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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

„Da meine Hand, heiliger Vater! Nur bleibt mir nahe, daß ich standhaft das Todesurtheil meines Herzens sprechen kann.“

Der Erzbischof drückte den Jüngling an sein Herz, der eng seine Arme und Ketten um ihn schlang. In freudigem Schmerz und schmerzlicher Freude klopften da ein junges und ein altes Herz zusammen, bis Waffen klirrten und Tritte klangen und Konrad von Marpurg mit Burkhardt von Oldenburg eintraten, Gewaffnete und Fackelträger stellten sich am Eingang auf.

„Gerettet! Gerettet!“ rief der Erzbischof, der Beiden entgegen trat.

„Ist’s wahr?! Georg, mein Sohn! Mein wiedergeborener Sohn!“ rief der Graf und wollte hin zum Geliebten und ihn umarmen. Der Ketzermeister aber trat mit den Worten dazwischen: „Noch ist er in Bann.“ Dann wendete er sich zum Erzbischof mit forschendem Blicke: „Die Kraft des Herrn ist groß in Euch gewesen, Erzbischof; fast däucht’s ein Wunder.“ Nun trat er zum Junker, der halb sein Knie beugte und fragte ihn: „Kannst Du aussagen mit feierlichem Eide, daß Du bereuest, was Du gegen den Stellvertreter der heiligen Inquisition gethan, gesagt und gedacht hast?“

„Ja!“ preßte der Junker wie gefoltert heraus.

„Daß Du lösest Dein Verlöbniß mit Deiner von Dir so geheißenen Braut aus dem Stedingerlande?“

„Ja!“ erscholl es, wie aus dem Grabe.

„Daß Du das Kreuz zum Zuge gegen Steding nehmen willst, als Bürgschaft Deiner Glaubenstreue?“

Der Jüngling zuckte zusammen, warf einen verzweiflungsvollen Blick auf den Erzbischof. Der winkte strenge und zugleich milde und ein fast wimmerndes „Ja!“ entrang sich dem Munde des Junkers.

„Beschwöre dies Alles bei der heiligen Dreifaltigkeit!“

„Ich schwöre!“

„So hebe ich aus freier Gnade auf das Urtheil des Bannes über Dich, löse diese Ketten und spreche Dich los von jeder Buße.“

„Und ich schlage Dich hier zum freien Ritter!“ rief der Graf; „der Junker Georg von Oldenburg sollte das Tageslicht nicht wieder sehen; der Ritter soll es stolz begrüßen. Kniee nieder.“

Dem Junker waren währenddem die Ketten abgenommen; er brach fast zusammen unter der neuen Freiheit, er konnte nur leise vor sich hinmurmeln: „Der Ritterschlag an diesem Orte! – O, ein böses Omen!“ Dann kniete er vor dem Grafen nieder. Konrad und der Erzbischof legten die Hände auf sein Haupt, während der Graf ihm mit der flachen Klinge auf die Schulter schlug, sprechend:

„Zu Gottes und Maria Ehr’,
Empfange diesen und keinen mehr!
Für Kirche und Reich stark kämpfen.
Die bösen Lüste dämpfen! – Amen!“

„Amen!“ beteten nun auch der Erzbischof und Konrad. – „Amen!“ beteten die Gewaffneten und Fackelträger. Das gab ein seltsames Summen in dem öden, schauerlichen Raume! – dann tiefe Pause. Der Ritter stand auf, und geführt vom Erzbischof, folgte er still den stillen Männern hinauf an’s Tageslicht, an die Freiheit. Doch Freiheit und Tageslicht, – sie waren ihm im ersten Augenblicke schauerlicher, als die Entsetzen des Kerkers ihm gewesen waren.



VIII.
Ritter und Bauer.

Drei Wochen waren vergangen. In Oldenburg summte und brummte es sonderbar; durch alle Thore zogen Gewaffnete, geistliche Lieder singend, ernst und düster einherschreitend; die Bevölkerung sah sie ernst und düster an; schwarze und rothe Fahnen flatterten unheimlich durch die Straßen; unheimlich war die Luft, drückend heiß wie beim Moorbrand. Ein junger Bauer schritt über den Marktplatz, dem Schlosse zu; hastig, unruhig sich umschauend und dabei murmelnd: „Sind denn die Heiden in’s Land gefallen, daß es einen Kreuzzug gilt? – Und nirgend ein bekanntes Gesicht, das in dem Getümmel der großen Stadt Einen zurechtweise.“ Das Gesicht des jungen Bauers sah gespensterhaft weiß und bleich aus, wie von grausigen Leidenschaften durchschnitten und zerrissen; die Augen funkelten wie Dolchspitzen und die rabenschwarzen Haare hingen ihm wirr um den Kopf. – Noch schaute er sich fragend um, da hörte er von wohlbekannter, aber ängstlicher Stimme und halblaut seinen Namen rufen: „Kurt vom Bühel, um Gotteswillen wo kommst Du her?“

„Ach, ehrwürdiger Herr Pater Hieronymus, fast freut’s mich, Euch zu sehen, aber warum so bange? – So – ich weiß nicht wie?“

„Weißt Du’s denn noch nicht? Du bist ein Kind des Todes, wenn man Dich erkennt, – komm rasch hieher“ und der Pater zog den Bauer unter ein altes Gemäuer, wo sie vor Wenigen sichtbar waren. Nun erzählte er ihm rasch, daß Steding vogelfrei gegeben sei; daß in wenigen Tagen, vielleicht schon Morgen, ein Kreuzzug unermeßlicher Macht gegen sie losziehen werde.

