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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

Mannschaft der regelmäßigen Regimenter zu Fuß und zu Pferd wird durch Werbung zusammengebracht, und gehört allen Stämmen und Religionen Indiens an. Da einerseits der Sold, nach Landesart bemessen, sehr gut ist, und überdieß nach langer und treuer Dienstzeit eine ganz anständige Pension gegeben wird, andererseits aber dem Eingebornen je länger je weniger Möglichkeit bleibt, bei einheimischen Fürsten in Kriegsdienst zu treten, so haben die Engländer die Auswahl unter der kriegslustigen Mannschaft des Landes. Sowohl der größern Zuverlässigkeit der Leute, als des allgemeinen Ansehens des Heeres wegen sucht man jedoch so viel als möglich nur Männer aus den höheren Kasten und Ständen anzuwerben, und es dienen in den Reihen der Sepoys sowohl Brahmanen und Leute vom Kriegeradel, als Muhamedaner von guter Familie. Die regelmäßigen einheimischen Truppen sind vollkommen auf europäische Art eingerichtet und eingeübt, doch erfordert ihre Behandlung große Umsicht und genaue Kenntniß der Sitten. Während der Eingeborne im Allgemeinen außerordentlich folgsam und geduldig ist, darf eine Verletzung namentlich seiner religiösen Gewohnheiten und Vorurtheile nicht stattfinden, bei Gefahr höchst gefährlichen Aufruhrs oder einzelner Rachehandlungen. Auch macht es natürlich viele Schwierigkeiten, daß die Sepoys sämmtlich verheirathet sind und daß ein Mann aus einer höheren Kaste nur mit seines Gleichen speist, oder das von einem solchen Bereitete ißt.

Die Stärke des indischen Heeres ist nicht immer dieselbe. Abgesehen von der Vermehrung, welche durch die Erwerbung neuer Gebiete oder durch Verträge mit einheimischen Fürsten von Zeit zu Zeit hervorgerufen wird, und wodurch namentlich die Zahl der unregelmäßigen und der Hülfsregimenter immer wächst, wird die Mannschaft in den regelmäßigen einheimischen Regimentern nach Bedürfniß vermehrt oder vermindert. Die Art und die Zahl ist nun nachstehende:

Das Heer von Bengalen besteht, außer den drei oben erwähnten europäischen Regimentern zu Fuß, aus 10 regelmäßigen Reiterregimentern, jedes zu 6 Compagnien (troops) oder 3 Schwadronen; aus 74 Regimentern regulären Fußvolks, zu 6 Compagnien, aus 3 Brigaden reitender und 9 Batterien Fußartillerie (von welchen 9 Compagnien der reitenden Artillerie Europäer und 4 Compagnien Eingeborne sind, von der Fußartillerie aber 24 Compagnien Europäer und 18 Compagnien Eingeborne); aus einem Ingenieurcorps von 125 Officieren und 8 Companien Sappeurs. Außerdem aber werden zu dem bengalischen Heer noch weiter gerechnet: 30 Regimenter unregelmäßige Reiterei[1]; 50 Regimenter oder Bataillone Fußvolk von Hülfstruppen und Unregelmäßigen aller Art; endlich noch 5 Legionen und Contingente, welche aus allen drei Waffengattungen zusammengesetzt sind. Die europäischen Officiere bestehen bei einem regelmäßigen Reiterregiment aus 1 Oberst, 1 Oberstlieutenant, 1 Major, 6 Rittmeistern, 8 Lieutenants, 4 Cornets und einem Mittelstab; bei einem regelmäßigen Fußregiment aus 1 Oberst, 1 Oberstlieutenant, 1 Major, 6 Hauptleuten, 10 Lieutenants, 5 Fähndrichen und dem Mittelstab; bei der Artillerie im Ganzen aus 12 Obersten, 12 Oberstlieutenants, 12 Majors, 72 Hauptleuten, 132 Oberlieutenants und 60 Lieutenants, außerdem aus einem Mittelstab von 49 Köpfen. Bei den unregelmäßigen Truppen ist die Zahl der europäischen Offfciere sehr viel kleiner, und sie besteht in der Regel nur aus 3 Subalternofficieren, von welchen einer den Befehl hat und einer Adjutant ist, und 1 Arzt. Die dem bengalischen Heer zugetheilte Generalität besteht aus 8 Generalen, 27 Generallieutenants und 28 Generalmajors, von welchen aber nur 10 wirklich in Indien im Dienst sind, die übrigen sich in Europa im Urlaub befinden.

Das Heer von Madras besteht, neben ebenfalls drei europäischen Regimentern zu Fuß, aus 8 Regimentern regelmäßiger Reiterei, 52 Regimentern regelmäßigen Fußvolks, 1 Brigade reitender Artillerie, von 4 europäischen und 2 einheimischen Compagnien, und 5 Bataillonen Fußartillerie, zusammen mit 16 Compagnien Europäer und 6 Compagnien Eingeborner, im Ganzen aber mit 7 Obersten, 7 Oberstlieutenants, 42 Hauptleuten, 70 Oberlieutenants, 35 Lieutenants und 29 Officieren des Mittelstabs; endlich aus einem Ingenieurcorps von 75 Officieren und 12 Compagnien Sappeurs. Die Generalität besteht aus 12 Generalen, 17 Generallieutenants, 14 Generalmajors, von welchen jedoch nur 4 in militairischen und 4 in Civildiensten in Indien stehen. Die Officiercorps bei den Regimentern sind dieselben wie in dem bengalischen Heer; unregelmäßige Truppen sind dem Heer von Madras keine zugetheilt.

