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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

Muß die Stelle der Mutter von einer Amme ersetzt werden, dann sollte die Wahl derselben zuvörderst nur durch den Arzt und zwar nach vorheriger sehr genauer Untersuchung geschehen, und nur mit Zustimmung des Arztes sollte eine Mutter ihrer Sympathie oder Antipathie bei einer solchen Wahl folgen. Wo möglich muß das Kind der Amme, welches natürlich ebensowenig wie die Milch derselben unbeachtet zu lassen ist, dasselbe Alter wie das zu stillende haben, weil sich während der Zeit des Stillens allmälig nach dem Bedürfnisse des wachsenden Kindes die Beschaffenheit der Muttermilch etwas ändert. Die Amme sollte wenigstens nicht über 6 oder 8 Wochen vor der Mutter entbunden worden sein. Die Milch von Brünetten soll übrigens nahrhafter als die von Blondinen sein. Hat man unter mehreren gesunden Ammen die Wahl, dann wähle man die, welche mit der Mutter von gleicher oder ähnlicher Constitution ist. Durchaus nöthig ist es, daß die Amme von der Mutter fortwährend gehörig beaufsichtigt wird, besonders hinsichtlich der Menge ihrer Milch, der richtigen Nahrung, der Vermeidung von Erkältung und wegen der Reinlichkeit. Nicht selten gebrauchen Ammen, bei denen die Milch sparsamer wird, diese und jene Hülfsmittel zur Sättigung des Kindes, welche demselben Nachtheil bringen. Man beobachte deshalb das Kind beim Trinken und achte auf die Menge der Urin- und Stuhlausleerungen des Säuglings, der natürlich auch nicht viel ausleeren wird, wenn er nicht genug Nahrung bekommt. Unpassend ist die Amme für das Kind, wenn dasselbe nicht zunimmt, wohl gar welk und mager wird, fortwährend unruhig und mit Blähungen oder Durchfall behaftet ist. – Was die Behandlung der Amme betrifft, so muß die Nahrung derselben natürlich gehörig nahrhaft sein, wie bei der stillenden Mutter, einfach und der Amme zusagend, aber nicht zu sehr von der abweichen, welche die Amme früher genossen hat. Ebenso darf eine an anstrengende Arbeit gewöhnte Person nicht müßig dasitzen. Mäßiges Arbeiten und der tägliche Genuß frischer Luft nutzt jeder Amme. So wie nun die Mutter an die Amme ziemlich viele Ansprüche macht, so vergesse eine Mutter aber auch nicht, daß sie Pflichten gegen eine Amme zu erfüllen hat. Eine freundliche, übrigens aber ernste und konsequente Behandlung, ohne zu weit getriebene Freundlichkeit und Vertraulichkeit, wird bei den meisten Ammen gut anschlagen. Daß einer Amme Manches nachzusehen ist, versteht sich von sich selbst, sie ist ja aber auch nicht die Mutter des Säuglings. Daß ein Kind mit der Mutter- oder Ammenmilch den Charakter seiner Ernährerin oder wohl gar Laster mancher Art einsaugen sollte, ist blanker Unsinn; Laster sind stets erst anerzogen. – Weder Mutter noch Amme dürfen das Kind zu sich in’s Bett nehmen, weil im Schlafe schon manches Kind erdrückt worden ist. Der Eintritt der Regel während des Stillens ist kein Hinderniß für dessen Fortsetzung.

Das Aufziehen des Kindes ohne Mutter- oder Ammenmilch ist ein äußerst schwieriges, nur von sehr gewissenhaften Müttern richtig auszuführendes Geschäft und darf in den ersten 6 bis 8 Monaten nur durch Thiermilch geschehen, welche in ihrer Beschaffenheit und Temperatur der Muttermilch so ähnlich als möglich herzustellen ist. Eine Hauptbedingung des glücklichen Erfolges hierbei ist gute Milch und die größte Reinlichkeit. Eselsmilch würde der Kuhmilch deshalb vorzuziehen sein, weil jene in ihrer Zusammensetzung der Frauenmilch am ähnlichsten ist. Kuhmilch, welche in der Regel zum Aufziehen der Kinder verwendet wird, ist im Vergleich zur Frauenmilch zu reich an Butter und Käse, dagegen zu arm an Milchzucker, sie muß deshalb mit Wasser verdünnt und mit Milchzucker versetzt werden. Der Grad der Verdünnung richte sich nach dem Alter des Kinden; anfangs ist wenigstens die Hälfte oder ein Drittel Wasser zuzusetzen, allmälig ein Viertel und endlich ein Fünftel; erst nach dem 6. oder 7. Monate kann unverdünnte Milch gereicht werden. Da aber durch dieses Verdünnen der Buttergehalt der Milch mehr als gehörig vermindert wird, so ist es nöthig noch etwan Sahne (Rahm) zuzufügen. Man verfahre deshalb auf folgende Weise: man nehme nicht blos Milch (von der Kuh weg), sondern auch noch Rahm und zwar von beiden gleiche Theile, verdünne diese Mischung nach dem Alter des Kindes mit einer größern oder geringern Menge Wassers und setze soviel Milchzucker hinzu, daß diese Verdünnung schwach süßlich schmeckt. Die Milch ist wo möglich von ein und derselben Kuh zu nehmen und diese Kuh, welche nicht vor zu langer Zeit geworfen haben darf, muß gesund, von gutem Ausehen sein. Es giebt viel schwindsüchtige Kühe, deren Milch möglicher Weise schädlich sein könnte. – Die Temperatur des Getränkes muß stets von einigen zwanzig Graden sein und das Gefäß, woraus das Kind trinkt (am besten eine gläserne Saugflasche oder ein Schiffchen von Porzellan), immer äußerst rein. Wäre eine gute Milch nicht zu erlangen, dann würde eine Verdünnung derselben mit schwacher Fleischbrühe anstatt mit Wasser die Nahrhaftigkeit vermehren, auch könnte allenfalls noch eine Eilösung (des Eiweißes und Dotters) als Nahrungsmittel angewendet werden.

