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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

„Es hat sich eine Schutzwache in unserer Stadt gebildet, um den flüchtigen Rebellen entgegenzutreten, die jetzt häufig Semlin passiren, die nahe türkische Grenze zu erreichen. Mich hat man zum Commandanten derselben ernannt.“

Kathi’s Händen entsank der Zipfel der Schürze; sie sah schweigend den Commandanten an.

„Wundert Dich das?“ fragte lächelnd Herr Czabo.

„Nein!“

„Und doch scheint es so?“

„Ich freue mich, daß der junge Kaiser in Semlin so treue Unterthanen hat.“

„Wahrhaftig? So sind wir von gleicher politischer Farbe. Gefällt es Dir in meinem Hause?“ fragte der Apotheker, indem er die Dose öffnete und mit zwei Fingern ein wenig von dem duftenden Taback daraus hervornahm.

„Gewiß, Herr Czabo! Sie sind sehr freundlich, und Ihre Tochter ist die Güte selbst. Was kann eine arme Dienstmagd von ihrer Herrschaft mehr verlangen?“

Das ganze Gesicht des Apothekers lächelte; als ob er auf der Stelle einen schlagenden Beweis von seiner Freundlichkeit geben wollte, hielt er der Köchin die offene Dose hin, und fragte:

„Ein Prischen?“

„Danke, Herr Czabo, ich schnupfe nicht!“

Diese Worte sagte Kathi mit zitternder Stimme, als ob sie die besondere Aufmerksamkeit des Herrn Commandanten der Schutzwache erschreckt hätte. Dieser sah dem jungen Mädchen scharf, aber freundlich in das Auge. Kathi wich betroffen einen Schritt zurück, dann bückte sie sich, um ein Stück Holz unter dem Herde hervorzuholen. Das Halstuch verschob sich bei dieser Bewegung, und Herr Czabo sah einen wie aus Elfenbein geformten Nacken. Die Köchin beschäftigte sich mit dem Feuer.

„Wie befangen sie ist!“ dachte der Apotheker. „Vetter Lajos hatte Recht, ein solches bescheidenes Veilchen muß man sorgfältig wahren, damit es die Sonne nicht zu zeitig welkt. Eine arme Dienstmagd, sagtest Du?“ fragte er nach einer kleinen Pause. „Ich meine, Du besitzest genug, um nicht für arm zu gelten,“ fügte er muthiger hinzu.

Kathi wandte sich wieder zu ihrem Herrn, dann sagte sie mit bewegter Stimme:

„Ich bin so arm, lieber Herr, daß ich es kaum zu sagen vermag!“

Der Commandant ward von Mitleiden ergriffen, sein Lächeln verschwand und sein Blick ward ernst.

Das junge Mädchen erschrak von Neuem.

„Fürchtest Du Dich vor mir, Kathi?“

„Der Braten, Herr!“ sagte sie rasch, indem sie sich wieder zu dem Herde wandte und die Deckel der Töpfe öffnete, um nach den Speisen zu sehen.

„Sie fürchtet meinen Zorn wegen des angebrannten Bratens,“ dachte Herr Czabo lächelnd, „es ist Zeit, daß ich das arme Kind beruhige. Kathi!“ rief er laut.

„Herr Czabo?“ antwortete sie, ohne sich umzusehen.

„Sieh’ mich an, ich meine es gut mit Dir!“

Bei diesen Worten ergriff er den Arm des jungen Mädchens, so daß sie ihn ansehen mußte. Des Apothekers Gesicht schwamm in einem Meere von Freundlichkeit.

„Kathi, sei offen, ängstigt Dich etwas?“

„Nein, nein!“ flüsterte sie.

„Und doch glaube ich es zu errathen.“

„Sie, Herr Czabo?“

„Dein Vetter Lajos ist ein alter Bekannter –“

„Lajos, war er bei Ihnen?“

„Ich meine nur, er kann es mir sagen -“

„Das glaube ich nicht,“ antwortete Kathi mit einem schmerzlichen Lächeln, wobei sich die beiden Reihen ihrer wunderbar schönen Zähne zwischen den rothen Lippen zeigten.

„Und wenn er es mir schon halb und halb gesagt hätte?“

Aus Kathi’s Augen blitzte ein seltsamer Strahl, und ihr Kopf hob sich hoch empor.

„Lajos?“ rief sie wie verletzt. „Unmöglich!“

Der Commandant der Schutzwehr wunderte sich einen Augenblick über den Ton, in welchem diese Worte gesprochen wurden.