Das Heer von Bombay besteht, neben den drei Fußregimentern Europäer, aus 3 regelmäßigen Reiterregimentern, 29 regelmäßigen Regimentern Fußvolk, 1 Brigade reitender Artillerie von 4 europäischen Compagnien und 4 Bataillonen Fußartillerie, zusammen mit 8 Compagnien Europäer und 12 Compagnien Eingeborner, im Ganzen aber mit 5 Obersten, 5 Oberstlieutenants, 5 Majoren, 25 Hauptleuten, 50 Oberlieutenants, 25 Lieutenants und 15 Mann Mittelstab, 2 Compagnien Sappeuren und 75 Ingenieurofficieren. Außerdem sind diesem Heere zugetheilt 5 verschiedene unregelmäßige Reitercorps, 1 Marinebataillon und 4 unregelmäßige Bataillone. Die Generalität besteht hier aus 5 Generalen, 13 Generallieutenants und 8 Generalmajors, welche aber sämmtlich im Urlaub sind.

Bei den Truppen der Compagnie ist der Stellenkauf nicht bekannt; das Vorrücken erfolgt, wie in den Armeen der übrigen civilisirten Welt, nach dem Dienstalter und dem Verdienst. Die Zahl der bei den Regimentern wirklich anwesenden Officiere ist durchweg eine viel kleinere als die etatsmäßige, und kann im Durchschnitt höchstens auf zwei Dritttheile der letzteren angenommen werden. Nicht nur sind die Obersten kaum je beim Regiment, indem sie, nach englischer Art, gewöhnlich Generale sind, und als solche dienen oder sich im Urlaub befinden: sondern auch von den übrigen Staats- und Subalternofficieren ist immer eine Anzahl vom Regiment abwesend. Theils sind auch sie beurlaubt nach Europa oder auf Gesundheitsstationen; theils aber werden sie vielfach anderwärts im Dienst verwendet. Das zahlreiche Personal der drei obersten Kriegsverwaltungen, die Adjutantur, vielfache diplomatische oder sonstige politische Beamte bei den einheimischen oder andern asiatischen Höfen, endlich noch gar manche rein bürgerliche Staatsdiener sind Officiere von der Linie, welche in ihren Regimentern bleiben, um vorzurücken und nöthigenfalls in dieselben zurückzutreten. Gerade aus diesen Officieren geht ein großer Theil der vortrefflichen Staatsmänner und Gelehrten der Engländer im Osten hervor. Bei der weiten Entfernung vom Hause und bei der großen Unzuträglichkeit des Klima’s für Europäer, muß die ostindische Compagnie natürlich bedeutende Vortheile bieten, um ein wenigstens 4000 Köpfe zählendes Officiercorps zu gewinnen und vollzählig zu erhalten, und dies vermag sie nur durch gute Bezahlung während des Dienstes, durch Bewilligung großer Urlaubszeiten und durch genügenden Ruhegehalt nach einer nicht allzulangen Dienstzeit. Diese Mittel sind denn nun auch angewendet. Die Bezahlung des indischen Heeres ist, verglichen mit dem europäischen Maßstab, sehr groß, obschon nicht übermäßig, wenn man die Bedürfnisse eines Europäers in Indien und seine gesellschaftliche Stellung in Anschlag bringt. So hat z. B. bei den reitenden Waffen ein Oberst etwa 21,500 fl. rheinisch jährlich, theils an Sold, theils an Zulage verschiedener Art; ein Rittmeister etwa 7500 fl.; ein Cornet über 4000 fl.; bei dem Fußvolk aber ein Oberst über 18,000 fl., ein Hauptmann etwa 5500 fl., ein Fähndrich 2600 fl. Fußartillerie und Geniecorps stehen in der Mitte zwischen beiden. Das Urlaubssystem ist sehr verwickelt; ohne allzu weitläufig zu sein, kann hier nur folgendes bemerkt werden: jeder Officier hat ein Recht auf Urlaub nach Europa, auch ohne daß er durch den Stand seiner Gesundheit dazu genöthigt wäre, und ohne daß die Abwesenheit ihm in seiner Dienststellung, z. B. im Vorrücken oder in der Berechnung der Dienstjahre, schadete – dies jedoch natürlich unter bestimmten Bedingungen und Beschränkungen. So muß z. B. ein Officier 10 Jahre in Indien gedient haben (Krankheitsfälle abgerechnet), ehe er ein Recht auf Urlaub hat. Die Dauer des Urlaubs von da an ist 3 Jahre; nach 20 Dienstjahren 2 weitere Jahre; eine Verlängerung kann von der Direction der Compagnie gewährt werden. Während des Urlaubs erhält der Officier eine hierfür ausgeworfene Bezahlung, welche zwar allerdings das Einkommen in Indien lange nicht erreicht, aber doch immerhin beträchtlich genug ist.

  1. Die irregular horse der indischen Armee sind disciplinirte und organisirte Regimenter, gleich den übrigen der Armee. Ihre Namen haben sie lediglich davon, daß sie die Kleidung der Eingebornen tragen. Es ist (heißt es in einem Artikel des „Preuß. Wochenblattes“) Thatsache, daß die irreguläre Cavallerie besser ist als die reguläre. Die Ausrüstung und Bewaffnung trägt einiges dazu bei: der einheimische Tulwar soll besser sein, als der britische Säbel; auch können sich die Eingebornen weder mit den europäischen Satteln, noch mit den langgeschnallten Steigbügeln befreunden: sie sind gewohnt, beim Kampfe in den Bügeln zu stehen. Den irregulären Truppen hat man ihre Sitte gelassen.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 454. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_454.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)