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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

oder Gegenstände, welche Niemand brauchen kann, welche keines Menschen Bedürfniß befriedigen, dessen Arbeit ist werthlos, der hat keinen Anspruch, dafür bezahlt zu werden, mag er sich dabei noch so sehr geplagt, noch so viel an Zeit und Kosten aufgewendet haben. Gesetzt, es fiele Jemand ein, alberne Figuren aus Käserinde zu schnitzen, und er ließe sich es einige Schock Käse und mehrere Wochen Zeit kosten: würde man ihn nicht auslachen, wenn er nun für seine Producte, die kein Mensch brauchen kann und Niemand haben will, auf einen Preis bestände, nach Verhältniß der aufgewendeten Kosten und Mühe?

Daß übrigens der Austausch von Leistung und Gegenleistung, worauf Alles ankommt, nur im freien Einvernehmen der Betheiligten vor sich gehen kamt, versteht sich von selbst. „Gib oder thue mir das, ich gebe oder thue Dir das dafür,“ sagt der Eine, und es ist Sache des Andern, sich darüber zu bedenken und zustimmend oder ablehnend zu erklären. Denn über das, was Jemand bedarf, und was er an die Befriedigung eines Bedürfnisses setzen will, ist, der Natur der Sache nach, als über Etwas seinem eigensten Begehrungs- und Empfindungskreise Angehöriges, kein Dritter außer ihm zu entscheiden im Stande und befugt. Sobald aber dem Einvernehmen über die Brauchbarkeit einer Sache die Einigung über die Gegenleistung, über den Preis, welchen der Abnehmer dafür gewähren soll, hinzutritt, ist Alles abgemacht, und wir erhalten in der Forderung von der einen und in deren Bewilligung von der andern Seite, in Angebot und Nachfrage, die beiden Factoren, welche über den Werth eines Artikels entscheiden.

Wohlgemerkt also: nicht dasjenige, was ein bestimmter[WS 1] Producent an Zeit, Mühe und Kosten aufwendet, um eine Sache herzustellen, bestimmt deren Werth, wenn es auch auf seine Forderung von Einfluß sein mag, sondern die größere oder geringere Schwierigkeit für den Consumenten, eine Sache zu erhalten. Mag die Forderung des Producenten von seinem Standpunkte noch so angemessen sein, der Consument braucht nicht darauf einzugehen, so lange er die gleiche Sache anderswoher wohlfeiler erhalten kann. Und hier stehen wir an dem eigentlich praktischen Kern der ganzen Frage. Denn eben der Umstand, daß ihre Producte immer weniger nach Verhältniß dessen bezahlt werden, was sie an Zeit und Kosten aufwenden, sie zu fertigen, ist ja die Hauptklage unserer Handwerker.

So billig es nun auf den ersten, flüchtigen Blick erscheinen möchte, wenn jedes Arbeitsproduct seinem Verfertiger nach Verhältniß der von ihm bei dessen Erzeugung aufgewendeten Zeit, Mühe und Kosten bezahlt werden müßte, so wäre dies doch nicht nur die größte Ungerechtigkeit, sondern auch das entsetzlichste Unglück für die ganze menschliche Gesellschaft, die Arbeiter selbst mit eingeschlossen. Denn dadurch würde nur der Faulheit, Dummheit und Ungeschicklichkeit Vorschub gethan, und aller und jeder Antrieb zu tüchtigem, fleißigem Geschäftsbetrieb vernichtet, was am Ende zur unausbleiblichen Folge hätte, daß die zur Befriedigung des Gesammtbedürfnisses der Menschheit erforderlichen Güter in immer geringerer Menge und schlechterer Beschaffenheit erzeugt werden würden.

Man nehme nur auf der einen Seite einen fleißigen, geschickten, umsichtigen Arbeiter, der eine Sache anzugreifen weiß, die rechten Bezugs- und Absatzquellen kennt, auf gute Werkzeuge und Material hält – und auf der andern Seite einen faulen, ungeschickten, der nöthigsten Geschäftskenntniß entbehrenden, mit schlechtem Werkzeug und schlechtem und theurem Material versehenen. Was der erste in wenigen Tagen mit mäßigen Kosten herzustellen im Stande ist, dazu braucht der andere Wochen, und hat ungleich mehr Unkosten, weil er nicht alle Vortheile im Betriebe zu nutzen weiß und noch dazu Manches an Material und sonst unnütz verwendet und verdirbt. Schließlich aber sind die Erzeugnisse Beider auch noch in ihrer Qualität himmelweit verschieden. Was wäre nun die Folge, wenn der so vielfach belobte Grundsatz über den Werth der Arbeit entschiede? Offenbar die: daß der schlechte Arbeiter für sein schlechtes Erzeugniß einen zwei- bis dreimal höhern Preis erhielte, als der tüchtige für seine bessere Arbeit, weil jener mehr an Zeit und Kosten aufgewendet, es herzustellen! Gewiß das Verkehrteste, was sich nur denken läßt!