„Es steckt etwas dahinter,“ dachte er; „vielleicht hat der lange Niklas Glück gehabt, ich muß es um jeden Preis zu erforschen suchen. Bestätigt sich mein Argwohn, so jage ich den Unverschämten aus dem Hause.“

Mit Mühe legte er sein Gesicht wieder in die Falten der Freundlichkeit.

„Ei, mein Kinde sagte er mit einem feinen Lächeln, „fürchtest Du, daß Dein Geheimniß verrathen werde?“

„Herr, ich habe keine Geheimnisse!“ antwortete Kathi unschuldig.

„Du liebst, nicht wahr?“

Kathi schlug die Augen auf ihre weiße Küchenschürze; ihre kleinen berußten Hände spielten verlegen mit dem Zipfel derselben.

„Unglücklich?“ fuhr Herr Czabo fort.

Die Köchin antwortete nicht, aber ihr Gesicht blieb ruhig.

In Herrn Czabo regte sich ein Gefühl, das der Eifersucht nicht unähnlich war.

„Nun, habe ich Recht?“ fragte er kleinlaut.

„Sie haben Recht, Herr Czabo!“ flüsterte Kathi, indem sie zu ihren kleinen Füßen hinabsah.

„Und wer ist denn dieser glückliche Mann?“

„Das kann ich nicht sagen.“

„So muß ich ihn wohl errathen?“

„Das ist eine Unmöglichkeit!“ antwortete sie mit einem reizenden Lächeln der Verlegenheit.

Herr Czabo lauschte einen Augenblick nach der Küchenthür; als er bemerkte, daß die Hausflur völlig ruhig war, fragte er:

„Ist er jung?“

„Nicht so alt als ich!“ flüsterte Kathi.

Der Commandant stutzte; er dachte an Niklas, der kaum neunzehn Jahre alt war, und Lajos hatte ihm gesagt, daß seine Nichte zweiundzwanzig zähle. Er glaubte auf der Spur zu sein.

„Ist er reich?“ fragte er, denn er hatte die Absicht, die Armuth und Abhängigkeit seines Gehülfen zu schildern.

„Sehr reich!“ antwortete die Köchin.

Der Apotheker stutzte zum zweiten Male. Niklas konnte es also nicht sein. Er beschloß, seinen Plan zu ändern.

„Lebt er in Semlin, Kathi?“ fragte er, und der Verdacht stieg in ihm auf die Köchin sei deshalb in seine Dienste getreten, um den Geliebten in der Nähe zu haben.

„Nein, Herr!“

„Ah, ich errathe - er ist Soldat!“

„Ein Soldat von hohem Range,“ antwortete Kathi.

„Das dachte ich mir,“ rief Herr Czabo.

„Was?“ fragte sie verwundert.

„Er diente im Heere der Rebellen, wo die Waghälse leicht Obristen, selbst Generale wurden! Ah, mit dem hohen Range ist es aus, mein Kind. Die Herren Obristen und Generale laufen ohne Regimenter durch das Land, wenn sie nicht erhängt oder erschossen sind. Also daher kommt Deine Traurigkeit? Mein Kind, mit einem Rebellen mußt Du es nicht halten, alle diese Leute haben keinen guten Charakter. Ein anderes Städtchen, ein anderes Mädchen! Man kennt das. Wer weiß, mit welcher Person Dein Angebeteter jetzt liebäugelt, wenn er mit heiler Haut davon gekommen ist.“

„Sie irren, Herr Czabo, er ist kein Rebell, er ist im Gegentheil –“

„Nun, so sage es endlich, wer er ist,“ rief der ungeduldige Apotheker.

Kathi zögerte einen Augenblick, dann flüsterte sie ganz leise:

„Der junge General von S....!“

Der Commandant glaubte seinen Ohren nicht trauen zu dürfen. Starr sah er die Köchin an.

„Wer? Wer?“ fragte er endlich gedehnt.

Die schöne Kathi verhüllte ihr Gesicht mit der Schürze, als ob sie sich schämte, die Verwegenheit ihrer Neigung bekannt zu haben.

„Der General!“ fragte Herr Czabo noch einmal.

Sie nickte mit dem Kopfe.

„Mädchen, bist Du toll?“

„Ach ja, das habe ich mir schon oft gesagt!“ flüsterte sie.

„Kathi, Du lieferst den Beweis, daß Du ein loyales Mädchen bist – das ist mir lieb. Du sollst in meinem Hause bleiben, so lange es Dir gefällt.“

„Ich danke, Herr Czabo.“

„Hier, nimm,“ fügte er hinzu, indem er eine Börse aus seiner

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 661. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_661.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)