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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

Blätter und Blüthen.

Eine romantische Elen-Jagd auf Ceylon. Die interessantesten Elenjagden fand ich in der Gebirgslandschaft, welche der M’Donald, einer der reißendsten Flüsse, durchströmt. Er fällt 300 Fuß hoch perpendiculär hinab und ergießt sich brausend zwischen ungeheuren Felsblöcken, welche von den steilen, aus Gneis bestehenden Ufern in sein Bett hinabgerollt sind. Dort liegen sie wild übereinander gethürmt und bilden zuweilen große feuchte Höhlen, über welche der Strom dahinschießt. Wer in dessen Wirbel geräth, Mensch oder Thier, ist dem sichern Untergange verfallen. –

Diese Gebirgsgegend ist voll von Elen’s und ich hatte für einige Zeit mein Zelt in derselben aufgeschlagen. –

Eines Morgens, es war ein schöner Maitag, ging ich mit meiner Meute aus, und es währte nicht lange, so spürte sie einen prächtigen, starken Bock auf. Dieser floh aber rasch aus der Ebene in’s Gebirge und ich verlor mit meinen Gefährten die Spur. Wir klommen indessen muthig durch die Berge weiter und nach einer Meile Weges hörte ich den Anschlag der Hunde und sah den Bock geradeswegs nach dem Ufer zueilen. Ich sammelte die anderen Hunde, sie griffen muthig aus und stellten in nicht langer Frist den Bock auf einer mit Gras bewachsenen Plattform, 300 Schritt von dem Ufer, wo er sich ihrer auf’s Muthigste zu erwehren suchte. Als ich näher kam, mußte ich ihm meine Bewunderung zollen. Er hatte das prächtigste Gehörn, das ich je bei einem Elen gesehen, war dreizehn Faust hoch, seine Mähne sträubte sich und seine Nüstern waren vor Kampflust weit aufgebläht. Als er meiner ansichtig wurde, maß er mich mit seinen Blicken, wandte sich um und stob, von den Hunden verfolgt, dem Ufer zu. Ich folgte ihm, so rasch ich konnte, und sah ihn alsbald über einem Wasserfalle von einigen 80 Fuß, ungefähr 150 Schritt von dem großen Wasserfalle von 300 Fuß, stillstehn.

Es war ein großartiger Anblick. Unten brauste der Strom, die Hunde klafften um den Bock, der nicht mehr zurückkonnte, dieser aber kannte das Terrain von Jugend auf, und begann von Fels zu Fels zu springen, um das gegenüberliegende Ufer zu gewinnen. Dort versah er sich jedoch in dem Landungsplatze, das Ufer war zu steil, er konnte nicht festen Fuß fassen und ward den Strom hinabgetrieben. Die Hunde hatten sich bis dahin gescheut, ihm zu folgen. Da stürzten sich zu meinem Schrecken „Bran“ und „Lucifer“ in den Strom und sprangen von Fels zu Fels dem Elen nach, verschwanden aber bald darauf in dem Strudel. Der starke Bock konnte sich dem Strome entgegenstemmen, die Hunde wurden dagegen fortgerissen. Nur noch fünfzehn Fuß waren sie von dem Rande des Falles entfernt, und ich fürchtete jeden Augenblick, sie hinabgerissen zu sehen. Es waren meine beiden Lieblingshunde, und ich konnte mich nicht enthalten, ihnen ermuthigende Worte zuzurufen, obwohl ich mir sagen mußte, daß es ihnen unmöglich sein würde, sie vor dem Brausen des Stromes zu hören. Sie kannten ihre Gefahr, und arbeiteten mit aller Kraft ihr zu entgehn, da verbarg sie dicht vor dem Fall ein Haufen Gras meinen Augen. Ich hielt sie für verloren und stieß einen Schrei des Entsetzens aus – da – hurrah! – kamen sie wieder zum Vorschein. Das Gras hatte sie gerettet, sie hatten Fuß gefaßt und arbeiteten sich nach dem Ufer hin.

Inzwischen war die ganze Meute wie toll in’s Wasser gesprungen und verfolgte den Bock, der klug die seichten Stellen wählend zu entkommen suchte. Ich dachte, meine sämmtlichen Hunde würden darauf gehen, wenn sie von den Stromwirbeln gepackt und auseinandergesprengt wurden, nachdem sie zuerst einem Schwarm Eulen geglichen hatten. Die arme „Phrenzy“ kam auch dem Abgrunde zu nahe, wurde hinabgerissen und ich sah sie nie wieder.

