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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)


„Ein Lebehoch für Schwester Veronika!“ rief der junge Soldat in seinem frischen Enthusiasmus.

Die anwesenden Soldaten grüßten militairisch die Nonne am Arme des Offiziers.

„Dort ist ja auch der wackere Sergeant,“ sagte sie, „der mir das Leben gerettet hat.“

Sie reichte dem Graukopf die Hand, welche dieser mit der ganzen Galanterie eines alten, französischen Militairs respektvoll an seine Lippen führte. Dazu sprach sie einige Worte des innigsten Dankes.

„Es ist nicht der Rede werth,“ sagte der gerührte Sergeant, „aber dort steht ein Mann, der mehr für Sie gethan hat, als wir Alle.“

Dabei deutete der Alte auf seinen Offizier, welchen die Nonne fragend ansah.

„Ja, ja!“ fuhr der geschwätzige Alte fort, ohne sich an die Drohungen und Winke des Offiziers zu kehren, „der Herr Lieutenant hat das Kreuz der Ehrenlegion ausgeschlagen, weil er sie für würdiger dafür gehalten hat.“

„Still, Sergeant!“ rief der erröthende Offizier.

„Und wenn ich Morgen wegen Insubordination erschossen werden sollte, ich muß die Wahrheit sagen. Das hat der Herr Lieutenant gethan.“

„Ich bin nur meiner Ueberzeugung gefolgt,“ sagte jetzt der Offizier mit fester Stimme, „und alle Kameraden theilen meine Ansicht. Es gibt noch eine Tapferkeit, welche höher steht als der Muth des Mannes: es ist dies die weibliche Opferfähigkeit.“

„Ein Lebehoch für Schwester Veronika und unseren Lieutenant,“ rief der junge Soldat und alle seine Kameraden stimmten jubelnd ein.

Am Arme des Offiziers kehrte die Nonne in ihr Kloster zurück. Ehrfurchtsvoll hatte das anwesende Publikum ein Spalier gebildet, durch das die beiden „Tapferen“ gingen; Schwester Veronika in ihre Zelle und der Offizier in das Leben und vielleicht zu neuem Kampfe. Ganz Frankreich aber spricht in diesem Augenblicke von der „tapfern Schwester Veronika,“ und durch alle Zeitungen, deutsche und französische, läuft die Notiz von dem Erscheinen der braven Nonne mit dem hölzernen Beine und dem Orden auf der Brust am Arme des dankbaren Offiziers.

Max R.


Lichtbilder.
I.

Eine der interessantesten Erfindungen der Neuzeit, diejenige, welche wohl am meisten bekannt geworden und im alltäglichen Leben, in Kunst und Wissenschaft angewandt ist, um schnell und wohlfeil ein treues, wahres Bild einer Person, eines Gegenstandes, einer Landschaft zu erhalten, ist unstreitig die Photographie, die Kunst, mit Hülfe der Physik und Chemie durch das Sonnenlicht Bilder zu erhalten. In allen Kreisen der Gesellschaft hat sich das Lichtbild, das Resultat der Einwirkung (Reaktion) des Lichts auf gewisse chemische Verbindungen, eingebürgert; durch Lithographie und Xylographie vervielfältigte Portraits gefeierter Männer der Gegenwart sind häufig Kopieen von Lichtbildern, Illustrationen belehrender oder unterhaltender Schriften basiren zum Theil auf Photographieen; und wie der Reiche mit Freude und Stolz die von Meisterhand gefertigten großen Papierbilder seiner Lieben, die in prächtigen Goldrahmen die Wand seines Zimmers schmücken, betrachtet, so ist nicht minder der arme Handwerksbursch im Besitz eines kleinen Wachstuchbildes (Panotypie) glücklich, das ihn als Schutzgeist auf seinen Wanderungen in nahe und ferne Länder begleitet. –

Schon seit langer Zeit kannte man die schwärzende Einwirkung des Sonnenlichtes auf gewisse farblose Silberverbindungen und versuchte, dieselbe zur Anfertigung von Bildern zu benutzen, allein erst Niépce und Daguerre war es vorbehalten, nach vielen mühsamen Versuchen ein Verfahren aufzufinden und festzustellen, haltbare Bilder zu erzeugen, jene schönen, bald allgemein beliebten Lichtbilder, die nach dem Erfinder des noch jetzt gebräuchlichen Verfahrens Daguerre, DaguerreotypenPlattenbilder – genannt wurden.

