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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

DIE MVTTER.   ELSLEIN.   DER FREIER.

„Ach Elslein, liebste Tochter mein,
Ich bitt’ Dich, laß Dein Greinen sein,
Thu wie ich auch vor Jahren that,
Da ich noch war eine junge Magd!“

„Ach, Mutter, liebste Mutter, ich
Bin noch zu zart und jungfraulich,
Daß ich so einen großen Mann
Zu nehmen mich sollt’ unterstah’n.“

„Elslein, ach holder Buhle mein,
Weil Du so zart bist und so rein,
So bin ich, ein subtiler Knecht,
Und bin für Dich gar eben recht.“




Eine Stunde in den Katakomben von Paris.


Es war an einem heißen Julitage, als ich die Einladung erhielt, mich um zwei Uhr in dem Hofe des Octroi-Gebäudes an der Barrière d’Enfer einzufinden, um meinen gewünschten Besuch der Katakomben auszuführen. Als ich zur bestimmten Stunde dort anlangte, fand ich bereits eine kleine Gesellschaft versammelt, die gleich mir das unterirdische Paris besuchen wollte. Sie bestand aus etwa zwanzig Personen, unter denen mehrere Engländer. Auch zwei Damen, eine Matrone und ein junges Mädchen, befanden sich unter den Anwesenden. Punkt halb drei Uhr kam der Inspector der Minen, unter dessen Anführung wir die Reise nach der Pariser Unterwelt antraten. Der Eingang zu den Katakomben befindet sich in einem Winkel des eben erwähnten Hofes. Dieser Eingang ist sehr enge und durch eine hölzerne Thüre abgeschlossen, vor welcher wir unsere Einladungsbriefe abgaben. Nachdem wir uns mit brennenden Kerzen versehen, stiegen wir eine sehr schmale, achtzig Fuß lange steinerne Wendeltreppe hinab und befanden uns dann in einem niedern Gange, den wir in allen seinen Windungen verfolgten, bis wir endlich nach zehn Minuten lebhaften Marsches vor den Katakomben anlangten. Sie sind von dem Gange durch ein schwarzes Thor getrennt, über welchem man die Worte liest:

Has ultra metas requiescunt beatam spem expctantes.

Dieses Thor wurde geöffnet und wir traten in das Reich des Todes. Statt der Steinwände sahen wir jetzt nur Todtengebeine. Der französische Geschmack hat hier einige Millionen Schädel so zu ordnen gewußt, daß sie eine grauenhafte Mosaik bilden. Die Knochen sind nicht sämmtlich von gleicher Farbe. Bei weitem die meisten, den verschiedenen Pariser Kirchhöfen entnommen, haben mehrere Jahrhunderte in den Gräbern gelegen und sind dunkelbraun; andere aber sind jünger und mehr der Sonne ausgesetzt gewesen, so daß sie eine graue oder eine hellweiße Farbe haben. Diese Nuancen hat nun Derjenige, welcher mit der Schichtung der Gebeine beauftragt war, zu benutzen gewußt. Er hat die Ecken der mit dunkelbraunen Schädeln bekleideten Wände mit weißen Schädeln eingefaßt und auf diese Weise ein musivisches Werk ganz eigenthümlicher Art hergestellt.

Wir gingen durch viele dieser Todtenkammern, die gerade durch die Einförmigkeit das Gemüth mit Schauder erfüllen. Von

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 669. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_669.jpg&oldid=- (Version vom 6.12.2022)