Es war eine furchtbar aufregende Jagd. Ich kletterte den Abhang hinunter und kam grade zurecht, um den Bock wie eine Katze auf einen hervorragenden Felsen des gegenüberliegenden Ufers springen zu sehn. Zwei Hunde waren ihm jedoch dicht auf den Fersen und ich hetzte die übrigen. Außer „Phrenzy“ waren noch alle vorhanden. Ich sprang nun auch von Fels zu Fels und kam glücklich über den Strom, mit Händen und Füßen klimmend, nach dem entgegengesetzten Ufer. Es war 60 Fuß hoch, schwer zu erklimmen, dicht bei dem Fall, und ich hörte und sah nichts mehr von dem Bock und den Hunden. So mächtig war das Brausen des Falles, den ich jetzt gerade unter mir erblickte! Nachdem ich vorwärts gedrungen, hörte ich endlich wieder den Anschlag der Hunde und sah den Bock auf einer hundert Fuß hohen Plattform stehn. Sie bildete den Gipfel einer Klippe, und Elen und Hunde konnten nicht weiter. Den engen Weg zum Hinabsteigen hielten die Hunde besetzt, und wollte er durch die Meute brechen, so stürzte ein halbes Dutzend mit ihm hinab. Ich stieg auf die Plattform hinab. Sie war nur zwanzig Fuß in’s Gevierte groß, und unter ihr gähnte ein 300 Fuß tiefer Abgrund. Der erste Absatz war zwar nur 70 Fuß hoch, auf diesen folgte aber Klippe auf Klippe bis zum Fluß.

Die Scenerie war prächtig. Da stand der noch jetzt gleich muthige Bock. sich weder vor Hunden noch vor Menschen fürchtend, trotzig mit dem Schicksal ringend. Ich mochte nicht auf ihn anlegen, weil er im Fallen die Hunde mit sich hinabgerissen haben würde. Diese sahen die ihnen drohende Gefahr, und kamen von Zeit zu Zeit zu mir, um dem Bock Zeit zu lassen, sich nach einem bessern Boden zu flüchten. Plötzlich entschied er jedoch die Frage nach seinem Willen. Ich rief die Hunde an, ihn so anzugreifen, daß er von der Klippe fortgetrieben wurde; er hielt sie jedoch mit seinem Gehörn und seinen Vorderfüßen von sich fern, trieb dann angreifend die Meute zurück, ging wieder nach dem Abgrunde vor, sah hinab und stürzte plötzlich zu meinem wie der Hunde Erstaunen hinunter. Ich hörte einen hellen Krach, dann brauste das Wasser wie zuvor. Die Hunde sahen über die Klippe und bellten furchterfüllt und verzweiflungsvoll. Das Wild war ihnen entgangen.

Auf einem Umweg von ungefähr einer halben Meile kamen wir an den Fuß der Klippe, von welcher der Bock hinabgesprungen war. Er war verendet, denn er hatte sämmtliche Knochen gebrochen. Ihn von da fortzuschaffen, war unmöglich. Ich schnitt daher nur seinen Kopf ab und bewahrte sein Gehörn, welches das schönste meiner Sammlung bildet.