Das Material für diese Bilder ist eine versilberte Kupferplatte, die, nachdem sie auf das Sorgfältigste gereinigt – geschliffen – wurde, durch Joddämpfe – Jodiren – mit einer leichten Schicht Jodsilber, welches für das Licht äußerst eindrucksfähig ist, bedeckt wird. Die so zubereitete Platte, die durch die Kasette – ein mit einem Schieber verschließbarer Rahmen – vor jeder fremden Einwirkung des Lichts geschützt ist, wird nun in die, vorher genau eingestellte Camera obscura gebracht und eine kurze Zeit, deren Dauer von verschiedenen Umständen bedingt ist, durch Oeffnen der Kasette und des Objectivs der Camera obscura, der Einwirkung des Lichts ausgesetzt. Die Camera obscura, ein vom Neapolitaner Porta im 17. Jahrhundert erfundener Apparat, von Voigtländer in Wien zur Anfertigung Daguerre’scher Bilder besonders konstruirt, besteht aus einem Kasten, an dessen einer Seite das Objectiv sich befindet, ein Messingrohr, welches die Linse, eine Combination convex geschliffener Crownflintgläser enthält, deren Güte wesentlich die Erzeugung eines guten Bildes bedingt; an der andern Seite ist eine matt geschliffene Glasplatte, durch welche hindurch man den aufzunehmenden Gegenstand sieht und, durch Verlängerung oder Verkürzung des Objectivrohrs mit Hülfe einer Mikrometerschraube, das Bild bis zur höchsten Schärfe einstellt, auf die Weise angebracht, daß sie weggenommen und durch die Kasette, welche die präparirte Platte enthält, ersetzt werden kann.

Nach der dem Daguerreotypisten durch Uebung genau bekannten Zeit, schließt er nach der Aufnahme die Camera obscura und die Kasette, und ruft das Bild, von dem auf der Platte jetzt nichts zu sehen ist, durch Quecksilberdämpfe hervor, worauf er es in ein Bad – Lösung – von unterschwefligsaurem Natron legt, und es endlich durch einen Goldüberzug haltbar macht – fixirt –, den er mit einer Chlorgoldlösung, welche er auf das Bild gießt und durch eine untergestellte Spirituslampe erhitzt, erzeugt. Es versteht sich von selbst, daß die beschriebene Behandlung, sowohl vor, als auch nach der Exposition der Platte in der Camera obscura, in einem vom Tageslichte vollkommen abgesperrten Raume, den man durch künstliche Beleuchtung erhellt, stattfinden muß.

In der Camera obscura hatte das durch die Linse einfallende Licht auf der jodirten Platte eine, wie schon angedeutet, für das Auge nicht sichtbare Veränderung hervorgebracht; die dem Lichte am meisten ausgesetzt gewesenen Stellen aber haben die Eigenschaft erlangt, den Quecksilberdampf in unendlich feinen Perlen zu verdichten, während an den Stellen, die vom Lichte nicht getroffen wurden, ein solcher Niederschlag nicht erfolgt. Durch das Abspülen des Bildes in einer Lösung von unterschwefligsaurem Natron – Natronbad – wird nun der Ueberzug von Jodsilber an den vom Lichte nicht getroffenen Stellen gelöst, und durch vorsichtiges Begießen mit reinem Wasser von der Salzlösung gereinigt, worauf endlich durch die Vergoldung dem Bilde der schützende Ueberzug gegeben wird, der dasselbe vor Zerstörung bewahrt, denn die das Bild zeichnenden Quecksilberkügelchen – der Chemiker Dumas berechnete ihren Durchmesser zu 1/800 eines Millimeters – sind mit dem Silber der Platte chemisch nicht verbunden, sind daher sowohl verwischbar, als auch einer Veränderung ihrer Lage durch Verdampfung – Quecksilber verdunstet, wenn auch sehr wenig, schon bei gewöhnlicher Temperatur – unterworfen, wodurch das Bild ohne schützende Decke nach und nach vollständig verschwinden würde.

Das Daguerreotyp ist fertig, der Silberspiegel der Platte bildet den dunklen Grund, auf welchem die mehr oder weniger hellen Parthieen durch den mehr oder minder dicht abgelagerten Quecksilberstaub gezeichnet hervortreten.

Welch großes Aufsehen die Erfindung von Niépce und Daguerre in allen Kreisen machte, mögen folgende Worte Arago’s[1]


  1. Comptes rendus T. IX. p. 250 ff., im Auszuge, Journal für praktische Chemie 18. p. 215.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 79. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_079.jpg&oldid=- (Version vom 9.3.2019)