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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

Der Weg hinauf ist äußerst beschwerlich. Da sie von hohen massiven, meist aus den Felsen gehauenen Mauern umgeben ist und nur zwei Thore hat, so können die Bewohner, sobald sie wollen, jeden etwa versuchten Angriff abweisen. Wann und zu welcher Zeit diese merkwürdige Feste erbaut worden ist, weiß man nicht, jetzt enthält sie etwa 300 Häuser in sehr engen Straßen. Der Boden ist der harte Fels. Die Bewohner sind ohne Ausnahme Juden von der karaitischen Sekte. Sie zeichnen sich durch ihren moralischen Charakter, namentlich durch ihre sprüchwörtliche Ehrlichkeit aus und erfreuen sich vieler Vorrechte. Von der Stadt führt eine steile Treppe hinunter in das sogenannte Thal Josaphat, eine Felsenschlucht, welche der Begräbnißort ist und einem von Bäumen beschatteten Spaziergange gleicht.

Noch zwei ähnliche Wunderbauten giebt es hier, Mangup Kale, auf einem sehr hohen, völlig steilen, einzeln stehenden Felsen mit großen Festungswerken, Wachtthürmen, alles in Stein gehauen und von einer Ausdehnung, daß mehrere Tausend Mann da Zuflucht finden könnten. Auch hier weiß man nicht, wer die Erbauer waren, die Genuesen scheinen aber die Feste einmal in Besitz gehabt zu haben. Bis zum Gipfel hinauf ist mit unermeßlicher Arbeit eine glatte Straße angelegt, die jetzt verfällt. Aehnlich, doch nicht so bedeutend, ist die Feste Tscherkeß-Kerman.

Balaklava (das alte Chersonesus).

So gelangen wir endlich nach Simferopol, der russischen Hauptstadt der Krim, die ziemlich malerisch liegt und den Tschatir-Dagh in der Nähe (eine Tagereise entfernt) hat. Die Stadt hieß sonst bei den Tartaren Akmetschet (die weiße Moschee). Alterthümer und geschichtliche Erinnerungen sucht man vergebens hier, denn die Stadt wurde erst 1500 von Ibrahim Bei gegründet, der den Platz vom Khan zur Belohnung für einen glücklichen Einfall in Rußland erhielt. Der Salgir, ein rasches Flüßchen, fließt mitten hindurch. Die von den Russen gebaute neue Stadt ist von der alten tartarischen ganz getrennt und regelrecht angelegt mit breiten und geraden Straßen. In der Mitte befindet sich ein großer freier Platz, an welchem das Regierungsgebäude, die Kasernen und eine schöne Kirche stehen. Die von den Tartaren bewohnte Altstadt mit den seit Jahrhunderten verfallenen Mauern hat eine griechische und eine armenische Kirche, mehrere Moscheen, und viele Brunnen; die Straßen sind eng, krumm, schmutzig und die Häuser im asiatischen Geschmack gebaut. So hat man hier in einer Stadt Asien und Europa dicht neben einander. Der Weg nach dem Tschatir-Dagh, dem höchsten Berge der Krim, sonst Mons Trapezus genannt, führt von Simferopol an dem Salgir in einer wohlangebauten malerischen Landschaft hin, voll schattiger Thäler, Dörfer und Landgüter. Namentlich wird viel Tabak hier gebaut. Unterwegs trifft man ziemlich wohlerhaltene Ruinen, welche Esri-Serai (der alte Palast) genannt werden. Die Tartaren sagen, es sei ein angefangener, aber nicht vollendeter Palast des Khan, andere meinen, es möge eine Feste der Genuesen da gestanden haben. In der Nähe giebt es auch die berühmten Höhlen von Kisil Kohs, die mit den im Harz verglichen werden und vielleicht noch ausgedehnter sind. Die Stalaktiten[WS 1] in denselben bilden die wunderlichsten Formen, und eine Beleuchtung mit Fackeln, welche die Führer meist veranstalten, giebt ein unbeschreibliches Bild. Auch ein kleiner See befindet sich darin, und an vielen Theilen der Wände giebt es einen schwarzen Lehm, aus welchem die Tartaren treffliche Pfeifenköpfe verfertigen.

Wenn man die Tartaren nach diesen merkwürdigen Höhlen fragt, so erhält man die Antwort: „Die hat der König Salomo graben lassen.“ – Der König Salomo? Zu welchem Zwecke? - „Um seine Schätze zu verstecken. Er hatte tausend Weiber und diese und die Schätze vertrugen sich nicht gut zusammen.“ Die Weiber wollten fortwährend davon haben und um nicht immer die Bitten abschlagen zu müssen, kam der weise Salomo auf den Gedanken, die Schätze hierherbringen zu lassen.“ – Konnte er denn in seinem eigenen Lande keinen passenden Ort finden? Warum wählte er einen so weit entfernten Platz? – „Entfernt? Wißt Ihr nicht, daß er einen Ring besaß, den er nur zu drehen brauchte, um sich dahin versetzt zu sehen, wohin er sich wünschte?“ – Da er aber so viele Schätze hatte, so mußte er den Weg doch viele Tausendmal machen? – „Wollt Ihr weiser sein als der weise Salomo?“

Der Tschatir Dagh selbst mag 800 Klafter hoch sein. Die Aussicht von seinem Gipfel herab ist eine sehr weite; man überblickt den ganzen nördlichen Theil der Halbinsel nach dem Azow’schen Meere zu und einen Theil von diesem selbst, aber diese Strecke ist einförmig und die malerische Südküste von einer vorliegenden Bergkette verdeckt. Am höchsten Gipfel sieht man heute noch die Oeffnung, welche auf Befehl des Fürsten Potemkin gemacht wurde, als er alle Berge der Südküste bei Gelegenheit des Besuches der Kaiserin Katharina beleuchten ließ, eine der großartigsten Illuminationen, die man vielleicht jemals versucht hat.

Auf dem Rückwege nach der Küste wenden wir uns durch

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Staaktiten
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verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 531. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_531.jpg&oldid=- (Version vom 10.11.2016)