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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

ihre Cameraden leben und sich von Schulden freihalten zu können. In meinem Regimente befanden sich nur zwei Officiere, die keine Privatmittel besaßen: das waren der Quartiermeister und der Adjutant. Beide waren von Unten auf avancirt, und da sie in Folge ihrer Stellungen höhere Gehalte bezogen, als ihre Ranggenossen, der Oberst sie der Auslagen wegen von der Officierstafel dispensirte, und es von ihnen nicht verlangt noch erwartet wurde, daß sie sich bei den Subscriptionen für Bälle, Jagden, Wettrennen, Festessen und ähnlichen Extravaganzen betheiligten, so machten sie es möglich, auszukommen.

Das allgemein gebräuchliche Feilschen um Avancement würde in der Handelswelt bei einem häßlichen Namen genannt werden. Ungefähr vier Jahre, nachdem ich meine Lieutenantsstelle gekauft hatte, bot sich mir die Gelegenheit, eine Rittmeisterstelle zu erlangen. Ich war nicht der älteste Lieutenant, sondern hatte noch zwei vor mir auf der Liste. Der eine von diesen war der Reitlehrer, der zwar eine Jahresrente bezog, die ihn befähigte, bequem zu leben, aber nicht genug Vermögen besaß, eine Schwadron zu kaufen. Der andere ältere Officier hatte eben sein Geld beim Wettrennen verloren, und mußte daher seinen Namen von der Käuferliste zurückziehen. Es galt für einen besondern Glücksfall, daß ich, dritter Lieutenant und erst sechs Jahre in der Armee, schon eine Schwadron haben konnte, und der Rittmeister, welcher sich zurückzuziehen gedachte, beschloß daher auch, mich tüchtig zahlen zu lassen, um ihn dazu zu bewegen. Ich hatte gehört, daß er 5500 Pfund (37,000 Thlr.) für die Schwadron gegeben hatte, – während der Reglementspreis nur 3328 Pfund (22,000 Thlr.) war, – und bot ihm dieselbe Summe. Er aber verlangte 6000 Guineen (42,000 Thlr.). Das schien mir denn doch zu viel; aber nach langem Handeln und Feilschen willigte ich, 6000 Pfund (40,000 Thlr.) zu zahlen, und ihm ein altes Pferd für 100 Pfund (670 Thlr.) abzunehmen. Der Handel wurde abgeschlossen, und in wenig Tagen erschien mein Name in der officiellen Zeitung als Rittmeister durch Kauf. Noch einmal hatte ich vermöge der langen Börse meines Vaters zwei weit ältere Officiere übersprungen. Wohl zwanzig Mal war ich bei ähnlichen Käufen und Verkäufen zwischen meinen Cameraden gegenwärtig, und weit öfter noch wurde ich dabei zu Rathe gezogen. Auch habe ich noch nicht das Ganze erzählt. Wenn nämlich so eine Beförderung stattfinden soll, ist nicht nur der Handel zwischen dem Officiere, der jetzt ausverkauft, und dem andern, der seine Stelle kaufen will, in’s Reine zu bringen, sondern auch die niedern Grade, die dadurch eine Stufe vorrücken, haben ihren Theil an der Summe beizutragen. So auch bei mir: ich war zwar dem austretenden Rittmeister allein für die ganzen 6000 Pfund verantwortlich, mußte aber erst noch mit dem Fähnrich unterhandeln, der mir als Lieutenant folgen sollte, um von ihm den Preis seines eignen Avancements zu bekommen, das durch mein erkauftes Aufrücken möglich wurde.

