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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

steif werden. Er ist augenblicklich mit solchen angefüllt, und starke Männer laden sie in Wagen, die sie nach dem im Flusse gelegenen Packhause fahren. Unmittelbar an den Raum grenzend, wo die Schweine ihr Leben lassen müssen, ist eine ungeheure, länglich runde Brühbütte angebracht, in welche heißes und kaltes Wasser nach Belieben gepumpt werden kann. An der entgegengesetzten Seite der Bütte befindet sich eine lange hölzerne Bank, auf welcher die Schweine entborstet und gereinigt werden. Aus der Bütte steigt dichter Dampf empor. Jetzt erhält der Vormann von einem Schwarzen, welcher die Temperatur des Wassers mit dem Thermometer geprüft hat, die Nachricht, daß die Brühe gut sei. Dies gleicht einem Rufe zu den Waffen. Man hört das Wetzen der Messer, und jeder eilt auf seinen Posten.

Da wir wünschen, den ganzen Prozeß mit anzusehen, folgen wir zwei Männern, welche zum Schlachtfeld eilen, und indem wir eine Treppe, welche nach einem Ueberbau leitet, ersteigen, können wir Alles aus der Vogelperspektive übersehen. Pfui, welch’ furchtbarer Gestank! Die schmutzigste morgenländische Stadt, in welcher nur Hunde und Geier die Straßenpolizei ausüben, ist ein Rosengarten im Vergleiche damit. Gerade unter uns fällt das Auge auf Einfriedigungen, welche jetzt etwa 6000 zum Schlachten bestimmte Schweine enthalten, und der Geruch und das Gequieckse, was sich daraus verbreitet, läßt sich kaum ertragen. Etwas mehr zu unserer Rechten liegen ungeheuere, aus den Eingeweiden und sonstigen Abfällen der bereits geschlachteten Schweine bestehende, Haufen, und diese abwechselnd gefrierend und in der Sonne wieder aufthauend, sind wohl geeignet, die Atmosphäre zu verpesten.

Die Einfriedigung, über welcher wir stehen, enthält die ersten Schlachtopfer des Tages, welche sich bei dem Eintritte der Zweifüßler nach hinten drängen und ihr quiecksendes Concert in höheren Tönen erheben. Jeder der beiden Männer hält in seiner Hand einen Hammer, ähnlich dem, womit in Deutschland die Chausseesteine zerschlagen zu werden pflegen, mit einem Stiel von der Länge eines Axthelms. Sie stellen sich an entgegengesetzte Seiten der Einfriedigung, und jeder, sein Opfer sicher auswählend, begräbt seinen Hammer in das Hirn eines Schweines. Die armen Thiere stürzen der Länge nach zuckend nieder. Diese Schlächterei wird fortgesetzt bis das letzte Thier gefallen ist, und deren wenigstens zwanzig den Boden bedecken. Jetzt ihre Hämmer zur Seite legend, ergreifen die Männer ihre langen scharfen, dolchartigen Messer, und mit der Sicherheit eines Chirurgen durchbohren sie mit einem Stoß das Herz ihres Opfers. Die Thüre wird geöffnet, und Männer mit eigens zu diesem Zwecke angefertigten sogenannten Schweinehaken versehen, ziehen die zwanzig leblosen Schweine nach der Brühbütte. Dann treiben Andere eine neue Zahl Schweine in die Einfriedigung, und so dauert die Schlächterei ohne Unterbrechung den ganzen Tag. Wir hören, daß diese herkulischen Schlächter neben dem Manne, welcher die Schweine auswaidet, die besten Männer in dem ganzen Korps sind, indem ihr Geschäft nicht allein ein sehr anstrengendes, sondern auch gefährliches ist, da es durchaus nicht unter die Seltenheiten gehören soll, daß sie von einem Schweine mit dessen Hauern angegriffen werden, und sie allein auf ihre Geschwindigkeit und Geschicklichkeit angewiesen sind, um sich vor schweren Wunden zu sichern.

In das Schlachthaus zurückkehrend, sehen wir, wie die todten Schweine in frische Hände übergehen. An der Seite der Brühbütte steht der Vormann, ein athletischer Neger, stolz wie ein Kommodore. Seine Autorität ist unbeschränkt, und auch seine weißen Gefährten gehorchen seinem Wink ohne Zögern. Die Schweine werden in kurzer Folge aufgehoben und in die Brühe gelegt. Der Neger scheint mit siedendem Wasser befreundet zu sein, denn er hält seine Hände in die heiße Brühe, die für Bürsten geeigneten Rückenborsten des Schweines ausziehend, ohne dem Anscheine nach ein unangenehmes Gefühl zu empfinden. Nach einer fünf Minuten langen Einweichung lassen sich die Borsten mit Leichtigkeit ausziehen, und mit einem kräftigen Ringen befreiet er die Füße von ihrer Haardecke; worauf er die Weisung ertheilt, das Schwein heraus zu heben. Zwei Männer, auf beiden Seiten stehend, heben es mit Haken auf die Bank, wo zwei einander gegenüber stehende Leute die Borsten schnell auf der ihnen zugekehrten Seite abschrappen. und dann, das Schwein umdrehend, es ihren Nachbarn zuschieben, welche dann ebenso mit der andern Seite verfahren, während die ersten ihre Arbeit mit einem neuen Schweine vornehmen. Ist das Abschrappen eines Schweines vollendet, so fällt solches durch eine weitere Umwälzung in die Hände der Scheerer. Diese müssen schon eine größere Geschicklichkeit, als ihre Vorgänger besitzen; sie werden aus der Elite des Korps ausgewählt und erhalten eine Kleinigkeit mehr an Tagelohn. Sie entfernen mit scharfen Messern auch die kleinsten Härchen auf der ihnen zugekehrten Seite des Schweines, mit einer Geschicklichkeit und Schnelligkeit, um welche sie ein Barbier beneiden könnte, bis sie endlich das Thier mit einer neuen halben Wendung ihren zur Seite stehenden Kameraden zuschieben, welche die andere Seite ebenso reinigen. Aus ihren Händen nimmt es ein anderer Künstler in Empfang, welcher die Sehnen an den Hinterbeinen abtrennt, und es wieder einem Anderen zuschiebt, welcher einen Metzgerbalken durchsteckend, es mit Hülfe eines Kameraden auf die breite Schulter eines kräftigen Negers hebt, der es an einem der vielen Haken aufhängt, wo es ausgewaidet wird.