Das Entwöhnen des Kindes von der Brust, ein sehr wichtiger Moment für das Kind, sollte niemals vor oder gerade während des Ausbruchs der Zähne, sonach vor Ablauf des ersten Jahres und bei Kindern schwächlicher, ungesunder (besonders brustkranker) Aeltern noch weit später stattfinden; es geschehe nicht plötzlich, sondern allmälig, innerhalb eines Zeitraums von etwa 14 Tagen bis 3 Wochen, womöglich in einer Jahreszeit, wo das Kind in die freie Luft getragen werden kann. Die Stillende genieße jetzt weniger nahrhafte und milchmachende Speisen, das Kind werde seltener an die Brust gelegt und erhalte dafür andere aber ja nur flüssige Nahrung (gute Kuhmilch und Fleischbrühe mit Milchzucker). Nie werde dem Kinde, welches entwöhnt werden soll, zuerst bei Nacht die Brust entzogen. Nachdem dasselbe immer seltener die Brust und dafür immer mehr andere Nahrung erhalten, gebe ihm die Mutter oder Amme in einer Morgenstunde den letzten Trunk und gehe ihm dann soviel als möglich aus den Augen, um keine Erinnerung an die Brust im Kinde zu erwecken. – Wird ein Kind bald nach dem Entwöhnen unwohl, magert es sehr ab, bekommt Durchfall oder Brechen, dann muß es durchaus wieder einige Zeit lang von einer Amme ernährt werden.

Die Luft, welche der Säugling einathmet, sei stets rein und niemals sehr kalt, weil sonst ziemlich gefährliche Krankheiten im Athmungsapparate äußerst leicht zu Stande kommen können. Besonders werde schneller Wechsel zwischen warmer und kalter Luft ängstlich vermieden und während des Schlafens immer auf reine warme Luft (von etwa 14–16° R.) gehalten. Bei Ost- und Nordwinde, überhaupt bei kalter Luft, sollten Säuglinge stets in der warmen Stube bleiben. Ganz vorzüglich ist dies aber nothwendig, wenn sich Zeichen vom Schnupfen oder Husten beim Säugling einstellen; denn werden diese nicht beachtet, dann entwickelt sich sehr leicht eine tödtliche Lungenentzündung.

Warme Bäder oder Waschungen der Haut sind dem Säugling zu seinem Wohlsein ganz unentbehrlich. Sie müssen täglich und mit der nöthigen Vorsicht angewendet werden, womöglich am frühen Morgen, bald nach dem Erwachen und vor dem Trinken des Kindes. Vorsicht ist aber insofern beim Baden und Waschen anzuwenden, als sehr leicht dabei eine Erkältung der Haut und dadurch ein gefährlicher Magen-Darmkatarrh (mit Durchfall, Brechen) zu Stande kommen kann. Die Temperatur der Zimmerluft und des Badewassers ist deshalb wohl zu beachten, erstere darf nicht unter +14° sein, letztere in den ersten Monaten gegen +27°, später etwa 25 bis 23°. Die alte gebrauchte Wäsche des Kindes gleichzeitig mit in das Bad zu legen, ist eine nicht zu billigende und dem Säugling nachtheilige Unreinlichkeit. Bisweilen, besonders bei sogenannten unruhigen Kindern, ist es von Nutzen, beruhigend und schlafbringend, das Kind Abends unmittelbar vor Schlafengehen noch einmal oder nur zu dieser Zeit zu baden. Im Bade ist die Haut mit einem Schwamme oder einem Stückchen Flanell gehörig abzureiben, niemals aber das Auge mit demselben Schwamme zu reinigen, sondern immer nur mit eigens für die Augen bestimmten reinen, weichen Leinewandsläppchen. Beim Herausnehmen des Kindes aus dem Bade, hülle man es in ein gewärmtes Leinwandtuch, trockne und reibe es ab, und reiche ihm nach dem Anziehen die Brust oder Milch. Gleich nach dem Bade das Kind an die freie Luft zu schicken, kann gefährlich werden. – Das Waschen des Kindes mit warmem Wasser kann das Baden nie ersetzen und verlangt eine noch weit größere Vorsicht (vor Erkältung) als dieses. – Es gibt übrigens Kinder (gewöhnlich blonde, mit sehr zarter Haut), welche das Baden nicht vertragen können, sehr aufgeregt und schnupfig danach werden; bei diesen sind dann weit seltener (die Woche ein- oder zweimal) Bäder oder nur Waschungen anzuwenden.

Was die Kleidung des Säuglings betrifft, so ist hierbei zuvörderst auf die größte Reinlichkeit und Trockenheit zu halten, sodann darauf zu sehen, daß sie nirgends, besonders nicht am

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