Ein lohnendes Sujet für Historienmaler. Als Voltaire im Frühling des Jahres 1778 Paris zum letzten Male besuchte, wo er bekanntlich von der Freude über den ihm von allen Schichten der Gesellschaft bereiteten glänzenden Empfang getödtet wurde, suchte er, der vierundachtzigjährige Greis, den nur um zwölf Jahre jüngeren Benjamin Franklin auf, der als nordamerikanischer Gesandter am französischen Hofe in Passy wohnte, und überhäufte den biedern Amerikaner, den schlichten, ehrlichen Schöpfer der republikanischen Verfassung seines Vaterlandes, mit allen möglichen Schmeicheleien. Die beiden berühmten alten Herren, gewissermaßen die Träger des neuen Zeitgeistes nach seinen zwei verschiedenen Richtungen, nach der ehrlichen, einfachen, tugendhaften und nach der outrirten, raffinirten, höhnisch überreizten und carikirten, verkehrten miteinander, und als Voltaire von seiner alten Feindin, der Akademie, eine Einladung erhielt, beredete der alte eitle Mensch, der seiner ganzen echt französischen Richtung nach die Theatercoups, den Eclat liebte, den bescheidenen Naturforscher und ehemaligen Buchdrucker, welcher Mitglied der Akademie war, mit ihm zu gehen. So wenig der schlichte Amerikaner Lust zu einer solchen Schaustellung hatte, so wurde er doch von seinen zahlreichen Pariser gelehrten Freunden dazu gedrängt. So traten sie denn eines Tages Hand in Hand in die vollzählig versammelte Akademie. Die ganze Versammlung erhob sich beim Anblick der beiden großen Männer ehrfurchtsvoll von ihrem Sitze, und begrüßte sie mit allen Zeichen der höchsten Achtung. In diesem Augenblick rief plötzlich eine Stimme: „Sophokles und Solon!“ und diese Worte erzeugten einen wahren Begeisterungsrausch, der gar nicht enden wollte.

Dieser Moment ist ungemein schön und wichtig, aber der Maler muß ihn in seiner ganzen weltgeschichtlichen Bedeutung zu erfassen und zur Erscheinung zu bringen verstehen. Der eine dieser Greise ist der außerordentliche Mensch, der mit den ätzenden Säuren seines frivolen Spottes die morschen Grundsäulen der alten Welt vollends zerfressen hat: nur noch wenige Jahre und sie brechen, und die leichtsinnige Gesellschaft stürzt mit dem obsolet gewordenen Bau zusammen; der andere dieser Greise ist jener außerordentliche Mensch, der sich durch Arbeit und Entbehrung, durch redliches Forschen und unablässiges Streben, durch wahre Tugend und Menschenliebe die sittliche Reife erworben hat, die Grundsteine und Schwellen eines neuen Gesellschaftsbaues zu legen. Der Zerstörer der alten Welt und der Schöpfer der neuen, Epimetheus und Prometheus, da stehen sie Hand in Hand vor der geistigen Elite des französischen Volks und begrüßt von ihrem Jubel, der alte eitle Franzose geschmeichelt von diesem Triumph, der alte bescheidene Amerikaner beschämt davon. Gewiß, es kann kaum eine würdigere Aufgabe für einen geistreichen Maler geben. Was für ein paar herrliche Köpfe! Und nun unter den Akademisten, welche reiche Auswahl! Alles durch Wissenschaft ausgezeichnete Männer, die meist nachher in der Revolution eine politische Rolle spielten. In allen diesen Köpfen flammt der Geist der Neuzeit mehr oder minder stark, lebt die Ahnung von dem, was die nächste Zukunft bringen muß, mehr oder minder lebendig. Und gerade in diesem Momente treten Geist und Ahnung gleichsam greifbar in die Gesichtszüge.



Bei Ernst Keil in Leipzig ist in Zweiter Auflage erschienen und in allen Buchhandlungen zu haben:

Das Buch vom gesunden und kranken Menschen.
Von Dr. Carl Ernst Bock,
Professor der pathologischen Anatomie in Leipzig.
32 Bogen, geh. 12/3 Thlr., geb. in engl. Preßdecken 1 Thlr. 27 Ngr.
Mit 25 feinen Abbildungen.

Zum ersten Male wird dem größern Publikum in obengenanntem Buche ein Werk geboten, worin es in populärer, leichtfaßlicher und instructiver Form über den Bau des menschlichen Körpers, die Verrichtungen seiner einzelnen Organe, sowie über den Gesundheits- und Krankheitszustand derselben unterrichtet und eine vernünftige naturgemäße Pflege des Körpers im gesunden und kranken Zustande belehrt wird. Bei dem Namen des Verfassers, dessen wissenschaftliche Lehrbücher und populär-medicinische Aufsätze in der Gartenlaube eine so glänzende Aufnahme gefunden, bedarf es wohl nur dieser Anzeige, um das Publikum wiederholt auf ein Buch besonders aufmerksam zu machen, das nur im Interesse der guten Sache geschrieben. Das schnelle Erscheinen der Zweiten Auflage zeugt für die günstige Aufnahme, welche das Buch beim Publikum gefunden.


Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 664. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_664.jpg&oldid=- (Version vom 4.12.2022)