Kurt erstarrte; „also wir sind die Heiden, nach denen ich vorhin fragte?! Uns also gelten alle die Männer, Fahnen und Lieder, – uns, – den guten, treuen Christen?!“ dies war Alles. Was er sagen konnte. Er sah einen Augenblick trübe vor sich nieder, dann den Pater forschend an und fragte: „Und Ihr, hochgelahrter Herr? Und Ihr? – Werdet denn auch Ihr das Kreuz tragen gegen uns? Gegen Eure Brüder?“

„Niemals! Niemals! – und vielleicht ist das mein Verderben,“ antwortete der Pater.

„Ihr habt uns verl– – doch davon nichts mehr; kommt wieder zu uns, Pater. Ihr werdet so lange in der Mitte stehen, bis Ihr platt gedrückt werdet; rettet Euch zeitig aus dieser Mitte heraus, kommt mit mir.“ So sprach Kurt und faßte die willige Hand des gerührten Paters.

„Rette Du Dich selbst, Kurt;“ sprach derselbe jetzt dringend.

„Eile zurück wie der Wind, sonst bist Du verloren.“

„Erst muß ich meine Botschaft werben und sollten mich darüber tausend Henker fassen. – Wo find’ ich ihn? – Ihr wißt ja doch schon, wen ich meine.“ Er sah aus wie eine Gewitterwolke, der Kurt, als er das sagte.

Der Pater verstand ihn und antwortete schüchtern: „Sie haben ihm arg mitgespielt, fürchterlich; da gab er nach; nun ist er elend geworden, ganz elend und zerschlagen. Manchmal ist er wild und trotzig.“

„Ich auch!“ knirrschte Kurt; „doch führt mich zu ihm; ich muß ihn sehen.“

„So folge mir durch dieses Gäßchen; ich führe Dich auf geheimem Weg auf’s Schloß; dort steht er oft auf der Rampe und schaut in’s Land. Ich glaube hinaus nach Steding.“

„Daß darf er nicht mehr, der Verräther,“ sprach Klaus mit bebender Stimme und beide stiegen schweigend hinauf auf’s Schloß.

Der Ritter stand oben; der Pater blieb zurück, – Kurt trat festen Schrittes vor Georg hin. Georg wurde noch bleicher als er schon war; er schlug die matten Augen nieder; dann sah er mit schmerzlichem Blicke den Bauer an. Dieser begann ruhig: „Herr Junker! An dem Abend, da das Mädchen, was ich mehr als meine Seligkeit liebte, Euch als verlobte Braut küßte, mich dann bei der Hand nahm, mich zu Euch führte und sagte: „„Kurt! Habe ihn lieb, meinetwegen, denn er macht mich so glücklich, wie nur ein Erdenkind sein kann,““ seht, da glaubte ich erst, der Boden müßte sich unter mir aufthun und mich verschlingen, Euch und auch das Mädchen. Dann aber faßte ich den Teufel in mir beim Hals und warf ihn zu Boden und trat auf ihn und dann – dann liebte ich Euch; – Gott sei mein Zeuge, – ich that’s, – weil Ihr sie so glücklich machtet. Und dann hielten wir Waffen- und Todesbruderschaft und duzten uns, – und ich will ewig in der Hölle lodern, wenn ich’s nicht gehalten hätte. Und Ihr schwuret auch mir: Ihr wolltet treu hangen an dem Mädchen, allewiglich. Nun sagt mir, Herr Junker, was habt Ihr darauf zu sagen?“ Kurt vom Bühel hatte noch nie so viel hintereinander gesprochen; noch nie so ruhig, so gemessen gesprochen und doch noch nie so gelitten, so grimmig gehaßt als jetzt.

Georg schwankte vor Schmerz wie eine junge Eiche im Sturm.

„O armer Kurt! Armer Genosse! O sag: wie geht es ihr?“

„Sie ist sehr blaß, sehr schwach geworden. Möchte Euch jetzt wohl nicht mehr gefallen. Sie ist weich und still wie eine Märtyrerin. O sie ist noch viel schöner so als ehedem. Und sie hofft auch noch. Ein liebend Herz hofft ja noch über die Hoffnung hinaus; das weiß ich an mir. Aber nun will sie Gewißheit haben. Vielleicht, so sagte sie beim Abschied – und nannte mich dabei lieber Kurt – vielleicht halten sie ihn fest, daß er

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