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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

haben daran Moral geübt, so daß es sich wohl der Mühe lohnt, wenn unsere Leser zur Beobachtung ihrer Lebensweise im Geiste mit uns einmal vor das Bienenhaus treten.

Hier gibt es natürlich nur in der schöneren Jahreszeit Etwas zu sehen, da die Bienen erst im März oder April durch die wärmeren Sonnenstrahlen aus ihrem Winterquartiere gelockt werden. Durch hochtönendes Freudengesumme und kreisendes Umherschwärmen geben sie ihr Wohlbefinden zu erkennen, wenn sie zum ersten Male ihrer engen Haft entflohen sind und die sonnige Freiheit genießen. Das erste Geschäft der Bienen ist dann die Reinigung, denn sie gehören zu den ordentlichsten und reinlichsten Thieren, weshalb sie Nichts in ihrer Wohnung dulden, was nicht dahin gehört. Keine Biene legt ihren Unrath in ihrem Stocke ab, und verschiebt das Geschäft des Reinigens während ihrer Winterrast bis zum ersten Ausfluge. Wenn es sich dann zufällig trifft, daß eine Hausfrau etwa weiße Wäsche in der Nähe des Bienenstockes zum Trocknen aufgehängt hat, so wird dieselbe sehr bald zum Leidwesen ihrer Besitzerin mit einem braunpunctirten Buntdrucke versehen sein, denn die Bienen lieben es, auf helle Gegenstände anzufliegen.

Bald geht es nun an ein Fegen und Ausputzen der Bienenwohnung selber. Die Leichname der im Winter zahlreich abgestorbenen Bienen (sie erreichen nur ein Lebensalter von sechs bis sieben Monaten) werden alsbald fortgeschafft, wobei sich die Bienen gegenseitig unterstützen, wenn die Kräfte der Einzelnen nicht ausreichen. Größere Gegenstände, welche in der Bienenwohnung störend sind, etwa einen üblen Geruch verbreiten, ohne daß die Bienen im Stande wären, ihn fortzuschaffen, überziehen sie mit einem harzartigen braunen Kitt, den sie immer in Bereitschaft haben, um etwaige Oeffnungen ihrer Wohnung damit zu schließen, wenn Luft, Licht, Regen oder andere ihnen feindliche Elemente dadurch eindringen.

Als einmal eine Maus in eine Bienencolonie eingedrungen war, wurde sie von den erbitterten Thierchen sofort todtgestochen, ihr Leichnam aber, weil er zum Fortschaffen zu schwer war, wie eine Mumie persischer Könige mit jenem Kitt überzogen, und so die Ausdünstung hermetisch abgeschlossen. Können die Bienem auf solche Weise einen penetranten Geruch nicht beseitigen, so räumen sie lieber das Feld und ziehen eines schönen Tages in pleno aus.

Haben die Bienen ihr Haus sammt den vielen Wachszellen sorgfältig gesäubert, so gehen sie auf Nahrung aus, die sie im ersten Frühjahr schon auf den Kätzchenblüthen der Haselnuß, der salix praecox oder frühen Weide, der Erle und anderer Cupuliferen finden. Wenn um diese Zeit die Nahrungsquellen in der Natur aber nur spärlich fließen, so geschieht es nicht selten, daß die Biene, durch ihren mächtigen Trieb zum Einsammeln von Vorräthen verleitet, ein Auge auf die Schätze ihrer Nachbarsleute wirft, die sie durch ihren scharfen Geruch bald aufgespürt hat. Sie fliegt keck vor die nachbarliche Thür, sucht sogleich einzudringen, wird aber meist mit blutigem Kopfe zurückgewiesen, denn jeder gesunde und starke Bienenstock stellt Wachen an dem Flugloche auf, die alle ihre Angehörigen durch den zarten Geruch erkennen, und jeden andringenden Fremdling abweisen, auch schnell ihre Signale geben, um nöthigenfalls Hülfstruppen in Masse heranzuziehen. Die wüthenden Thierchen fallen über den frechen Angreifer her, beißen und stechen ihn, so daß er fliehen muß oder todt auf dem Platze bleibt. Ein gleiches Geschick trifft auch die Hornissen, Wespen und Hummeln, die sich durch den Honiggeruch verleiten lassen, in die Bienenwohnung einzudringen. Gar häufig kann man diese Thiere, in einen Knäuel verbissener Bienen eingehüllt, vor dem Bienenstande niederfallen sehen, todt liegen bleibend oder die Flucht ergreifend. Ist ein Bienenstock aber so schwach, um keine oder zu wenig Wachtposten aufstellen zu können, so gelingt es wohl der naschhaften Biene, in die fremde Vorrathskammer einzudringen. Sie trägt dann eiligst das gestohlene Gut in ihren Stock zurück und meldet ihren Genossinnen die Gelegenheit zum Reichwerden ohne Mühe. Mit Verstärkung geht sie nun von Neuem auf Freibeuterei aus, die etwa noch wachsamen und sich vertheidigenden Gegner werden überwältigt und der Raubzug wird organisirt. Bemerkt der Bienenwirth diesen Unfug noch zur rechten Zeit, so kann er durch Wegstellen oder Verschließen des beraubten Stockes dem noch Einhalt thun. Außerdem wird dieser bald ein Opfer der Raubbienen, die nun die Vorrathe vollständig plündern, während die überwundenen Feinde sich auflösen, wohl gar mit in das feindliche Lager übergehen und sich zuletzt verfliegen. Diese garstige Erscheinung der Räuberei kommt im Bienenleben meist nur im ersten Frühjahr und im Herbste bei mangelnder Tracht vor, denn wenn es in Gärten, Wiesen und Feldern gute Ausbeute gibt, so fallen die Bienen gar nicht auf solche verbrecherische Gedanken.