Eine recht praktische Erläuterung dessen, wohin unser System des militärischen Avancements führt, ergab sich in meinem eigenen Falle, kurz nachdem ich in Besitz meiner Schwadron getreten war. Das Hauptquartier unseres Regimeuts lag jetzt in einer Garnisonsstadt im Süden von Irland; und da es gerade die Jahreszeit war, in der keine Feldübungen stattfinden, so befanden sich mehre unsrer Officiere auf Urlaub. Damals hatten wir nur sechs Schwadronen bei jedem Cavallerieregimente, und vier von den Unsern waren auf verschiedene Außenposten detachirt. Der Oberst reiste auf dem Festlande und der Major, der in seiner Abwesenheit das Regiment commandirte, wurde plötzlich unwohl und begab sich ohne Weiteres auf das Gut seines Vaters in der Nähe. Da ich der einzige Rittmeister im Hauptquartiere war, und es nicht thunlich schien, einen der andern von den Außenposten abzurufen, so führte ich länger als einen Monat den Befehl über das ganze Regiment. Während dieser Zeit standen natürlich alle eben anwesenden Officiere unter mir, darunter auch der Reitlehrer und der Adjutant. Der letztere war Dragoner gewesen und zum Wachtmeister avancirt, schon sechs Jahre vor meiner Geburt; selbst das Officierspatent, das er sich durch seine langen, ausgezeichneten Dienste erworben hatte, war ihm vier Jahre vor meinem Eintritt in die Armee verliehen worden. Dennoch aber, und lediglich kraft des Kaufgeldes, commandirte ich diesen Mann, der, wie ich nicht umhin konnte, zu fühlen, als Soldat in jeder Beziehung über mir stand. Er hatte in Indien drei oder vier Wunden empfangen, trug mehrere Ehrenmedaillen, und war in Armeebefehlen öffentlich mit Auszeichnung genannt worden. Weil er aber kein Geld besaß, um auf den Stellenmarkt zu gehen, so konnte er niemals eine höhere Stufe erklimmen, sondern blieb mit allen seinen Verdiensten bis an’s Ende simpler Fähnrich.

Der andere Officier, dessen ich erwähnte – der Reitlehrer – war der älteste Lieutenant im Regimente. Er war nie Gemeiner gewesen, sondern trat in das Regiment, als es noch in Indien stand, wo er viel schweren Dienst sah, so ein vierzehn Jahre, ehe ich mein erstes Patent erhielt. Dieser Officier hatte sowohl seine Fähnrichs- als Lieutenantscharge erkauft; nachdem aber sein Vater durch das Falliment einer Bank in Calcutta sein Vermögen verloren hatte, konnte er ihn, außer mit einer bescheidenen Jahresrente, nicht weiter mit Geld unterstützen. Die Folge war, daß er Lieutenant blieb, obwohl sämmtliche Rittmeister und auch der Major erst lange Jahre nach ihm als Anfänger in das Regiment getreten waren, und Keiner von ihnen wußte, was ein Schuß im Ernste sei, während er in Indien drei Feldzüge mitgemacht hatte.

Ich blieb noch ungefähr sechs Jahre in der Armee und lebte während dieser Zeit nach Art der meisten meiner Cameraden. Die wechsellose Monotonie des englischen Militairlebens bietet keinen Spielraum für jene energische Thatkraft, die dem Angelsachsen[WS 1] unter allen Himmelsstrichen und in jedem Fache eigen zu sein scheint. Das wird jedem Officier nach einer gewissen Zeit fühlbar. So lange des Daseins Zweck und Ziel in Jagen, Schießen, Wettrennen, Tafelfreuden und lustigen Gesellschaften besteht, hat eine Charge in einem Prachtregimente einen gewissen Reiz, der für die meisten diesseits der dreißiger Jahre höchst verführerisch ist. Aber nach diesem Alter fängt das Gemüth an, nach den Realitäten des Lebens zu verlangen; man wünscht ein Vorschreiten in der gesellschaftlichen Stellung, im Vermögen, oder selbst eine Vergrößerung der Verantwortlichkeit, ja sogar der Sorgen. Daher kommt es, daß so viele Officiere den Dienst verlassen, nachdem sie vielleicht zehn bis zwölf Jahre in der Armee gestanden haben, also gerade in einer Zeit, wo sie endlich ihre Pflichten erlernt haben und am meisten geeignet wären, ihrem Lande die wirksamsten Dienste zu leisten.

Nach zehn Jahren eines angenehmen, aber unnützen, wenn auch vielleicht nicht geradezu schlechten Lebens verkaufte ich aus, erhielt von meinem Nachfolger dieselbe Summe, die ich für meine Stelle gegeben hatte, und war wieder Privatmann.

Wie ist es möglich, daß bei einem derartigen militairischen Systeme die englische Armee in Kriegszeiten sich je dem Lande nützlich erweise? Ich gebe zu, daß unsre Lehrzeit in der Krim unsern Truppen Einiges von der Kriegskunst beigebracht habe; aber sollte ihnen dies Alles nicht schon längst vorher bekannt gewesen sein? Was würde man zu einem Arzte sagen, der, zu einem Kranken gerufen, erst anfangen wollte, Medicin zu studiren?




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Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Angelsachen
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 500. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_500.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)