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bedeutenden Höhe emporgearbeitet, vorzüglich nachdem ihn der Rath mit den Oster- und Michaelismessen vereinigt hatte. Leipzig war der Stapelplatz dieses Handelszweiges für das südliche und einen großen Theil des nördlichen Deutschlands. Seine Messen gaben, wenigstens für das südliche Deutschland, den Preiscourant für diese Waare auf ein halbes Jahr an und selbst für die nördlichen Provinzen, aus welchen der größte Theil der hier zum Verkaufe aufgestellten Pferde bezogen ward, war die Leipziger Messe der Tarif, nach welchem man den Einkauf zu der künftigen besorgte.

Auch dies ließ König August nicht spurlos an sich vorübergehen. In Folge eines von ihm erlassenen Befehls durfte bei namhafter Strafe kein zur Messe gebrachtes Pferd früher verkauft werden, als bis alle angekommenen den Zug durch die innere Stadt gemacht hatten. Dann suchte der König sich heraus, was ihm zu kaufen gefiel.

In der Ostermesse geschah dies am Sonntage Jubilate und in der Michaelismesse an dem Sonntage, an welchem die eigentliche Messe ihren Anfang nimmt, Nachmittags um zwei Uhr. An jedem dieser beiden Sonntage mußten nun die zum Verkaufe gebrachten Pferde aus den Ställen vor dem Grimmaischen und Petersthore, von dem Roßplatze, auf welchem sie sich versammelten, zum Petersthore herein, durch die Petersstraße, über den Markt und Grimmaischen Thore wieder hinaus, den Universitätsstallmeister an der Spitze, geführt werden.

So gingen die Pferde in Zügen oder Koppeln, in welchen immer eines vermittelst eines etwa drei Fuß langen Stocks an den umgürteten Schweif des vor ihm gehenden mit der Halfter angeschleift war, an dem Hause des Marktes Nr. 2., welches der König bei seiner Anwesenheit in Leipzig bewohnte und welches auch bis 1813 von seinen Nachfolgern bewohnt ward, vorüber. Trat der Hof, wie dies in den ersten Jahren dieser Besuche einige Mal zu geschehen pflegte, im Schlosse Pleißenburg ab, so kam der Zug der Koppelpferde ebenfalls zum Petersthore herein, ging aber durch die Schloßgasse und das Schloß und zum Schloßthore wieder hinaus.

Bemerkte der König ein Pferd, welches ihm gefiel, so mußte zur nähern Besichtigung desselben der ganze Zug, obschon nur auf wenige Augenblicke, Halt machen, damit die Gestalt und Farbe des Pferdes und der Name des Verkäufers aufgezeichnet werden konnten.

Dieser Gebrauch erhielt sich bis zur Zeit des französischen Krieges, und wenn der Landesherr nicht persönlich nach Leipzig kam, so fand sich von Seiten des sächsischen Hofes der Oberstallmeister ein. Seit jener Zeit aber änderte sich die Sache allmählich. Das Verbot des Pferdeverkaufs ward zwar nicht aufgehoben, aber gar nicht mehr beachtet. Jeder Roßhändler verkaufte seine Waare, wie und wann es ihm beliebte. Dieser Umstand in Verbindung mit dem, daß die Händler nicht einmal alle noch unverkaufte Pferde mit in den Zug brachten, war Ursache, daß dieser von Messe zu Messe kleiner und ärmlicher ward. Während daher in den glänzendsten Perioden der Leipziger Roßmesse gegen zweitausend Pferde durch die Stadt zogen, war diese Zahl in der Ostermesse 1825 bis auf einige siebzig zusammengeschmolzen, so daß wenige Jahre darauf der Durchgang der Koppelpferde seine Endschaft erreichte.

Unter den Handelsartikeln der Leipziger Messen vor hundertundfünfzig und mehr Jahren befanden sich übrigens zuweilen sehr abenteuerliche, die man jetzt trotz unserer vorgeschrittenen Industrie vergebens suchen würde, welche aber beweisen, daß gewinnsüchtige Speculanten damals eben so gut wie jetzt das Haschen des Publicums nach auffallenden Sonderbarkeiten zur Bereicherung ihres Beutels zu benutzen verstanden.

So fanden sich auf der Michaelismesse 1684 nach der durch die kaiserlichen, polnischen und sächsischen Truppen glücklich erfolgten Entsetzung Wiens mehrere Kaufleute ein, welche einige Fässer gedörrter Türkenköpfe unterschiedlicher Art und Gestalt mit abscheulichen Gesichtern, seltsamen Bärten und vielerlei Haaren, kurz oder lang geschoren, zum Verkaufe ausboten. Sie wurden je nach der Scheußlichkeit ihres Ansehens, welches den Maßstab für ihren Werth angab, und je nachdem die Gesichter recht arg zerhauen waren, mit vier, sechs bis acht Thalern das Stück verkauft und zum Theil weiter nach Spanien, England, Holland, Frankreich, Dänemark und Schweden versendet.

