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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

von ihnen geforderten Prämien eintreten lassen. Weit mehr aber als diese Vortheile fallen die Menschenleben in’s Gewicht, die persönliche Sicherheit und die Beseitigung der Schrecken, von denen sonst fast jeder Brand begleitet war. Dies sind jedenfalls wahre Vortheile, welche nicht zu theuer erkauft werden können.

Besitzt auch nur selten eine Stadt die erforderlichen Mittel, dem Löschwesen einen so hohen Grad von Vollkommenheit zu geben, wie die Feuerwehr in Berlin aufweisen kann, so dürfte doch das Beispiel der Residenz beherzigenswerth selbst für die kleineren Orte sein, wo häufig dieser Theil der Polizeiverwaltung noch sehr im Argen liegt, wie die in letzter Zeit so vielen und unglücklichen Brände erst wieder gezeigt haben. Selbst unter beschränkten Verhältnissen läßt sich mit redlichem Willen viel Gutes stiften. Vor allen Dingen aber muß der nöthige Gemeingeist da sein, der leider noch immer schmerzlich vermißt wird. Wir schauen nicht nur figürlich, sondern auch oft wörtlich mit Ruhe zu, während es beim Nachbar brennt, unbekümmert, wie bald auch unser eigenes Haus von den Flammen ergriffen werden kann.

Max Ring.




Der Musterschutz.
 „Suum cuique“[1]

Wenn wir einzelne Familien, kleinere oder größere Völkerschaften aus dem nomadisirenden und patriarchalischen Zustand heraustreten und dieselben eine Gemeinschaft, die wir als „Staat“ bezeichnen, bilden sehen, so finden wir, daß eine solche nur dann bestehen kann, wenn der Begriff des Eigenthums festgehalten und das letztere gegen Eingriffe geschützt werden kann.

Die Anerkennung des Eigenthums ist so vorzugsweise die Grundlage alles Fortschrittes der Menschheit, daß mit Recht behauptet werden darf, je intensiver in einem Staat das Eigenthum geschützt, und je weiter sich der Begriff, was als solches anzusehen ist, ausdehnt, um so höher steht die Bildung in demselben.

Während in weniger cultivirten Ländern geringere Eigenthumsverletzungen kaum geahndet werden und die Staatsgewalt nur bei ganz wesentlichen einschreitet, geht man in gebildeten Ländern viel weiter und bestraft auch die unbedeutendsten Veruntreuungen, nicht des materiellen Schadens wegen, welcher den Betheiligten dadurch erwächst, sondern weil man in dem geringsten Vergehen gegen das Eigenthum einen Angriff auf das sittliche Grundprincip der ganzen Gesellschaft selbst sieht und sehen muß.

Eine gar lange Zeit hindurch verstand man unter Eigenthum nur Sichtbares, Greifbares, und es bedurfte eines wesentlichen Fortschrittes der Volksbildung, bis man zu der eigentlich naheliegenden Anschauung gekommen ist, daß es außer materiellem Eigenthum auch ein geistiges geben könne und gibt, und daß beide das Product ein und desselben Factors, körperlicher Thätigkeit (der Arbeit) sind. Nachdem sich diese Anschauung durchgearbeitet hatte, fing man also an zu erkennen, daß nicht allein der Handarbeiter Etwas dem Begriffe Eigenthum Entsprechendes schafft, sondern daß der Erfinder einer Maschine, der Componist, der Künstler, mit gleichem Recht Schutz ihrer Arbeit zu fordern berechtigt sind, wie jener.

Zuerst sehen wir in Folge dessen die sogenannte Patentgesetzgebung für Erfindungen auf dem Gebiete der Technik. Man verleiht nämlich Seiten der Regierungen für neue Constructionen von Maschinen, so wie Verbesserungen an den älteren, für neue chemische Proceduren, nachdem die Neuheit oder Verbesserung durch Zeichnung und Beschreibung nachgewiesen und als solche durch eine sachverständige Commission erkannt ist, dem Erfinder ein Patent, in welchem dessen Berechtigung für eine bestimmte Reihe von Jahren, seine Erfindung ausschließlich anzuwenden, ausgesprochen und ihm hinsichtlich der Eingriffe unberechtigter Nachahmer der im Patentgesetze zugesicherte Schutz, (Berechtigung zur gerichtlichen Verfolgung des Nachahmers, Confiscation der unberechtigt nachgeahmten Gegenstände, Waaren als Anspruch auf Schadenersatz) zugesagt ist.

