Seite:Die Gartenlaube (1855) 664.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

und Sorgen seiner kurzen Regierung und häuslichen Trauer angegriffen. Er verlor bekanntlich vor Kurzem seine junge schöne Frau, seine Mutter und seinen Vater in kurzer Zeit hinter einander.

Die französische Revolution von 1848 brachte Sardinien am Schärfsten in Conflict mit den conservativen und reactionären Elementen seines Staates und anderer Mächte einerseits, und andererseits mit der Demokratie und dem leidenschaftlichen Republikanismus Italiens. Wir können hier nicht von des jetzigen Königs Vater, Karl Albert, seinem tragischen Kampfe gegen Oesterreich und die Republikaner zugleich, von seinem Untergange, seiner Thronentsagung (März 1949) und seinem Tode in tiefster Zurückgezogenheit (Juli 1850), nicht von der merkwürdigen sardinischen Geschichte dieser Zeit sprechen, und erwähnen hier nur, daß der jetzige König sofort nach seines Vaters Entsagung das schöne Beispiel eines Sieges der liberalen Elemente vom Throne herab gab, daß er mit großer Energie, Kraft und Ausdauer sein Staatsschiff glücklich und heldenmüthig zwischen der Scylla des Absolutismus und der Charybdis des Republikanismus hindurch steuerte, und es ihm gelang, seinem Lande und Volke eine neue Lebensfrische aus den revolutionären Bewegungen zu retten und zu sichern. Namentlich charakterisirt sich Sardinien ganz im Gegensatze zu allen anderen italienischen Staaten. Letztere interessiren nur durch ihre Vergangenheit, durch die Grabmale ihrer ehemaligen Herrlichkeit, Sardinien durch sein Leben, sein Werden, seine industrielle, mercantile, wissenschaftliche und literarische Entwickelung. Es ist im ganzen Süden Europa’s das einzige Land mit Preßfreiheit, mit öffentlicher Freiheit, mit Reformen, mit Freude an der Gegenwart, mit Hoffnungen für die Zukunft. Auch sind die Sardinier durchweg keine Italiener, sondern ein eigener, robuster, militärisch-disponirter Menschenschlag, als deren Typus und Ideal der König gelten soll. Der alte savoy’sche Theil der Bevölkerung hängt außerdem mit besonderer Liebe an dem regierenden Königshause, von dem es seit sechs Jahrhunderten ununterbrochen größtentheils nobel, ritterlich und anständig regiert ward. Viele Ahnen des Königs tragen edele historische Namen als tapfere Ritter in Turnieren und Kriegshelden aus den Zeiten der Kreuzzüge bis zu „Prinz Eugene, dem edeln Ritter.“

In Paris und London hat man dem jetzigen Könige wohl keine Zeit zu ritterlichen Thaten gelassen, wenn nicht gegen Gebratenes, Gesottenes, Geschmortes und Gepfropftes. Dagegen hat sein Heer in der Krim, an dessen Spitze er einst mit vieler persönlicher Tapferkeit selbst kämpfte, Gelegenheit genug, sich in den sogenannten ritterlichen Künsten zu üben. Es ist nicht unsere Absicht und liegt durchaus nicht in der Tendenz der Gartenlaube, die Apotheose eines Kriegsheers zu schreiben, wir wollen lediglich, nachdem wir aus dem französischen Heere die Zuaven, aus dem russischen die Kosaken, aus dem türkischen die Baschi-Boschuks als besonders interessante Truppentheile der im Orient kämpfenden Heere vorgeführt, auch der sardinischen Armee gerecht werden, die in den „Bersaglieri’s“ eine eben so gefürchtete Truppe besitzt, wie die Franzosen in den Zuaven.

In dem 15,000 Mann starken Kontingente, mit dem sich Sardinien den Alliirten in der Krim angeschlossen hat, nehmen diese Bersaglieri (Scharfschützen) sowohl ihrer Ausbildung nach, als in Bezug auf ihre Ausrüstung und Bewaffnung die hervorragendste Stellung ein. Wie überhaupt unter allen italienischen Staaten Sardinien die kriegerisch tüchtigsten Truppen besitzt, so unermüdlich sorgte es in der Vermehrung seiner Militärbildungsanstalten und in der Beschickung erfahrener Generalstabsoffiziere nach Paris, Berlin und Wien dafür, aus dem vorhandenen Guten Vorzügliches herauszubilden und den Fortschritten in der Kriegswissenschaft zu folgen. Einem ausgezeichneten Krieger, dem General Alessandro Evasio Ferrero della Marmora, dem Bruder des Oberbefehlshabers Alfonso della Marmora, verdankt Sardinien die Schöpfung der Elitetruppe der Bersaglieri. Mit dem Plane, ein in jeder Beziehung ausgewähltes Corps zu bilden, bereiste er im Jahre 1835 Frankreich, England, Belgien und Preußen, um sowohl die Organisation der leichten Truppen, als auch die neueren Erfindungen in der Gewehrfabrikation kennen zu lernen. Nach seiner Zurückkunft legte er dem König Karl Albert ein Projekt zur Organisirung des Bersagliericorps vor, und es gelang ihm nach vielen Schwierigkeiten, die Bildung zweier Compagnien durchzusetzen, die mit einer von ihm erfundenen Büchse bewaffnet wurden und zu deren Chef er im Jahre 1836 ernannt wurde. Unter den Opfern, die die Cholera in der Krim zu Tausenden gefordert hat, beklagt Sardinien auch den General Alessandro della Marmora, der kurz nach seiner Ausschiffung daselbst starb.