Nachdem wir so das erste Schwein mit unsern Blicken bis an das Ende der Bank verfolgt, sehen wir wieder rückwärts. Kaum sind 3 Minuten verflossen, seit das erste Schwein die Brühbütte verließ, und wieder ist die ganze Bank mit dampfenden Körpern bedeckt, und Jeder arbeitet mit allen seinen Kräften. Hier kann Niemand faul sein, er muß mit seinen Kameraden gleichen Schritt halten, oder er hält Alle auf. Es besteht aber daneben auch in den verschiedenen Schlächtereien eine wahre Eifersucht bezüglich der Menge der in einem Tage abgefertigten Schweine, welche regelmäßig in den Kneipen besprochen wird und die Arbeiter anspornt, alle ihre Kräfte anzustrengen, den Ruf ihres Etablissements nicht sinken zu lassen.

Dem weiteren Schicksal des ersten Schweines nun wieder folgend, stoßen wir auf den Agamemnon des Schlachtfeldes, den Auswaider (gutter), wie er genannt wird. Seine Arbeit ist herkulisch, aber hier finden wir auch endlich den rechten Mann auf dem rechten Platze; denn wir sehen einen vollkommenen Herkules vor uns. Er ist ein Neger von New-Orleans von riesenhaftem Wuchs, dessen Gesichtsbildung große physische Kraft andeutet. Seine Arme, von dem Umfange des Beines manches anderen Mannes, sind bloß. Die durchschnittliche Zahl der Schweine, welche in diesem Etablissement täglich geschlachtet werden, beträgt 1200, welche aber gelegentlich auch auf 1500 steigt; und zum Auswaiden dieser ungeheuern Zahl wird ein Mann für ausreichend gehalten. Sieben Schweine in einer Minute auswaiden zu können, wird wohl mitunter prahlerischer Weise behauptet, doch dürfte es wohl allenthalben an glaubhaften Zeugen fehlen, dieses Faktum nachzuweisen; indeß bleibt die Schnelligkeit, mit der dieser Mann arbeitet, doch eine wahrhaft fabelhafte. Mit der Regelmäßigkeit einer Maschine bewegt er sich längs der Reihe der aufgehängten Schweine; mit einem kräftigen Zug des Messers öffnet er den Leib, mit einem weiteren Schnitt löst er das Zwerchfell und die Eingeweide ab, mit einem dritten sein Werk vollendend. Ihm folgt ein Mann mit einem Gefäß mit kaltem Wasser, jede Unreinigkeit wegspülend, und jedes Härchen, was den Augen der Scheerer entgangen sein sollte, entfernend. Nachdem eine kurze Zeit für das Ablaufen des Wassers gelassen worden ist, werden die Schweine in den benachbarten Trockenraum geschafft.

In Cincinnati liegen die Packhäuser entfernt von den Schlachthäusern, alle zusammen längs des Flusses, wohin die Schweine in großen, mit vier kräftigen Pferden bespannten Wagen geführt werden müssen, während in anderen westlichen Städten Schlacht- und Packhäuser gewöhnlich unter einem Dache sind. Um den weiteren Prozeß zu verfolgen, müssen wir also unsern Weg zu einem Packhause nehmen.

Hier steigen wir eine Treppe hinauf, in den sogenannten Zerwirkungssaal. Unser Blick fällt hier zuerst auf lange sich quer durch den Raum erstreckende Reihen von Schweinen. Drei oder vier kräftige Neger sind beschäftigt, nachdem schon zuvor das Schmalz heraus genommen ist, unter einförmigem Gesang die geopferten Borstenthiere auf Hackeklötze zu placiren. An jedem derselben stehen zwei Zerwirker, jeder ein breites, glänzendes haarscharfes Beil schwingend, mit welchem sie die sich rasch auf einander folgenden Schweine in Stücke zerlegen, nur die Schinken ganz lassend. Den Zerwirkern stehen zwei Gehülfen bei, welche die zuerst abgetrennten größern Stücke genau in die Lage vor sie bringen, um den nöthigen weitern Hieb genau auf den rechten Fleck anbringen zu können und diese fertig gemachten Stücke, wozu auch die

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 51. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_051.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)