In dieser Gesetzgebung sind uns England und Frankreich vorausgegangen, der österreichische Staat folgte, und seit langer Zeit schon ist die Patentgesetzgebung auch in den deutschen Ländern heimisch; leider aber in sehr unvollkommener Weise, indem nämlich das Patent in jedem deutschen Staat besonders gegeben wird und es mithin für den Patentsuchenden bedeutende Kosten und Mühen macht, ein solches für ganz Deutschland gültig zu erlangen, während, wenn die Staaten des Zollvereins sich über ein gemeinsames Patentgesetz geeinigt und eine gemeinsame Behörde zur Vollziehung desselben bestellt hätten, die Füglichkeit, ein Patent zu erhalten, erst wirklichen Werth erhielte und manche Erfindung im Vaterlande verbleiben würde, deren Besitzer lieber nach England oder Amerika damit geht, wo ein und dasselbe Patent für die weiten Gebiete dieser Staaten gleiche Kraft hat und gleichen Schutz gewährt.

Ein weiterer Fortschritt in der Gesetzgebung der besprochenen Richtung war der Erlaß des preußischen Gesetzes zum Schutze des Eigenthums an den Werken der Wissenschaft und Kunst vom 11. Juni 1837, welches in der Hauptsache die nachstehenden Bestimmungen, unter Androhung der entsprechenden Strafen für die etwaigen Uebertretungen enthält:

„Das Recht der Vervielfältigung einer Schrift, Predigt, Vorlesung oder Composition steht nur dem Autor oder dessen Erben für die Dauer von 30 Jahren zu.“ [2]
„Dasselbe Recht findet auch Anwendung auf geographische, topographische, architektonische und ähnliche Zeichnungen.“
„Die Vervielfältigung von Zeichnungen oder Gemälden durch Kupferstich, Stahlstich, Holzschnitt, Lithographie, Farbendruck, Uebertragung u. s. w., ohne Genehmigung des Urhebers, ist verboten.“
„Die Vervielfältigung von Sculpturen aller Art, durch Abgüsse, Abformung u. s. w. ist ebenfalls nicht gestattet, und bleibt das Verbot auch dann aufrecht erhalten, wenn die Abformung in anderer Größe stattfindet, als das Original-Kunstwerk.“
„Die Aufführung eines dramatischen oder musikalischen Kunstwerkes, im Ganzen oder mit unwesentlichen Abkürzungen, darf nur mit Erlaubniß des Autors, seiner Erben und Rechtsnachfolger stattfinden, so lange das Werk nicht durch den Druck veröffentlicht ist, und bleibt dies Recht zehn Jahre nach dem Tode des Autors geschützt.“

Dieses Gesetz ist, die letzteren Bestimmungen (die Aufführungen dramatischer oder musikalischer Werke) betreffend, auf den Antrag Preußens vom deutschen Bunde mit wenig Abänderungen angenommen, und am 22. April 1841 zum Bundesgesetz erhoben worden, so zwar, daß die Bühnenschriftsteller und Componisten allenthalben mit ihren Erzeugnissen im deutschen Vaterlande gegen unberechtigte Verwendung ihres Eigenthums gesichert sind.

Preußen hat dem Gesetze vom 11. Juni 1837 dadurch eine vermehrte Bedeutung verliehen, daß es mit den übrigen europäischen Staaten Reciprocitäts-Verträge vereinbart hat und abzuschließen sucht, was übrigens, vorzugsweise zur Verhinderng des Nachdrucks, auch von den meisten andern deutschen Staaten geschehen ist.

Es wird in Deutschland wenig Gebildete geben, welche die besprochenen Maßregeln nicht mit Freude begrüßt haben, weil es Jedem bekannt ist, wie in früheren Zeiten unsere erhabensten Geister, die Koyphäen der Kunst, mit ihren sie lange überlebenden Werken kaum ihren Lebensunterhalt erschwingen konnten, indem sie, was die ersteren betrifft, durch den schmählichen Nachdruck, die letzteren durch die frivolste Benutzung ihrer Bestrebungen zu andern Zwecken, von jedem Buben bestohlen werden konnten.

Um so mehr wird es manche unserer Leser überraschen, wenn sie erfahren, daß noch eine Menge Erzeugnisse geistigen Ursprungs, wenn wir so sagen dürfen, jedes Schutzes entbehren, und so rechtlos

  1. Jedem das Seine.
  2. Wenn man das Anrecht der Autoren an ihren Werken nicht für alle Zeiten anerkennt, sondern dasselbe auf eine bestimmte Reihe von Jahren beschränkt, so scheint uns dies genügend dadurch gerechtfertigt, daß keiner derselben das, was er ist, sein könnte, wenn nicht die Schöpfungnn seiner Vorgänger ebenfalls zum Gemeingut geworden wären.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 604. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_604.jpg&oldid=- (Version vom 4.11.2022)