Mit Eintritt der Stachelbeerblüthe etwa ist die Zeit gekommen, wo der Bienenwirth die Stärke zu untersuchen und zu verschneiden hat; dann gibt es wohl eine Honigsemmel, wenn nicht schon alter Sitte gemäß am grünen Donnerstage der Honigschnitt gemacht worden war. Die Bienen arbeiten um so emsiger und fröhlicher, wenn man ihnen die alten und während des Winters vielleicht angeschimmelten Wachsscheiben wegnimmt. Geht nun die Baumblüthe auf, so gibt es Arbeit in Hülle und Fülle. Die reichliche Tracht und das Wohlbefinden überhaupt verrathen die Bienen dadurch, daß immer mehrere am Flugloche Posto fassen, den Hinterleib in die Höhe recken und dazu ein schwirrendes Geräusch mit schnellem Flügelschlage verursachen. Diese Trommler scheinen ihre Genossen zu reger Arbeit anzuspornen.

Je milder die Luft wird und die Vegetation vorschreitet, desto mehr erweitert der Bienenstaat seine Thätigkeit nach außen und innen. Zur Zeit der Rapsblüthe haben die Bienen bei uns in Mittel- und Norddeutschland ihre Haupternte. Ein fortwährendes Gehen und Kommen ist dann am Flugloche wahrzunehmen. Mit einem offenbar fröhlichen Summen fliegen die fleißigen Arbeiter aus, um mit aller Freudigkeit und Virtuosität in der üppigen Flora der Wiesen, Felder und sonnigen Gärten zu handthieren, mit ihren dicken Staubhöschen von Blume zu Blume zu eilen und den Balsam aus tausend vollen, winkenden Kelchen zu saugen. Die meisten Bienen kehren von der Rapsblüthe mit schwefelgelben Höschen zurück; doch zeigt sich außerdem ein buntes Gemisch von hochrothen, weißen, hochgelben oder dunkleren Staubballen. Der Kundige sieht gleich aus der Farbe der Staubhöschen, von welchen Pflanzen oder Bäumen die Bienen gerade eintragen. Von der Linde höseln die Bienen weiß, von der Kornblume und vom Feldmohn schwarz, von der Roßkastanie carmoisinroth, vom Apfelbaum wachsgelb, vom Löwenzahn safrangelb, von der Akazie schmutzigweiß, vom Jelängerjelieber hochroth u. s. w. Viele der Bienen kommen ohne Höschen zurück; aber an ihrem schweren Fluge merkt man ihnen an, daß sie voll des süßen Nectars sind. Oft haben sie sich überladen, daß sie völlig ermattet zu Hause ankommen und nicht einmal ihr Standquartier erreichen, sondern daneben niedersinken. In Masse sieht man dann diese Schwerbeladenen am Boden vor dem Bienenhause sitzen und hastig athmend sich ausruhen, um endlich mit frischen Kräften ihrem Ziele zuzueilen.

Jetzt vermehrt sich die Bienencolonie durch das Ausschlüpfen des jungen Volkes. Zeitig im Frühjahr legt die Königin Eier in die Zellen, welche die Arbeitsbienen mit der erforderlichen Nahrung für die auskriechende Made versehen und dann mit einem Wachsdeckel verschließen. Schon nach zwanzig Tagen hat sich das junge Thierlein metamorphosirt, und wenn es gesund ist, beißt es selber die Wachsdecke durch; im andern Falle reißen die Arbeitsbienen die Decken ab, schleppen das krank- oder krüppelhafte Gebilde vor das Flugloch und überlassen es seinem Geschicke. Damit verrathen die Bienen eine gute Erziehungsmaxime; sie legen dem jungen Volke eine Kraftprobe auf, um es zeitig für seinen schweren Beruf zu ertüchtigen. Wie oft zeigt es sich im Leben, daß namentlich reiche Eltern ihre Kinder in einer Weise erziehen, die denselben Alles so angenehm und bequem wie möglich macht. Ihre Geisteskräfte werden möglichst geschont, denn sie möchten zu sehr angestrengt werden; ihre Leibeskräfte läßt man wenig gebrauchen, denn sie könnten Schaden daran nehmen. Dann treten sie, schwach an Körper und Geist, in’s Leben, und man braucht sich nicht zu wundern, wenn man so häufig Leuten begegnet, die bei sonst gesunden Gliedern und Sinnen doch Schwächlinge sind, deren Entschlüsse und Vorsätze gerade so unsicher und schwankend sind, wie ihre kraftlosen Arme und Beine. Wie Viele dagegen sind aber zu großen Männern erwachsen, weil sie in ihrer Jugend allerlei Mühseligkeiten zu überwinden hatten, sich „durchbeißen“ mußten, wie die jungen Bienen.

Die ausgekrochenen und arbeitsfähigen jungen Bienchen sieht man häufig am Flugbrette sitzen, wie sie von den älteren Schwestern gebürstet, geputzt und gesäubert, auch wohl mit vorgestrecktem Rüssel gefüttert werden; an dem jetzt noch gelb gefärbten Stirnschilde sind sie deutlich zu erkennen. Die Neulinge orientiren sich zunächst, indem sie vom Flugloche aus erst in kleineren und dann in immer größeren Kreisen auffliegen, dann auch den weiteren und

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 441. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_441.jpg&oldid=- (Version vom 7.9.2022)