Einer dieser Türkenkopfhändler brachte zur nächsten Michaelismesse außer seiner schon bekannten Schnittwaare noch als besondere Rarität ein lebendes türkisches Mädchen von etwa zwanzig Jahren und einen türkischen Knaben von sieben Jahren mit, die beide vor Ofen gefangen genommen worden waren und die er ebenfalls zum Verkauf ausbot. Der Kauf- und Handelsherr Kaspar Rose kaufte beide, das Mädchen für einen Centner Zucker und den Knaben für zehn Thaler baares Geld. Beide wurden von ihrem Käufer bald bewogen, sich taufen zu lassen und die Namen Barbara und Friedrich anzunehmen. Als jedoch Rose starb, nahm der prunkliebende Bürgermeister Romanus sie als ein Verschönerungsmittel seines Haushaltes in seine Dienste, und machte sie wieder zu Türken, indem er ihnen schöne türkische Anzüge machen ließ und sie wieder bei ihren ursprünglichen Namen Zuleima und Soliman nannte, wie sehr auch viele fromme Seelen der Stadt sich über dieses nach ihrer Ansicht strafwürdige und unchristliche Beginnen ereiferten.

Die jetzt auf dem Roßplatz (dieses Jahr verschiedener Bauten wegen auf dem Fleischerplatz) stehenden Trink- und Schaubuden hatten ihren Platz damals auf der Grimmaischen Gasse und theilweise auf dem damaligen Petersplatze oder der späteren Esplanade, welche jetzt den Namen des Königsplatzes trägt.

So wurde zum Beispiel im Jahre 1650 auf der Grimmaischen Gasse in einem Hofe der erste Elephant gezeigt, welcher nach Leipzig und Sachsen, so wie überhaupt nach Deutschland gekommen zu sein scheint. Von den Zetteln, welche der Besitzer des Thieres austheilte, befindet sich jetzt noch ein Exemplar in der Bibliothek eines Sammlers derartiger Raritäten und es ergibt sich daraus, daß das Thier eins der gelehrigsten und sanftesten war, welche jemals gesehen worden sind. Dieser Zettel ist ein Kupferstich auf einem ganzen Bogen, bestehend aus einem Mittelfelde, welches von sechzehn Seitenfeldern umgeben wird. Das erstere stellt den Elephanten überhaupt mit seinem Führer dar und die andern zeigen die mannigfachen Kunststücke, welche er machte. So sehen wir ihn die Zuschauer becomplimentiren, sich für das empfangene Geld bedanken und auf die Erde platt niederlegen, seinem Führer das Geld aus der Tasche ziehen, ihn auf dem Rüssel tragen, eine Menge Jungen von der Erde aufheben und sie mit dem Rüssel auf den Hals setzen, mit einer Kugel nach Kegeln schieben, seinem Führer den Hut abnehmen und sich auf den Kopf setzen, einen Thaler, selbst einen Dreier von der Erde aufheben, mit dem Führer ein Scheingefecht mit Rappieren auf Hieb und Stich bestehen, den Eimer herbeitragen, damit sein Herr sich waschen kann, sich mit einem Besen abkehren und endlich nach dem Takte der Trompete ein Tänzchen machen.

Nicht weniger als hundertunddreißig Jahre vergingen, ehe sich wieder nach diesem ersten ein Elephant auf die Leipziger Messe verirrte, was, wie wir in Weisen’s Kinderfreunde lesen, im Jahre 1780 geschah. Bei dem großen Capitale, welches der Ankauf eines solchen Thieres kostete, und der Furcht, es durch das Klima bald umkommen zu sehen, so wie bei den bedeutenden Kosten und Schwierigkeiten, welches die Fortschaffung eines solchen Thieres von einem Orte zum andern verursachte, darf dies nicht Wunder nehmen. Die Neuzeit mit ihren großartigen Transportmitteln bietet natürlich der Schaulust in dieser Beziehung eine weit reichere Ernte und Manches, was damals mit großer Bewunderung angestaunt ward, erregt jetzt nur noch geringes Interesse.

Die indianischen Raben, die Papageien und Kakadus, welche zur Michaelismesse 1684 zu sehen und für theures Geld zu verkaufen waren, machten mit den daneben befindlichen Meerkatzen und Pavianen ein sehr großes Aufsehen. Daneben interessirte die Riesin, welche nebst einem Wunderschafe mit einem ungeheuren Horne in einer Bude auf der Grimmaischen Gasse den Schaulustigen sich präsentirten. Noch mehr Zulauf erhielt die Menagerie, die 1685 in der Michaelismesse in Bräunicken’s Hofe zu sehen war und wo außer Löwe und Tiger ein gar wundersamer Vogel, der „vorn wie eine schwarze Sau gestaltet war und Stacheln auf dem Rücken hatte,“ die Neugier fesselte und die Naturkunde der Leipziger bereicherte.

Ueberhaupt wurde es nun schon ziemlich Mode, anstatt die Bären-, Affen- und Kameelführer auf offener Straße zu sehen, in die Schaubuden und Höfe zu gehen und dort die Sammlungen ausländischer Thiere zu betrachten, die von dieser Zeit an sich ziemlich zahlreich einstellten.

Auch an anderen seltenen und wunderbaren Thieren fehlte es nicht. So war in der Ostermesse 1683 in dem Metzner’schen Hause am Markte ein sehr gutes Wachsfigurencabinet aufgestellt, welches die ganze französische Königsfamilie in getreuen Nachbildungen zeigte. Die Wasserkunst, die 1690 in einem Hause auf der Grimmaischen Gasse gezeigt wurde, scheint mit ihren beweglichen Figuren ebenfalls kein uninteressanter Gegenstand gewesen zu sein und in der Ostermesse 1699 bewunderte man einen Knaben, der an Händen

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