reihe aufgestellten Grabmonumente gleichsam ein Ehren- und Geschichtsdenkmal, das die Gegenwart den großen Verstorbenen in diesen so ganz dazu geeigneten Räumen gesetzt hat.

Die Kunst- und Alterthumssammlungen des germanischen Museums dürften viele Laien mit am meisten interessiren. Sie erregen im Vergleich mit ähnlichen Sammlungen in anderen Städten schon dadurch eine größere Aufmerksamkeit des Beschauers, daß jedes einzelne Zimmer, in dem die Gegenstände aufgestellt sind, getreu in

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 38. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_038.jpg&oldid=- (Version vom 17.1.2023)