Nein, was alsdann gilt, wenn Jemand durch seine Thätigkeit gar Nichts, oder nur (gleich jenem Käseschneider) völlig unnütze Dinge, nach denen kein Mensch verlangt, producirt: daß nämlich eine solche Thätigkeit für die Gesellschaft werthlos ist und keinen Anspruch auf Lohn hat: das muß natürlich auch für den Fall gelten, wo Einer zwar etwas an sich Brauchbares hervorbringt, allein ein Mehr an Zeit und Kosten darauf verwendet, als bei vernünftigem Betriebe dazu erforderlich ist. Denn dieses von ihm verwendete Mehr an Zeit und Kosten ist für den eigentlichen Arbeitszweck ebenso verloren, dieser Theil seiner Arbeit und seines Capitals gerade ebenso vergeblich vergeudet, als bei jenen völlig nutzlosen Beschäftigungen das Ganze, und das Product beider für die Gesellschaft gleich Null. Einen Lohn darauf setzen, hieße also der Trägheit, dem Ungeschick, der zwecklosen Verwendung von Arbeitskraft und Mitteln eine Prämie ertheilen, und daß dies zum allgemeinen Ruin führen müßte, kann sich Jeder selbst sagen. Es ist daher unsinnig, die vollkommene Gerechtigkeit des wirklichen, durch das Bedürfniß der Consumenten bedingten, in Angebot und Nachfrage zur Erscheinung kommenden Werthmaßstabes für alle und jede Arbeitsproducte zu bestreiten, da dies geradezu den Zweck aller menschlichen Arbeit in Frage stellt und den daraus folgenden von uns erläuterten Hauptgrundsatz: daß jede Thätigkeit nur nach ihren wirklich brauchbaren Resultaten abgeschätzt werden kann, in das Gegentheil verkehrt.

Das Publicum fragt niemals, was ein Erzeugniß diesem oder jenem Producenten an Zeit und Auslagen gekostet hat, sondern bezahlt die Waaren nur darnach: „was ihre Herstellung nach dem derzeitigen Stande der Industrie unter Benutzung aller Hülfsmittel der Production und des Verkehrs, bei einsichtigem, tüchtigem Betriebe zu stehen kommt.“ Und darin hat das Publicum ganz Recht. Es ist Sache des Producenten, sich die erforderliche Tüchtigkeit in seinem Gewerbszweige anzueignen, und niemals kann den Consumenten zugemuthet werden, für jeden Mißgriff, jedes Ungeschick, jeden Mangel in zweckmäßiger Betriebsweise, welches Alles die Production kostspieliger macht, zu bezahlen, indem dafür gerechter Weise nur der zu büßen hat, dem sie zur Last fallen.

Das Vorstehende ergibt zugleich, was man von dem vielfachen Geschrei gegen die freie Concurrenz als eine Hauptquelle des socialen Elends zu halten hat, gegen die Concurrenz, die Seele alles Verkehrs, den einzig wirksamen Regulator des Werthes, der jedem sein gerechtes Theil zumißt! Nur durch den Wetteifer Vieler, von denen Jeder, um seine Producte möglichst rasch und zu möglichst günstigen Bedingungen zu verwerthen, unablässig bemüht ist, seine Betriebsweise zu verbessern, wird die Herstellung der Gesammtmasse der Güter immer vollkommener und billiger und ihr Besitz immer weiteren Kreisen zugänglich. Hebt man die Concurrenz auf, so daß einige wenige Producenten sicher sind, daß man ihnen ihre Waaren abnehmen müsse, sie mögen sein, wie sie wollen, wo bleibt da der Sporn, Gutes und Tüchtiges zu leisten? Und wie vollständig haben sie das Publicum mit den Preisen in der Gewalt, das, wenn es die einschlagenden Artikel einmal haben will, die unbilligsten Forderungen gewähren muß. Für den ungeschickten, faulen, unsoliden Producenten freilich läge in einer solchen Einrichtung das Paradies, welches ihm die Tauben gleich gebraten in den Mund lieferte. Allein für den strebsamen, tüchtigen Mann wäre es der Ruin, sobald Fleiß, Geschicklichkeit und Umsicht nicht mehr auf dem Felde des Verkehrs über den Erfolg entscheiden sollten.

Zum Glück ist die Durchführung eines solchen wider die Natur des menschlichen Verkehrs streitenden Systems unmöglich, und wenn wir auch hier und da noch einzelnen Privilegien und Monopolen begegnen (man denke an die Salz- und Tabaks-Regie mancher Regierungen) so sind dieselben doch höchst vereinzelt und werden vielfach umgangen, indem sich der Schmuggel, die unselige Folge einer unseligen Maßregel, als unausbleibliche Reaction dagegen etablirt. Denn es ist und bleibt nun einmal die Grundbedingung alles Handels und Wandels, daß der Austausch der Producte im freien Einvernehmen der Betheiligten sich vollziehe. Wie es dem Producenten freistehen muß, zu verkaufen, an wen und zu welchem Preise er will, so muß auch der Consument die volle Freiheit haben, zu kaufen, von wem und zu welchem Preise ihm ansteht. Das entgegenstehende Interesse beider Theile, vermöge dessen der Producent so theuer als möglich seine Arbeit absetzt, und der Consument seinen Bedarf so billig als möglich anschafft, findet aber nur in der Concurrenz seine Ausgleichung, welche ja nicht blos auf der einen, sondern auf beiden Seiten Statt findet. Während sein Interesse den Verkäufer antreibt, den möglichst hohen Preis zu fordern, nöthigt ihn die Concurrenz, sich vor Ausschreitungen zu

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  1. Vorlage: bestimmer
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verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 315. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_315.jpg&oldid=- (Version vom 11.9.2022)