Schon in dem Werke des österreichischen Generals Schönhals über die italienischen Feldzüge werden die Bersaglieri als in jeder Hinsicht ebenbürtige Gegner der österreichischen Jäger bezeichnet. Besonders Savoyarden und die muthigen, gewandten und abgehärteten Söhne der Hochalpen sind in den Bersaglieri stark vertreten. In den Kriegen mit Oesterreich stellte sich der wesentliche Nutzen der nach dem Muster der französischen Chasseurs de Vincennes weiter ausgebildeten Truppe überzeugend heraus, so daß ihre Vermehrung als unabweisbar erschien. Gegenwärtig bestehen sie aus 10 Bataillonen, jedes Bataillon zu 4 Feld- und einer Depôtcompagnie. Die Stärke einer Compagnie ist nach dem jetzigen Etat auf dem Kriegsfuße 93 Combattanten, so daß ohne die zurückbleibenden Depôtcompagnien die Bersaglieri in einer Stärke von 3720 Mann, die auf vollem Kriegsfuß auf 4000 Mann erhöht wird, im Felde stehen und dabei noch ein hinreichendes Depôt zurücklassen. Ihre Bewaffnung ist gegenwärtig die kurze, leichte Delvigne’sche Büchse, die sie mit ungemeiner Sicherheit zu handhaben wissen, wie sie im Allgemeinen und hinsichtlich der Gewandtheit und Kühnheit der einzelnen Leute Alles besitzen, was man von den besten derartigen Truppen nur erwarten kann. Sie sind gleich den Zuaven und den Chasseurs der Franzosen die gefährlichsten Gegner der Russen, und ihre Kugeln zählen zu den unfehlbaren.

Wir geben hier unsern Lesern ein treues Bild dieser verwegenen Bergsöhne und ihrer sehr zweckmäßigen und malerischen Uniformirung, die ganz entsprechend für den leichten Tirailleurdienst in Berg und Wald berechnet ist.




Die Säugethiere Deutschlands in früherer Schöpfungsperiode.

Von C. Giebel.
(Schluß.)


Aehnliche Prototypen wie sie uns in den Paläotherien und Anoplotherien begegneten, treffen wir vor der Existenz des Pferdes als des Repräsentanten der Familie der Einhufer in der mitteltertiären Epoche in Deutschland. Aus den Schichten des mainzer Beckens erhielt Kaup die Gebeine dieses Urpferdes, das er Hippotherium nennt. Alle bekannten Pferdearten haben an jedem Fuße nur eine Zehe, einen Huf, und neben dem einfachen Mittelhand- und Mittelfußknochen liegt unter der Haut versteckt noch jederseits ein dünner sogenannter Griffelknochen, der als Rest der verkümmerten äußern und innern Zehe zu betrachten ist. Der eine dieser Griffelknochen trägt bei dem tertiären Hippotherium eine wirkliche Zehe mit Hufe, eine Afterklaue, die aber den Boden beim Gehen nicht berührte, sondern frei neben dem großen Hufe hervorragte. An der Seite dieser Afterklaue findet sich dann noch ein besonderer Griffelknochen als Rudiment einer vierten Zehe. Uebrigens glich das Hippotherium einem sehr zierlich und schlank gebaueten Pferde, und zeichnete sich nur noch durch die zahlreichen feinen Fältelungen der Schmelzfalten seiner Backenzähne aus. Der Unterschied von Einhufer, Spalthufer und Vielhufer, der in der gegenwärtigen Schöpfung so scharf ausgeprägt ist, die schroffe Aneinanderreihung des heutigen Tapir, Elephant, Nashorn, Flußpferd, der Wiederkäuer und Einhufer findet sich in der tertiären Zeit der Schöpfung nicht: Paläotherien, Anoplotherien, Hippotherien, Mastodonten, Chöropotamen und Hirsche waren damals viel näher verwandte Gestalten als ihre Nachfolger in der diluvialen und gegenwärtigen Schöpfung.

Wir wenden uns von den großen Pflanzenfressern zu den gefährlichen Raubthieren, deren Existenz ganz von jenen abhängig

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 664. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_664.jpg&oldid=- (Version vom 5.8.2023)