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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

und Cavallerieangriffe bald in die hastigste Flucht geschlagen ward, so daß sie zwei Meilen lang den Weg mit einer großen Menge Bagage, Munition, Kleidungsstücken, Koffern, Juwelen und Thalern baarem Gelde bestreuten. Darunter auch die Equipage Menschikoffs. Die Beute ward unter Leitung von Offizieren möglichst gleich vertheilt und eine große Batterie von Champagner, die man in Bagagewagen entdeckte, durch Rundtrinken entwaffnet. Viele Soldaten handelten und tauschten hernach mit ihren Beuteantheilen.

Am 26. schlief man schon auf den Höhen von Balaklava, mit dem schon im Alterthume berühmten, kleinen, aber tiefen, nur mit Ausnahme eines engen Einganges ringsum von steilen Felsen geschützten Hafen. Von einem Fort oben gaben etwa sechzig Mann „Bürgerwehr von Balaklava,“ einige Schüsse, doch einige Grüße von Schiffen und Rifles hinaufgesandt, bewog sie bald, die Flagge der Ergebung aufzuziehen. Gefragt, weshalb sie in ihrer Position den vergeblichen Versuch gemacht hätten, antworteten sie, daß sie es für ihre Pflicht gehalten, zu feuern, bis sie aufgefordert wurden, sich zu ergeben.

In der Mittagsstunde erschien Lord Raglan mit Stab in der Hauptstraße von Balaklava. Die Einwohner kamen ihm von allen Seiten mit Körben voller Brot und Blumen entgegen und mit Schüsseln voller Salz, Zeichen ihrer Unterwürfigkeit und daß sie gastfreundschaftlich handeln wollten. Er versicherte sie seines Schutzes und ritt hinunter nach dem Hafen, wo bald das erste Dampfschiff und gegen Abend auch das ungeheuere Kriegsschiff Agamemnon „zum größten Aerger des Admiral Dundas“ und zu unserer höchsten Freude erschien, da nun Flotte und Armee vereinigt und die Basis der Operationen Raglan’s gewonnen war.

Gegen Abend ward ein gefangener Russe, von Geburt ein Engländer, Mr. Upton, der Hauptheld an der Construktion der Festungswerke, Wasserleitungen u. s. w. von Sebastopol, vor Lord Raglan gebracht und nach den Geheimnissen der Festung gefragt, aber er verweigerte in dem allerentschiedensten Tone irgend eine Auskunft zu geben, da es ihm als einem Engländer ganz ehrlos erscheine, die Regierung zu verrathen, in deren Dienste er sei. Er wurde zwar nicht wieder frei gelassen, gleichwohl sah Raglan wohl ein, daß er den Gefangenen weder als einen Russen, noch als einen Engländer weiter zwingen kann, ihm die Dienste eines Verräthers zu leisten.

Balaklava sieht auf seinen Höhen gar malerisch aus. Inwendig ist die Stadt aber weiter nichts, als ein armes Fischerdorf griechischer Colonisten. Man sieht nur zwei oder drei erträgliche Häuser, aber desto mehr gutgefüllte Höfe mit Heu und sonstigen willkommenen Artikeln, für welche stets gut bezahlt wird. „Auf unserm Marsche konnten wir nur aus dem einfachen Grunde nicht bezahlen, weil mit Ausnahme einer einzigen Katze nirgends ein lebendiges Wesen in Häusern und Dörfern zu entdecken war.“

Balaklava hat Aussicht, nach Sebastopol einer der bekanntesten Namen zu werden. Es ist jetzt der Brennpunkt der englisch-französisch-türkischen Operationen gegen Sebastopol zu Lande und Wasser und der Schlüssel zum Paradiese. Von Balaklava zieht sich in Sebastopol entgegengesetzter Richtung das berühmte Thal von Baidar hin, welches als das herrlichste Arkadien der Welt schon oft besungen ward. Die schönsten Villa’s verbergen sich reizend zwischen einem Gemisch der üppigsten alten Bäume und der duftigsten Garten- und Blumen-Cultur. Alles grünt und blüht hier im ewigen Sonnenschein und der weichsten, heitersten Luft saftiger, duftiger, farbenglühender, als in irgend einem Theile des endlosen Rußland. Es ist die äußerste, höchste Blüthenkrone des russischen Reichs, das hier von seinen in ewiges Eis gebannten tausendmeiligen Gestaden am Nordpolarmeer gleichsam den Aequator und alle Herrlichkeiten der Tropen erreicht. Die Natur hört hier nie auf, in verschwenderischster Weise stets gleichzeitig zu keimen, zu blühen und reife Früchte zu bieten, die riesigsten Weintrauben, die glühendsten Südfrüchte aller Art in idealer Größe und Vollendung. Bis Alupka, Yalta und selbst Aluchta fährt sie fort, an den Bergen hinauf dem offenen Meere die gesegnetsten, reizendsten Landschaftsbilder zu zeigen. Der Blick und das Herz bedürfen nach den Kriegsbildern solcher Aussichten, die wir freilich auch nicht ohne Besorgniß genießen, daß etwa strategische Rücksichten der „Wissenschaft“ gelegentlich – von Freundes- oder Feindeshand – vandalische Zerstörung dieses Paradieses gebieten mögen.




Blätter aus dem physikalischen A-B-C-Buche.
3. Die Entstehung der Winde.

Es ist eine sehr bekannte Erscheinung, daß sich alle Körper ausdehnen, wenn sie erwärmt werden. Man denke z. B. an das Quecksilber im Thermometer. Ganz besonders auffällig ist diese Erscheinung bei allen luft- und dampfförmigen Stoffen. Sie können um das Mehrfache ihres Raumes, welchen sie bei gewöhnlicher Temperatur einnehmen, ausgedehnt werden, während dies bei den festen und flüssigen Körpern nur wenig oft kaum bemerkbar geschieht. Dies wird natürlich auch bei der atmosphärischen Luft stattfinden. Werden aber gewisse Theile der Atmosphäre durch die Wärme ausgedehnt, so werden sie dadurch leichter als die umgebenden kälteren Theile und müssen folglich in die Höhe zu steigen beginnen. Dieses Aufsteigen der erwärmten Luftmassen hat, wie leicht einzusehen, ein Nachströmen kälterer zur Folge, denn sonst müßte ein leerer Raum sich bilden, und so entsteht jene Luftbewegung, die wir je nach ihrer Stärke Wind oder Sturm nennen.

Ein Beispiel bieten zunächst die beständigen Land- und Seewinde an den Küsten namentlich der heißen Länder. Den Tag über werden von den fast senkrecht auffallenden Sonnenstrahlen die Küstenländer bedeutend erwärmt und kühlen sich während der Nacht wieder sehr ab. Dies wird dadurch noch begünstigt, daß in der Nähe des Aequators Nacht und Tag das ganze Jahr hindurch nahe gleich lang sind. Das Meer behält dagegen immer nahe dieselbe Temperatur, theils weil das Wasser ein schlechter Wärmeleiter ist, d. h. die Wärme schwer annimmt und schwer abgiebt, theils weil das Meerwasser in fortwährender Bewegung begriffen ist, wodurch die erwärmten Theile mit den kälteren immer wieder gemischt werden. Es muß also, nachdem den Tag über der Erdboden und mit ihm die Luft erwärmt worden ist, die letztere in die Höhe zu steigen beginnen, dagegen die kältere Luft über dem Meere nach dem Lande zu strömen, d. h. Seewind entstehen, der gegen Sonnenuntergang am Stärksten wehen wird. In gleicher Weise wird die während der Nacht auf dem Lande abgekühlte Luft, namentlich gegen Sonnenaufgang dem wärmeren Meere zuströmen, d. h. es wird Landwind wehen.

Dieselbe Erscheinung wiederholt sich in größerem Maaßstabe bei den Passatwinden, indem davon die herrschende Windrichtung an allen Theilen der Erdoberfläche mehr oder weniger abhängt. Passatwinde nennt man nämlich die zu beiden Seiten des Aequators (zwischen den sogenannten Wendekreisen) beständig wehenden Ostwinde. Diese Sache erfordert aber deswegen eine etwas umständlichere Betrachtung, weil noch eine andere Ursache thätig ist, welche die anfängliche Richtung des Windes abändert.

Wenn in einem geheizten Zimmer zwei entgegengesetzt liegende und in kalte Räume führende Thüren geöffnet werden, so wird im unteren Theile der Thüren sofort kalte Luft einströmen und nach der Mitte des Zimmers zu ihren Weg nehmen; in den oberen Theilen der Thüren wird dagegen warme Luft hinausströmen, welche von der Mitte der Decke herkommt. Es werden sich sonach in diesem Zimmer folgende Luftströmungen bilden: im unteren Theile zwei nach der Mitte desselben gehende und von den Thüren herkommende Ströme; im oberen Theile zwei nach den Thüren zu gehende von der Mitte der Decke herkommende Ströme; in der Mitte des Zimmers selbst wird ein aufsteigender Luftstrom entstehen. Von diesen Strömen kann man sich leicht durch eine Lichtflamme überzeugen, welche je nach der Richtung des Luftzuges bald nach dieser bald nach jener Seite hingeweht werden wird.

Die Mitte des geheizten Zimmers stelle nun die Region in der Nähe des Aequators vor, die beiden Thüren die Pole der Erde. Man sieht leicht, daß das, was hier im Kleinen stattfand, auf der Erde sich im Großen wiederholen wird. Am Aequator

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